Mindestens einen Meter soll der Meeresspiegel in den nächsten 100 bis 200 Jahren ansteigen, so die Nasa. Eine Bedrohung für mehrere hundert Millionen Menschen.
Mit Beginn des Industrie-Zeitalters und der damit verbundenen, vom Menschen verursachten globalen Temperaturerhöhung hat sich der Anstieg des Meeresspiegels deutlich beschleunigt. Die noch recht primitiven und auf überschaubare Bereiche beschränkten Pegelmessungen des 18. Jahrhunderts ergaben einen Anstieg von gerade mal zwei Zentimetern. Im 19. Jahrhundert wurde dann schon mit Hilfe von Pegeln entlang der meisten Küsten eine Erhöhung um sechs Zentimeter gemessen. Und im 20. Jahrhundert wurde dann schon eine Erhöhung von 17 bis 19 Zentimetern registriert. Wobei die Daten erst seit Einführung der Satellitenmessung ab dem Jahr 1993 die globale Entwicklung ganz genau festhalten können. Mit der beunruhigenden Zwischenbilanz, dass die mittlere Anstiegsrate in den Jahren 1993 bis 2012 bei 3,2 Millimetern pro Jahr gelegen hatte. Womit sie in diesem kurzen Zeitraum schon etwa doppelt so hoch war wie im gesamten 20. Jahrhundert, als die Anstiegsrate im Schnitt bei 1,7 Millimetern pro Jahr angesiedelt gewesen war.
Als direkte Ursachen für den immer rasanteren, weltweit jedoch recht unterschiedlich stark ausgeprägten Meeresspiegelanstieg werden drei klimatische Phänomene verantwortlich gemacht, die – laut jüngsten Nasa-Angaben – zu jeweils einem Drittel an der Erhöhung beteiligt sind: die Expansion des Meerwassers durch die Erwärmung der Ozeane, die Zunahme des Wasservolumens durch das Abschmelzen von Berggletschern und der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Wobei langfristig das Abschmelzen der Eisschilde das größte Problem sein und der Anteil der beiden übrigen Phänomene am Meeresspiegelanstieg immer geringer werden wird. In der Antarktis ist vor allem das Schelfeis der Westantarktis und der Antarktischen Halbinsel bedroht, während die bis zu Tausende Meter dicken Eisschichten auf der kontinentalen Landmasse der Ostantarktis dank der niedrigen Temperaturen wesentlich stabiler sind.
Städte sind überflutungsgefährdet
Derzeit leben mehr als 150 Millionen Menschen, größtenteils in Asien, nicht mehr als einen Meter oberhalb des derzeitigen Meeresspiegels. Acht der zehn größten Städte der Welt sind gegenwärtig in niedrigen Küstenbereichen angesiedelt. Shanghai, Hongkong, Kalkutta und Mumbai gelten schon heute als stark überflutungsbedroht. Und weltweit 40 Prozent der Menschheit wohnen weniger als 100 Kilometer von der jeweiligen Küste entfernt, bis 2030 werden es wohl 50 Prozent der Weltbürger sein. Sie alle werden von einem künftigen Anstieg der Wassermassen betroffen sein, wobei sich die wohlhabenden Industriestaaten effektive Küstenschutzmaßnahmen werden leisten können.
Was die Höhe des künftigen Meeresspiegel-Anstiegs angeht, der die zerstörerische Kraft eines Sturmes in Küstenregionen verstärken kann, gibt es in der Forschung zum Klimawandel recht divergierende, auf unterschiedlichen Berechnungsmodellen bezüglich Temperaturanstieg, Treibhaus-Effekt und Eisschmelze-Annahmen beruhende Prognosen.
Die Bundesregierung und die Bundesländer orientieren sich in ihren Vorsichtsplanungen an den Berichten des Weltklimarates (IPCC) der Vereinten Nationen, der in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht wird. Der aktuelle Report stammt aus dem Jahr 2013 und nannte als pessimistischstes Szenario einen Meeresspiegelanstieg von 52 bis 98 Zentimetern bis zum Jahr 2100 – für den Fall, dass der globale CO2-Ausstoss auf dem heutigen Niveau gehalten werden kann. Der nächste Rapport des IPCC wird für den Herbst 2019 erwartet. Die Prognosen des IPCC gelten in der Forschung als vergleichsweise moderat. Andere Wissenschaftler rechnen bis 2100 mit einem Anstieg von 0,5 bis 1,4 Metern. Die Nasa ging 2015 von mindestens einem Meter in den nächsten 100 bis 200 Jahren aus. Der amerikanische Klimaforscher James Hansen hält sogar bis 2100 einen Anstieg von bis zu fünf Metern für möglich. Im Mai 2017 hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mit einer Meldung für Aufsehen gesorgt, wonach der Meeresspiegel an den norddeutschen Küsten bis 2100 „deutlich über einen Meter bis hin zu 1,70 Metern“ womöglich ansteigen könne.