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WAS MACHT EIGENTLICH...

Die Folk-Musikerin Joan Baez.
Foto: imago/epd

… Joan Baez?

In den 60er- und 70er-Jahren war sie das Gesicht und die Stimme der amerikanischen Folk-Musik und seither stark in der Bürgerrechtsbewegung engagiert. Die 76-Jährige hat derzeit ihre erste Solo-Ausstellung als Malerin in San Francisco und gastiert 2018 zwei Wochen in Paris.

Sie war ein Mentor, eine Inspiration und ein Rollenmodell für alle, die eine Gitarre in die Hand nehmen und mehr bieten wollten, als einfach nur einen Song zu singen", bekannte im Vorjahr die fünffache Grammy-Gewinnerin Mary Chapin Carpenter beim 75. Geburtstag ihres großen Idols Joan Baez. Und die Songwriterin Emmylou Harris ergänzte: „Ihr erstes Album ist der Grund dafür, dass ich Gitarre spiele und Sängerin wurde." Solche Statements großer aktueller Stars verdeutlichen den Stellenwert, den Joan Baez bis heute in der Folk-Rock-Szene einnimmt. Und als sie im April dieses Jahres in die Rock‘n‘Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, war der Wunsch unüberhörbar, dass sie sich wieder an die Spitze einer Protestbewegung gegen den neuen Präsidenten Trump stellen soll: „Wir brauchen Joan Baez gerade jetzt", fasste ihr Produzent Joe Henry dies zusammen. Während des Wahlkampfes ums Weiße Haus hatte Baez erstmals seit 25 Jahren wieder einen Song geschrieben: „Vielleicht muss ich Trump ja dafür dankbar sein." In dem Song spricht sie dem heutigen Präsidenten „ernste psychologische Probleme" zu. „Es ist kein guter Song, aber ich will die Leute damit zum Lachen bringen", betonte die Sängerin, für die das kleine Lied aber ein positives Zeichen ist nach einer längeren Zeit eigener psychischer Probleme. Schon zu Karriereanfang hat sie bei Konzerten unter starkem Lampenfieber und Platzangst gelitten und musste deswegen öfters mal die Bühne verlassen. Später wurde sie von Depressionen gequält, die sie als Künstlerin blockiert haben: „Ich konnte mein Leben nicht mehr ertragen." Nach einer Psychotherapie kann sie inzwischen aber wieder relativ entspannt ihre Konzerte absolvieren.

Joan Baez bei einem Konzert 1966 in Frankreich.
Joan Baez bei einem Konzert 1966 in Frankreich. - Foto: imago/Philippe Gras

Joan Baez war seit ihrer Jugendzeit eine Rebellin, später „die Stimme und das Gewissen ihrer Generation". Sie setzte sich für Minderheiten ein, verurteilte Kriege und Rassentrennung und predigte Gewaltlosigkeit. Sie unterstützte die internationale Friedensbewegung, protestierte gegen Landminen, den Irak-Krieg und die Verschärfung des amerikanischen Einwanderungsgesetzes. Amnesty International verlieh ihr 2011 den ihr zu Ehren gestifteten, seither an engagierte Künstler und Menschenrechtler vergebenen Joan-Baez-Award.

„Sie ist eine Kriegsheldin"

Mit Preisen wurde die charismatische Sängerin regelrecht überschüttet, einige der wichtigsten sind der John-Steinbeck-Award 2003, der Grammy fürs Lebenswerk 2007 und der Botschafter des Gewissens-Preis 2015. Das politisch-humane Engagement von Joan Baez hält auch noch mit 76 Jahren an. Kürzlich nahm sie am gleichen Tag an zwei Frauen-Märschen teil. Außerdem war sie beteiligt an der Planung einer Wohltätigkeitsveranstaltung für illegale Immigranten. Kollegin Madonna lobte kürzlich anerkennend: „Sie ist eine Kriegsheldin."

Wenn Joan Baez nicht in der Öffentlichkeit agiert, lebt sie seit über 45 Jahren in ihrem Haus im kalifornischen Woodside, gemeinsam mit ihrem Sohn Gabriel und dessen Frau sowie ihrer Enkelin Jasmine. Bis zuletzt hatte Baez dort auch ihre 2013 mit 100 Jahren verstorbene Mutter betreut. Ihr Sohn begleitet sie heute bei Konzerten als Perkussionist, mit ihrer dreizehnjährigen Enkelin, in deren Schule sie auch schon mal eine Rede gehalten hat, geht sie auf Konzerte oder nimmt sie sogar mal auf Tour mit. Vor zwei Jahren wurde sie von Taylor Swift bei deren Konzert auf die Bühne gebeten und vor den jungen Fans gewürdigt. „Die meisten kannten mich doch gar nicht. Vielleicht haben mich ein paar Prozent später gegoogelt", scherzte Joan Baez hinterher.

Wenn sie ihr Leben Revue passieren lässt, frage sie sich oft: „Wie habe ich das eigentlich alles gemacht? Aus heutiger Sicht klingt das nach einem aufreibenden Leben. Aber es war und ist nun mal mein Leben. Ich bin heute aber nicht mehr in einem so hohen Tempo unterwegs wie früher."

Sie meditiert im Baumhaus

Wenn die Künstlerin ihre Ruhe haben will, zieht sie zum Meditieren oder Malen in ein dachloses Baumhaus im Vorgarten zurück. Das Innere ihres gemütlichen Wohnhauses ähnelt mit seinem Gänge-Labyrinth eher einem großen Schiff. Auf ihrem Kühlschrank klebt ein Foto, das sie beim Empfang des Lifetime-Grammys 2007 zeigt. „Das ist das Zeichen, dass sie bereit sind, dich loszuwerden", kommentiert Joan Baez diese große Auszeichnung zehn Jahre später.

Die Sängerin hat schon immer gerne gemalt und hin und wieder Bilder ausgestellt. Jetzt hat sie gerade einen weiteren Schritt in die Bildenden Künste getan: Seit Mitte September läuft unter dem Titel „Mischief Makers" ihre erste Solo-Ausstellung in San Francisco, für die sie bekannte gewaltlose Sozialreformer porträtiert hat.

Musikalische Pläne gibt es im Hause Baez natürlich auch: Im November gibt die Folk-Legende einige Konzerte in Kalifornien und im kommenden Jahr gastiert sie vom 4. bis 17. Juni an zehn Abenden im Pariser Olympia. Karten dafür gibt es schon. Damit ihre Stimme bis dahin fit bleibt, hat Joan Baez seit Neuestem eine App auf dem Handy, die sie alle 30 Minuten daran erinnert, etwas zu trinken.

Peter Schmidt

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