Der Beruf des Schauspielers gilt bei vielen als Traumberuf. In der Realität warten Glamour, Ruhm und ein dickes Konto allerdings nur auf einige wenige.
Judith Shoemaker wusste schon im Alter von sechs Jahren, dass sie Schauspielerin werden will. Damals hat sie angefangen im Ballett zu tanzen. Und schon bald ist sie in der Deutschen Oper vor großem Publikum aufgetreten. Theater hat sie anfangs dagegen nur auf der kleinen Bühne gespielt. „Ich habe für die Eltern jeden Tag Showeinlagen gegeben", erzählt die heute 27-Jährige. „Und im Schultheater habe ich auch mitgespielt", so Shoemaker. Der Name verrät es, der Vater der jungen Berlinerin ist Engländer, deswegen hat sie sich nach dem Abitur an den großen Schauspielschulen in London beworben. „Da kommen 4.000 bis 5.000 Bewerber auf 15 Plätze", erzählt die zierliche Brünette. Das Casting läuft dort in etwa so ab, wie man es aus „Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) kennt. Nur, dass nicht Bohlen und Co. in der Jury sitzen, sondern strenge Schauspiellehrer. Über vier, fünf Runden – bei denen man immer wieder neue Monologe vortragen und Szenen spielen muss – zieht sich ein solches Casting. Jedes Mal werden die vermeintlich schlechtesten Bewerber aussortiert. Auch das erinnert an DSDS. Die ersten Hürden hat Judith Shoemaker immer überstanden, zum Schluss aber stand doch eine Absage. Den Traum von der Schauspielkarriere in London musste sie deswegen erst einmal zurückstellen.
Zurück zu Hause bewarb sie sich an der Fritz-Kirchhoff-Schule, der ältesten staatlich anerkannten privaten Schauspielschule in der Hauptstadt. Dort wurde sie angenommen. Jetzt begannen drei Jahre Schufterei. Judith Shoemaker zählt die Fächer auf, die zu ihrer Ausbildung gehörten: Fechten, Tanzen, Yoga, Singen, Improvisation, Pantomime, Akrobatik, Sprachtraining – und dann: „Dienstags kam Christa, unsere Atemlehrerin, da hat man dann eineinhalb Stunden geatmet." Judith Shoemakers braune Augen lachen, als sie sagt: „Das war manchmal super und manchmal nicht." Der Gesichtsausdruck, den sie dabei macht, verrät, dass sie das Fach vermutlich nicht am liebsten mochte.
Kein Zuckerschlecken: Viele kamen heulend aus den Prüfungen
Wer Schauspieler werden will, muss sich mit Leib und Seele seinem Beruf verschreiben, und er muss mit Kritik umgehen können – besonders während der Ausbildung. Bis zum Abschluss an der Fritz-Kirchhoff-Schule stehen für die Schüler eine ganze Menge Zwischenprüfungen an. „Da fällt fast keiner durch", sagt Judith Shoemaker. Was aber nicht heißt, dass das Studium ein Zuckerschlecken wäre. Denn mit Kritik wird bei den Prüfungen nicht gespart. „Du stehst da in einem winzigen Zimmer und alle Lehrer reden auf dich ein", beschreibt Shoemaker die knifflige Situation. Dabei fährt sie mit den Fingern durch ihre langen braunen Haare. „Ich habe mir das hinterher immer alles sofort aufgeschrieben. Sonst hätte ich mir gar nicht alles merken können, was die Lehrer kritisiert haben. Später habe ich mir dann überlegt, was ich davon annehmen kann und was nicht."
Shoemaker erinnert sich, dass viele ihrer Mitschüler heulend aus den Prüfungen herausgekommen seien. Sie selbst habe nur einmal geweint, und zwar nach der Abschlussprüfung. „Die habe ich zwar bestanden, aber die Kritik war so schlimm; ich weiß gar nicht mehr, was denen alles nicht gefallen hat." Das Gesagte unterstreicht Judith Shoemaker mit einer Boxbewegung. Dann sagt sie: „Die wollen, dass man sich nicht ausruht, und fordern dich heraus." Wenn es besonders schlimm war, hat Judith Shoemaker ihre Mutter angerufen und dann sind die beiden in eine Bar gegangen und haben zusammen ein paar Gläser Wein getrunken.
„Es gab natürlich auch gute Momente", sagt Shoemaker und schnippt mit dem Finger, um das Gesagte zu unterstreichen. Und dann erzählt sie, wie sie für eine Rolle in einem Kurzfilm bei einem Festival zur besten Schauspielerin gewählt wurde.
Schauspieler gelten als Stars, ihr Beruf scheint vielen ein Traum. Doch Ruhm und Reichtum warten nur auf die wenigsten. Nach der Schule war Judith Shoemaker erst mal arbeitslos, musste Hartz IV beantragen. Ihr erstes Engagement bekam sie dann beim Hamburger Horrortheater, einem kleinen Tourneetheater, das mit viel Blut auf der Bühne durch die Lande zieht. Weil sie sich vom geringen Honorar kein Hotel leisten konnte, brachte sie der Theaterchef in einer leerstehenden Wohnung unter – das benutzte Geschirr voller Schimmel, das in der Spüle auf sie wartete, schleppte sie auf den Balkon hinaus. Dass sie und ihre Kollegen in einem Kellerloch proben mussten, fand sie damals dagegen normal. „Ich habe mich noch so klein gefühlt und mich nicht getraut, was zu sagen." Immerhin: In der Rollevon Fantômas‘ Tochter stand sie bei ihrem ersten Auftritt gleich als Hauptdarstellerin auf
der Bühne.
Proben im Kellerloch empfand sie als normal
Rückblickend habe sie viel gelernt, „aber nicht wirklich für die Schauspielerei". Sie lacht und spricht von ihrem ersten Engagement als einer „Story aus jüngeren Jahren". Seit der Zeit des Horrortheaters ist aber erst ein Jahr vergangen. Inzwischen gehört sie bei einem englischsprachigen Theater in Berlin mit Stücken für Schüler fest zum Ensemble. Reich wird sie auch davon nicht, aber sie steht regelmäßig auf der Bühne.
Eine ihrer Studienkolleginnen hat sofort nach der Schule eine Stelle bei einem staatlichen Theater bekommen, eine andere spielt in der Daily Soap „Rote Rosen" mit. „Ich finde jeden toll, der von der Schauspielerei leben kann", sagt Shoemaker. Sie selbst würde gern einmal in einem Film mitspielen. „Aber um für das ZDF was zu machen, musst du einen Agenten haben." Die Suche nach einer seriösen Agentur ist deswegen ihr nächstes Ziel. Trotz aller Wünsche bleibt Judith Shoemaker aber realistisch: „Es gibt eine Million junge Schauspielerinnen, da mache ich mir nichts vor. Da muss sich jede ihre Nische suchen." Ihre sieht sie in ihrer Zweisprachigkeit. In Babelsberg werden immer mehr Hollywoodfilme gedreht und die Nebenrollen werden in der Regel durch englischsprechende einheimische Schauspieler besetzt. Und wer weiß: Vielleicht stehen Judith Shoemaker und George Clooney schon bald gemeinsam vor der Kamera.