Drei Jahre lang hat der Tierfilmer Matto Barfuss die Gepardin Maleika und ihre sechs Jungen in Afrika begleitet. Nun kommt die bewegende Geschichte der Geparden-Familie in die Kinos.
Katzen bestimmen schon früh das Leben von Matto Barfuss. Schuld daran ist seine Mutter. Sie hasst Katzen. Auf dem elterlichen ökologischen Bauernhof in der Nähe von Sinsheim in Baden-Württemberg fängt in den 70ern alles an. Alle Arten von Tiere leben dort. Nur Katzen sind nicht willkommen. „Aber sie kamen immer zu uns und haben auf dem Heuboden ihre Babys bekommen", erzählt Matto Barfuss. „Mein Kinderzimmer war im Erdgeschoss, und morgens lagen die ganzen Katzen in meinem Bett. Ich war glücklich." Seine Mutter allerdings nicht. „Ich war schon immer ein Revoluzzer. Wenn meine Mutter sagte, geh’ linksrum, dann bin ich rechtsrum gegangen", erzählt der heute 47-Jährige und lacht.
Der Junge träumt davon, Verhaltensforscher zu werden. Gleichzeitig zieht ihn aber auch das Künstlerische an. „Ich habe immer gerne gemalt und gezeichnet." Mit zwölf Jahren gewinnt Matto den ersten Preis eines Jungkünstler-Wettbewerbes in Baden-Württemberg. Schnell keimt in ihm auch die Idee des bewegten Bildes. Mit 14 präsentiert der junge Künstler seine erste Ausstellung und kauft sich mit dem Erlös eine Filmkamera. Er ist stolz darauf, plant schon seinen ersten Film. Doch dann muss er die Kamera verkaufen. „Es war einfach zu teuer. Eine Minute Filmen kostete 120 D-Mark. Es war unbezahlbar für mich." Doch er hat Feuer gefangen, und das brennt weiter. Genau wie ein anderes Feuer. „Ich bin mit Grzimek und Filmen wie ‚Serengeti darf nicht sterben‘ aufgewachsen", erzählt er. „Das war für mich ein riesiger Traum, eines Tages mal in die Serengeti zu reisen."
„Ich lag da ganz allein"
1995 besucht er zum ersten Mal die Region und ist begeistert. Er plant, ein Buch über die Serengeti und die Massai zu schreiben. Doch es kommt anders. Als Matto Barfuss ein Jahr später nach Afrika zurückkehrt, trifft er auf die Gepardin Diana und ihre fünf Babys. „Es war Liebe auf den ersten Blick", erzählt er. „Sie hat mich wahnsinnig inspiriert." Drei Wochen lang folgt er der Gepardin und ihren Jungen, um sie zu filmen, als eines Abends etwas Überraschendes passiert. Barfuss will nicht mehr nur vom Auto aus die Aufnahmen machen, er sucht eine andere Perspektive und legt sich mit seiner Kamera auf den Boden. „Ich lag da ganz allein, und dann kam sie bis etwa auf 50 Meter an mich ran, sie schaute mich an, ich schaute sie an." Dem jungen Naturfilmer wird es mulmig. Seinen Fahrer hat er mit dem Auto weggeschickt, es gibt keinen Schutz. Geparden gehen Menschen zwar in der Regel aus dem Weg, doch wenn sie das Gefühl haben, sie müssten ihre Jungen beschützen, kann es zu gefährlichen Angriffen kommen. Was dann passiert, klingt fast wie aus einem Märchenfilm. Die Gepardenkinder werden neugierig und umrunden Matto Barfuss, die Gepardenmutter wird unsicher. „Ich habe mich dann dazu entschieden, mich wie ein Gepard zu verhalten. Ich habe ihr Verhalten imitiert." Der Tierfilmer schnurrt, geht auf alle Viere, ahmt die Körpersprache der Raubkatzen nach. Es funktioniert. Die Kleinen fangen an, mit ihm zu spielen. Die Mutter entspannt sich. Matto Barfuss ist fasziniert, kommt jeden Tag zu der Gepardin und ihren Kindern zurück. Nach einer Woche nimmt sie Kontakt mit ihm auf, beschnüffelt ihn, beugt sich über ihn. „An dem Tag ist sie jagen gegangen und hat die Jungen bei mir gelassen."
Insgesamt 25 Wochen lebt er mit der Geparden-Familie zusammen, was ihn als „Gepardenmann" bekannt macht. Sein ungewöhnliches Erlebnis erscheint 1998 als Bildband in acht Sprachen, danach entsteht der Film „Der Gepardenmensch". Weitere Bücher und Dokumentationen folgen.
