Einem möglichst breiten Publikum die Person Martin Luther näherzubringen, das will „Das Projekt der 1.000 Stimmen“. Produzent Dieter Falk und Autor Michael Kunze haben ein Pop-Oratorium komponiert, bei dem Profi-Sänger und -musiker zusammen mit musikbegeisterten Laien auftreten – und dabei Tausende Besucher anziehen.
Ein bisschen anders als sonst klingt sie heute schon, die Chorprobe in der Neuapostolischen Kirche in Fürstenwalde östlich von Berlin. Aus dem hellen schlichten Kirchenraum dringen rhythmische Beats, Klatschen und lauter Gesang. Knapp 30 Frauen, Männer und ein paar Kinder stehen vor und zwischen den Bankreihen und singen, was sich nach einem deutschsprachigen Gospelsong anhört. Es ist ein Teil des sogenannten Luther-Pop-Oratoriums, das seit Beginn des Jahres durch Deutschland tourt und von Hamburg bis München Stadien füllt, in denen sonst Bundesligaclubs spielen oder Popstars auftreten.
Das Besondere: Die Zusammensetzung der mitwirkenden Chöre ändert sich von Ort zu Ort, denn Ziel ist es immer, nicht professionelle Sänger und Chöre aus der jeweiligen Region einzubinden. Und das können Schul- oder Gemeindechöre, Gospelensembles oder auch einzelne Sängerinnen und Sänger sein. Auf diese Weise ist im Lauf des vergangenen Jahres eine ziemlich bunte „Chor-Landkarte“ entstanden – auch in Berlin und Brandenburg gibt es knapp zehn Chöre, die sich beteiligen.
Mit dabei ist auch der Gemeindechor der Neuapostolischen Kirche in Fürstenwalde, das auf halber Strecke zwischen Berlin und Frankfurt/Oder liegt. Chorleiter Mathias Krause, der normalerweise mit 25 bis 40 Gemeindemitgliedern an einem eher „klassischen Chorrepertoire“ arbeitet, wie er sagt, wurde im Fernsehen auf das Luther-Projekt aufmerksam. Er war von Anfang an begeistert und brauchte nicht lange, um einen großen Teil des Gemeindechors zum Mitmachen zu bewegen. Denn ganz unaufwendig ist das Chorprojekt für die Hobby-Sänger nicht, es gab in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe zusätzlicher Proben. Alle Mitwirkenden haben sich auch zu Hause mit der ziemlich umfangreichen Partitur beschäftigt.
Josefine grinst. Sie geht auf eine musikbetonte Schule, hatte dort schon im Rahmen eines Projekts ein ähnliches Pop-Oratorium kennengelernt. Hörte dann die von Dieter Falk und Michael Kunze entwickelte und komponierte musikalische Geschichte über das Leben Luthers, ließ sich sofort anstecken. Seitdem, sagt die 15-Jährige, liefe bei ihr zu Hause die Musik ständig.
Erfahrung mit biblischen Musicals war vorhanden
Was die Initiatoren des Mammut-Projekts, Falk und Kunze, vermutlich freuen würde. Die hatten schon ausgiebig Erfahrung mit ähnlichen auf biblischen Themen basierenden „Musicals“ gesammelt – das Pop-Oratorium „Die 10 Gebote“ beispielsweise tourte 2010/11 durch Deutschland, insgesamt gab es rund 15.000 Mitwirkende. Als dann das Luther-Jubiläum immer näher rückte, war klar: Es solle ein Musical geben, das die Biografie Luthers einerseits aber auch seine Motive, seine Gewissenskonflikte, seine Verdienste um die Reformation zeitgemäß erzählt. Mit Songs, die mal zum Nachdenken anregen oder zum Mitfühlen, dann einfach wieder nur zum Mittanzen.
Ausgangspunkt der im Musical erzählten Geschichte ist der Reichstag zu Worms von 1521, auf dem sich Martin Luther weigerte, seine kirchenkritischen Aussagen zurückzunehmen. Als Helden stellt das Autorenduo Falk und Kunze den Reformator dennoch nicht da, vielmehr als begnadeten Rhetoriker „mit Kanten und schwachen Momenten“. Eine Identifikationsfigur also auch heute noch – 2017.
Im musikalischen „Rampenlicht“ stehen dabei die Chöre – bei den bisherigen Aufführungen wirkten teilweise bis zu 3.000 Sängerinnen und Sänger mit, die stimmgewaltig die Parts der Solisten „einrahmten“.
Ob bei den Aufführungen in der Berliner Mercedes-Benz-Arena wohl wie geplant rund 4.000 Chorsänger für eine beeindruckende Kulisse sorgen werden? In Fürstenwalde östlich von Berlin ist man sich bei der spätsommerlichen Chorprobe da noch etwas unsicher. Fest steht zumindest, dass sich zu Mitgliedern des Chores der neuapostolischen Kirche weitere Hobbysänger aus anderen Gemeindechören gesellt haben – sowie einige Einzelsängerinnen“.
Zu denen gehört auch Annika Leffler, die normalerweise „mit Kirche nichts am Hut“ hat. Die Idee aber, einmal Teil eines so großen Chorprojekts sein zu können, fand sie so reizvoll, dass sie nicht lange brauchte, um wirklich zu wissen: „Genau das ist es“. Und dass man beim Einstudieren der Songs gleich noch so einiges über Luther und die Reformation gelernt habe, ist auch für sie mehr als ein interessanter Nebeneffekt.