Unsere Zunge ist so etwas wie das Spiegelbild unseres körperlichen Befindens. Sprich: Verfärbungen können Rückschlüsse auf verborgene Krankheiten erlauben.
Unter hiesigen Schulmedizinern ist die Inspektion der Zunge etwas aus der Mode geraten. Früher hingegen begann nahezu jede Untersuchung beim Hausarzt mit der Aufforderung „Mund auf, Zunge raus!“ Die alte Garde unter den Doktoren weiß allerdings immer noch, dass sich vom Aussehen des länglichen, von einer Schleimhaut überzogenen Muskelkörpers Rückschlüsse auf etwaige Krankheiten ziehen lassen. In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird die Zunge schon seit Jahrtausenden als wichtige Diagnosehilfe genutzt. Auch in europäischen Breitengraden war die Zungen-Inspektion sehr gebräuchlich, weil sich die Menschen früher geschämt hatten, vor einem Arzt die Kleidung abzulegen.
Unsere Zunge ist über Nervenbahnen optimal mit dem Gehirn und den Organen verbunden. Wenn in unserem Körper daher irgendetwas nicht in Ordnung sein sollte, wird sich das in der Regel auch an der Zunge ablesen lassen. Auch ein Laie wird Veränderungen an Farbe und Belag feststellen können, sofern er seine Mundhöhle regelmäßig, am besten morgens direkt nach dem Aufstehen, noch vor dem ersten Kaffee oder dem Zähneputzen, im Badspiegel genauer unter die Lupe nimmt. Die Zunge eines gesunden Menschen hat eine blassrosa Färbung, ist leicht belegt und an der Oberfläche wegen der Papillen etwas rau. Sollten sich deutliche Abweichungen von diesem typischen Erscheinungsbild ausmachen lassen, die nicht nur einige Stunden (wie beispielsweise ein dünner weißlicher Belag nach dem morgendlichen Erwachen, der aber nach der Mundhygiene verschwunden sein sollte), sondern offenbar länger anhalten, kann dies ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Diese muss nicht immer gravierend sein, in der Regel wird sie sogar eher relativ harmlos sein. Eine weiße Zunge kann bekanntermaßen auf eine Erkältung hinweisen. Es gibt allerdings auch einige durch auffällige Verfärbungen gekennzeichneten Symptome, die einen möglichst umgehenden Arztbesuch ratsam erscheinen lassen. Wissenschaftlich ist allerdings noch immer nicht geklärt, welche biochemischen Prozesse im Körper exakt für die Zungenfärbung verantwortlich sind.
Rote Zunge: Eine Rotfärbung der Zunge, meist in Richtung Hellrot, daher auch als „Himbeerzunge“ bekannt, tritt häufig bei Infektionskrankheiten wie Scharlach oder bei der Gefäßentzündungen wie dem Kawasaki-Syndrom auf. Meist sind damit kleine Verdickungen verbunden. Tauchen zusätzlich weitere Symptome wie Bauch-, Kopf- oder Rippenschmerzen auf, kann auch eine Erkrankung des Magen-Darm-Trakts, des Herzens oder der Leber die Ursache sein. Eine Himbeerzunge kann aber auch einfach nur ein Zeichen für Vitamin-B12-Mangel sein.
Weiße Zunge: Kann im Rahmen einer Erkältung auftreten. Kann aber auch, wenn der Belag dick ausgeprägt ist, auf Magen-Darm-Probleme hinweisen oder für eine Hefeinfektion des Mundes sprechen, die sich häufiger bei Kleinkindern, älteren Menschen oder Personen mit einem geschwächten Immunsystem entwickeln kann. Ist die Weißfärbung lediglich rechts und links der Mittelrinne ausgeprägt, so kann auch eine Störung der Bauchspeicheldrüse vorliegen.
Gelbe Zunge: Bei einer leichten Gelbfärbung ist wahrscheinlich eine Pilzinfektion oder eine bakterielle Überlastung der Papillen der Auslöser. Häufig damit verbunden ist ein pelziges Gefühl im Mund. Ein chronischer, dicker kräftig-gelber Belag verweist hingegen auf eine Störung der Galle oder Leber.
Braune Zunge: Für einen braunen Zungenbelag sind meist Störungen im Darmbereich verantwortlich. Ist die Zunge zusätzlich geschwollen, kann auch eine Nierenschwäche vorliegen. Allerdings kann eine Braunfärbung auch durch Genussgifte entstehen.
Graue Zunge: Ist die Zunge gräulich verfärbt, kann dies auf Eisenmangel oder eine Blutarmut aufmerksam machen.
Blaue Zunge: Mögliches Indiz für eine Lungenkrankheit.
Schwarze Zunge: Ein schwarzer Zungenbelag, der auch schon mal als „Haarzunge“ bezeichnet wird, weil die Oberfläche durch eine Veränderung der Papillen wie behaart aussieht, kann als Nebenwirkung einer Antibiotika-Behandlung auftreten. Aber auch exzessives Rauchen oder eine schlechte Mundhygiene können zu einer schwarzen Zunge führen. Auf jeden Fall beim Arzt untersuchen lassen, weil eine Haarzunge im allerschlimmsten Fall auch auf eine gravierende Schwächung des Immunsystems oder auf Leukämie hinweisen kann.
Lackzunge: Von einer Lackzunge, auch schon mal „Erdbeerzunge“ genannt, wird gesprochen, wenn die Zunge an der Oberfläche nicht leicht rau, sondern wie lackiert-glänzend, glatt und tiefrot ist. Das kann ein Indiz für Mangelerscheinungen bezüglich Vitaminen oder Mineralstoffen sein. Bei dieser Glossitis, wie die krankhafte Veränderung der Zungenoberfläche genannt wird, kann ein Mangel an Eisen, Vitamin B12, Folsäure oder Hämoglobin vorliegen. Dies ist zuweilen auch mit Schmerzen, erhöhter Druckempfindlichkeit oder einem brennenden Gefühl auf der Zunge verbunden. Eine Lackzunge kann eine Lebererkrankung signalisieren, schlimmstenfalls eine Leberzirrhose.
Landkartenzunge: Weist die Zunge einen ungleichmäßigen Belag mit roten, weiß umrahmten Flecken auf, auf dem Zahnabdrücke zu sehen sind, kann das ein harmloses Indiz für nächtliches Zähneknirschen oder -beißen sein oder Störungen des Verdauungstrakts als Ursache haben.
Brennende Zunge: Eine brennende und entzündete Zunge lässt häufig den Verdacht auf einen Eisen- und Vitaminmangel entstehen. Auch Blutarmut, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen oder Multiple Sklerose könnten dahinter stecken. Allerdings könnte das Brennen auch durch ein hormonelles Ungleichgewicht oder Allergien ausgelöst worden sein.
Trockene Zunge: Ist die Zunge ungewöhnlich trocken, sollte dringend die Funktion der Speicheldrüse überprüft werden.
Zusätzlich kann die Zunge auch allgemein von Pilzen befallen sein oder auch schon mal Pickel oder Bläschen aufweisen. Die Symptome lassen sich allerdings mit schmerzstillenden Cremes, desinfizierenden Lösungen, Mundspülungen oder Lutschtabletten meist schnell und gut behandeln. Empfohlen wird auf jeden Fall eine sorgfältige Mundhygiene inklusive regelmäßiger Zungenreinigung. Dafür sollte man am besten nicht mehr einen Zungenschaber, wie früher gemeinhin angeraten, sondern eine Zungenbürste mit einer speziellen Paste oder normaler Zahnpasta verwenden.