Matto Barfuss wird zum halben Afrikaner, hält sich jedes Jahr rund sechs Monate in dem Land auf, setzt sich mit verschiedenen Aktionen, Veröffentlichungen und Kunstprojekten für den Artenschutz ein. Und schließlich ist es 2012 die Gepardin Maleika, die neue Weichen in Barfuss’ Schaffen stellt. Auch von Maleika ist der Naturfilmer sofort fasziniert. Als er dann zwei Jahre später von seinem Team aus Afrika die Nachricht erhält, dass die Raubkatze sechs Babys bekommen hat, gibt es für ihn kein Halten mehr. „Für mich war klar: Diese Frau erzählt eine großartige Geschichte." Die Idee war geboren, über Maleika und ihr Leben mit ihren Kindern einen Spielfilm zu drehen. Drei Jahre lang verfolgen Matto Barfuss und sein Team mit nur einer Kamera die Gepardin und ihre Jungen. Zwischendurch muss Barfuss immer mal wieder nach Deutschland zurück, um Geld für sein Projekt zu verdienen. Dabei hilft ihm die Malerei. Seine Bilder hätten bei einigen Kunstsammlern mittlerweile ein hohes Ansehen, wie er sagt. Während seiner Abwesenheit behalten seine Mitstreiter in Afrika Maleika im Auge. „Das war auch Daumendrücken. Sie lebt ja sehr gefährlich, ihr kann immer was passieren."
„Sie hätte tot sein müssen"
Und tatsächlich ereignet sich eines Tages ein Drama. Auf der Jagd rast Maleika in dichtes Gebüsch und verletzt sich schwer. „Sie kam mit aufgerissener Brust raus. Im Prinzip hätte sie tot sein müssen". Matto Barfuss und sein Team halten sich schweren Herzens an den Kodex, nicht in die natürlichen Abläufe einzugreifen. Doch Maleika ist eine Kämpferin und entwickelt eine Überlebensstrategie. „Sie brachte ihren Kindern bei, dass sie nicht jagen und spielen kann. Sie hat dann extrem viel geruht." Maleikas Kinder verstehen, wie ernst die Situation ist. „Sie machten einen Schub in Richtung erwachsen werden." Die Kleinen vertreiben zum Beispiel die Schakale, die schon auf leichte Beute hoffen. Maleika schont ihre Kräfte und jagt nur kleine Beutetiere, mit denen sie sich und ihre Kinder über die Runden bringt. In den Ruhephasen leckt sie unaufhörlich ihre Wunde. „Der Speichel ist antiseptisch", erklärt Barfuss. Die Raubkatze schafft es schließlich, sie wird gesund.
Barfuss und sein Team sind erleichtert, denn obwohl sie immer darauf bedacht sind, Maleika nicht zu nahe zu kommen, bauen sie über die lange Zeit eine intensive Beziehung zu dem Tier auf. Und Maleika auch zu ihnen. „Sie war oft sehr schnell und sprang dann einfach mal aufs Filmauto hoch." Dabei kommt es auch zu einer ungewöhnlichen Nähe. „Ich hatte neben meinem Filmbalkon eine Klappe. Da lag sie gerne drauf, manchmal schlief sie dort auch ein." Einmal fällt dabei sogar ihr Kopf auf Matto Barfuss’ Arm. „Es ist schwer zu beschreiben. Es ist ein Vertrauensverhältnis." Um Maleikas Leben mit der Kamera einzufangen, muss Matto Barfuss lernen, das Verhalten der Katze zu deuten. Denn Geparden sind unglaublich schnell, können bei Sprints eine Geschwindigkeit von bis zu 120 Stundenkilometer erreichen. „Ich musste schnell lernen, wie Maleika tickt", erzählt Barfuss. „Wie sie andeutet, was sie als Nächstes tut. Ich habe anhand ihrer Mimik gelernt, dass jetzt die Jagd ansteht. Dann sind wir schnell ins Filmauto und weit vorneweg gefahren."
Die Zuschauer weinten
Der Filmer fängt Maleikas Alltag hautnah ein, wie sie lebt, jagt, wie sie für ihre Jungen kämpft, sie großzieht – und wie sie vier davon verliert. Eines ihrer Babys stirbt sehr früh. „Damit ist sie völlig anders umgegangen, als mit dem Verlust ihres Sohnes, den sie später verloren hat. Was uns völlig mitgenommen hat, war, wie sie getrauert hat. Zusammen mit ihren anderen Kindern hat sie tagelang so getrauert, dass man über Empathie bei Tieren noch mal völlig neu diskutieren muss." In den Previews zu seinem Film hätten die Zuschauer bei dieser Szene geweint, erzählt Matto Barfuss. Das ist es, was er mit seinem Spielfilm will: berühren. Aber auch auf das Thema Artenschutz hinweisen und für Verständnis für die edlen Tiere werben. Denn in Afrika herrscht in weiten Teilen ein sogenannter Mensch-Tier-Konflikt. Die Raubkatzen töten auch Tiere von Farmern und werden von diesen deshalb gnadenlos verfolgt. Hier Lösungen zu finden, ist eines der Hauptanliegen der von Matto Barfuss gegründeten Stiftung „Go Wild Botswana".
Für seinen Spielfilm findet Matto Barfuss dann sogar noch ein wunderbares Ende, eines, das ihn selbst überraschte. Mehr wird nicht verraten. Über seine Hauptdarstellerin sagt Matto Barfuss heute: „Diese Frau ist mit sich im Reinen. Und jetzt: Nur noch leben!"