Wer sich für ein Elektro-Auto von seinem Benziner oder Diesel trennt, muss in mancherlei Hinsicht umdenken. Das fängt beim Bremsen an, geht beim Tanken weiter und hat sogar beim Abschleppen Auswirkungen. Ein Alltagstest.
Aufschließen, reinsetzen, Schlüssel umdrehen und starten – das war einmal. Wer mit einem Elektro-Auto unterwegs ist, kann auf vieles Gewohntes verzichten. Denn einen Anlasser hat ein Auto mit Elektromotor ebenso wenig wie einen Ölstab oder eine Auspuffanlage, auch die Schaltstufen fallen weg. Auf den Fahrspaß aber muss nicht verzichtet werden – ganz im Gegenteil. „Das Fahren an sich mit einem Elektroauto unterscheidet sich erst einmal nur unwesentlich von Fahrzeugen mit herkömmlichem Antrieb", sagt Volker Blandow vom Tüv Süd. Er empfiehlt Autofahrern ohne Stromer-Erfahrung aber auch, das Gaspedal zu Beginn etwas vorsichtiger zu betätigen. „Das volle Drehmoment, also die gesamte Kraft, ist bei einem Elektrofahrzeug sofort verfügbar. Je nach Leistung ist also die Beschleunigung deutlich höher."
Der umgedrehte Effekt hingegen tritt auf, wenn der Fuß vom Gaspedal genommen wird. Dann bremst das E-Auto spürbar ab, das bekannte Ausrollen ist nur bedingt möglich. „Dieser Effekt ergibt sich durch die sogenannte Rekuperation, also die Energierückgewinnung", erklärt Alexander Kotouc von BMW. Hierbei wird die Bewegungsenergie wieder in elektrische Energie umgewandelt, sprich der Akku wird wieder ein wenig aufgeladen.
Anfangs kann das für viele Fahrer gewöhnungsbedürftig sein. „Viele setzen das aber so gezielt ein, dass sie die eigentliche Bremse während der Fahrt kaum noch benötigen", sagt Kotouc. Unterm Strich kann der Stromverbrauch durch die Rückgewinnung während der Fahrt um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt: Die Bremsen nutzen sich nicht so schnell ab. Bares Geld sparen Stromfahrer auch bei den sonstigen Unterhaltungskosten. Die Inspektion eines E-Autos ist deutlich übersichtlicher, weil etwa der Ölwechsel wegfällt. „Im Schnitt dürften die Wartungskosten für ein E-Auto rund 20 bis 30 Prozent unter denen eines vergleichbaren Verbrenners liegen", sagt Kotouc. Hinzu kommen geringere Kosten pro Reisekilometer. „Ein E-Auto benötigt für 100 Kilometer etwa 13 Kilowattstunden Strom (kWh), was bei einem Preis von 25 Cent pro kWh Kosten von 3,25 Euro entspricht", rechnet Blandow vor. Bei einem Diesel oder Benziner hingegen sei schnell das Doppelte zu bezahlen. Zudem sind E-Autos für sechs Jahre von der Kfz-Steuer befreit.
Abstriche jedoch müssen E-Auto-Fahrer nach wie vor bei der Reichweite machen. Während beispielsweise die rund 300 Kilometer von Hamburg nach Berlin mit einem Auto mit Diesel- oder Benzinmotor problemlos in einem Rutsch gefahren werden können, ist das mit vielen E-Autos nicht möglich. „Die Reichweite eines E-Autos hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell man in diesem Fall auf der Autobahn unterwegs ist", sagt Blandow.
Halbe Stunde an Schnellladestation
Stromer der aktuellen Generation würden im Stadtverkehr auf stabile Reichweiten zwischen 300 und 500 Kilometer kommen. „Auf der Autobahn jedoch bremst der Luftwiderstand, und der steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit", rechnet Blandow vor. Auch andere Stromverbraucher an Bord wie Heizung oder Klimaanlage können sich auf den Verbrauch auswirken. Geht die Energie zur Neige, braucht der Stromer-Pilot eine Ladestation. In der Regel gibt es die nicht an den normalen Tankstellen. „In Ballungszentren ist es mittlerweile aber unproblematisch, Strom zu tanken", sagt Jörg Welke von der Berliner Agentur für Elektromobilität eMO. Regionale Stromversorger und Stadtwerke bieten Aufladepunkte ebenso an wie immer mehr Autohäuser oder auch öffentliche Einrichtungen. Durch plattformübergreifende Angebote wie die App Plugsurfing entfalle für den Kunden zudem das Problem, bei jedem Anbieter einzeln abrechnen zu müssen, betont Welke.
„Davon abgesehen entwickeln E-Auto-Fahrer aber auch andere Routinen. Wird das Auto abends abgestellt, hängt man es sofort an die Steckdose, damit es morgens wieder voll aufgeladen ist", erklärt Welke. Viele würden ihren Stromer zudem während der Arbeit aufladen, sofern dies möglich sei. „Das bieten mittlerweile immer mehr Firmen ihren Mitarbeitern sogar kostenfrei an, und seit letztem Jahr wird dies auch steuerlich nicht mehr als geldwerter Vorteil gesehen."
Wie schnell ein E-Auto „aufgetankt" werden kann, hängt ganz von der Ladetechnik ab. „An einer normalen Steckdose zu Hause kann das bis zu zehn Stunden dauern, an einer Schnellladestation hingegen nur eine halbe Stunde", erklärt Kotouc. Eine schnellere Lösung für zu Hause bieten Wandladeboxen, die auch Hersteller wie BMW oder Volkswagen anbieten. Mit dem Wallbox genannten Schnelllader von BMW etwa kann ein i3 in unter drei Stunden aufgeladen werden. Nutzbar sind die Ladestationen grundsätzlich für alle Hersteller, da es mit dem Ladestecker Typ 2 hier einen gemeinsamen Standard gibt. Um das Stromladenetz vor allem außerhalb von Ballungszentren zu verbessern, wollen die Hersteller BMW, Daimler, VW und Ford ein Joint Venture gründen, das europaweit Schnellladestationen an Autobahnen baut. Der US-Hersteller Tesla baut ein komplett eigenes Netz an Schnellladestationen aus.
Startknopf statt Zündschlüssel
Wer mit seinem E-Auto trotzdem einmal liegen bleibt, sollte sich nicht ohne weiteres Abschleppen lassen. „Das funktioniert in der Regel nur, wenn die Antriebsachse keinen Straßenkontakt hat", erklärt Blandow. Mit einem Seil oder einer Stange könne ein Stromer daher nicht gezogen werden, da der über die Antriebsachse erzeugte Strom ansonsten die Elektronik beschädigen könnte. Wichtig sei, sich hier an die Vorgaben der Hersteller im Bordbuch zu halten. Mit dem Stromer ein anderes Fahrzeug abzuschleppen, ist hingegen problemlos möglich.
Übrigens: Auch wenn bei einem Elektro-Auto der klassische Zündschlüssel nicht mehr gebraucht wird, einen Startknopf gibt es nach wie vor. „Der ist sogar vorgeschrieben, um das gesamte System sozusagen zu starten und in Fahrbereitschaft versetzen zu können", erklärt Blandow.