Bislang galt das Mammografie-Screening als beste Methode der Brustkrebs-Früherkennung. Viel spricht allerdings dafür, dass dieses Verfahren schon im Laufe der nächsten Jahre durch die Tomosynthese ersetzt werden wird.
Brustkrebs ist bei Frauen die häufigste tumorbedingte Todesursache, jährlich sterben daran in Deutschland rund 17.500 Personen. Die Diagnose Brustkrebs, der in der Medizin als Mammakarzinom bezeichnet wird, wird jedes Jahr bei rund 70.000 Betroffenen gestellt – Tendenz steigend. Allerdings hat sich auch die Überlebensrate inzwischen deutlich verbessert. Was in hohem Maße, neben immer wirkungsvolleren und individuell einsetzbaren Therapien, der ständig verbesserten radiologischen Diagnostik mit verschiedenen Früherkennungs-Programmen zu tun hat.
Wobei hierzulande die (digitale) Mammografie die universell eingesetzte Methode ist. 2002 vom Bundestag verabschiedet, 2005 gestartet und seit 2009 flächendeckend an rund 400 zertifizierten Standorten angeboten, konnten mit dem Mammografie-Screening-Programm (MSP) schon beachtliche Erfolge im Kampf gegen den Brustkrebs erzielt werden. Wobei die Hauptrisikogruppe, Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, alle zwei Jahre eingeladen werden, sich einer für sie kostenlosen Früherkennungs-Untersuchung in ihrer Nähe zu unterziehen. Laut einer Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation WHO können Frauen durch regelmäßiges MSP das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um etwa 40 Prozent senken. Die Teilnahme am MSP ist freiwillig, dennoch lassen sich Millionen deutsche Frauen jährlich auf Brustkrebs untersuchen. 2014 waren es 2,9 Millionen, von denen bei knapp 17.000 die Diagnose Brustkrebs gestellt wurde. Der weitaus größere Teil der jährlich festgestellten Mammakarzinome entfällt daher auf Frauen, die nicht zum Screening gegangen sind, auch weil sie vom Alter her nicht zur Risikogruppe gehören. Und auf Frauen, bei denen eine Erkrankung in der Zeit zwischen zwei Untersuchungen aufgetreten ist, Ärzte sprechen in diesem Fall von Intervallkarzinomen.
Auch bei „röntgendichten" Brüsten
Trotz aller Erfolge hat das MSP auch seine Schwächen, weshalb Mediziner und Wissenschaftler über Verbesserungen und Alternativen, die es teils schon gibt, nachdenken. „Wir haben in Deutschland ein ziemlich gutes Screening-Programm mit flächendeckend hoher Qualität", so Christiane Kuhl vom Lehrstuhl für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Uniklinik Aachen. „Aber es hat Schwächen: Das Hauptproblem der Mammografie ist die Unterdiagnose, viele aggressive Karzinome werden übersehen." Gleichzeitig gebe es, so Kuhl, aber auch Überdiagnosen, also das Erkennen von Karzinomen, deren Therapie der betroffenen Frau keinen Vorteil bringt. Nicht zuletzt zeigen sich die Grenzen der MSP vor allem bei dichtem Brustgewebe, der „röntgendichten" Brust, die, je nach Definition, etwa zehn bis 50 Prozent der Frauen haben. „Hier zeigen Studien, dass der Mammografie von 100 bösartigen Tumoren etwa 40 entgehen", erzählt Susanne Wienbeck vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Brustzentrum der Universitätsmedizin Göttingen.
Wienbeck, Kuhl und viele andere renommierte Kollegen plädieren daher inzwischen dafür, für das Screening oder die Abklärungsdiagnostik auch andere Methoden in Betracht zu ziehen. Kuhl setzt sich beispielsweise seit Jahren für ein Screening mit der Magnetresonanztomografie (MRT) ein. Ihr Argument: Während die Mammografie vor allem langsam wachsende Tumore aufspüren und die schnell wachsenden, aggressiven Karzinome deutlich weniger zuverlässig diagnostizieren könne, habe die MRT gerade ihre Stärke im Erkennen der besonders gefährlichen Tumore. Die MRT ist zwar unbestritten das leistungsfähigste radiologische Verfahren, das zudem ohne Röntgenstrahlen auskommt. Aber es ist eben auch das zurzeit aufwendigste und teuerste radiologische Verfahren und wird daher bei der Brustkrebs-Untersuchung unter Einsatz von Kontrastmitteln nur in Sonderfällen oder bei „Hochrisikofrauen" mit familiärer Genvorbelastung durchgeführt. Ein kostengünstiges MRT-Kurzzeitverfahren, das Christiane Kuhl entwickelt hat, wird derzeit in einigen Ländern als Alternativ-Methode getestet. Ultraschall wird in der Mammadiagnostik nur als ergänzendes Verfahren bei Auffälligkeit durch Mammografie oder Tastuntersuchung eingesetzt, bietet aber bei jungen Frauen mit dichtem Drüsengewebe eine höhere Beurteilungssicherheit als die Mammografie.
Doch die meisten Hoffnungen werden in der bildgebenden Mammadiagnostik derzeit in ein neues Verfahren namens Tomosynthese gesetzt. Viel spricht dafür, dass sie in absehbarer Zeit die Mammografie ersetzen wird. „Die Tomosynthese wird kommen", so Mathias Langer, Leiter der Radiologie am Uniklinikum Freiburg, „Wünschenswert wäre in drei Jahren, realistisch ist in fünf Jahren." Letztlich hänge das auch von der Finanzierung ab. Denn billig wird die Umstellung von Mammografie auf Tomosynthese keinesfalls. Bundesweit müssten Hunderte Geräte aufgerüstet oder neu gekauft werden – beim Stückpreis von rund 300.000 Euro. Zusätzlich wird eine aufwendige Schulung des medizinischen Personals nötig sein. Für die Frauen wird sich die Umstellung bei der unangenehmen Untersuchung kaum bemerkbar machen. Die zwei Aufnahmen pro Brust dauern jeweils unter 20 Sekunden, die Brust muss auch bei der Tomosynthese zusammengedrückt werden, die Röntgenstrahlendosis liegt um zehn bis 20 Prozent höher als bei der Mammografie , aber noch deutlich unter dem zulässigen Grenzwert.
„Die Tomosynthese ist die physikalisch bessere Methode als die Mammografie", ist Sylvia Heywang-Köbrunner, Chefin des Referenzzentrums Mammografie in München überzeugt. „Man bekommt deutlich mehr Informationen." Vor allem auch bei röntgendichten Brüsten. „Der entscheidende Vorteil der Tomosynthese ist, dass wir Mammakarzinome in dichtem Gewebe besser sehen können", erklärt Marisa Windfuhr-Blum von der Uniklinik Freiburg. Auch die Europäische Gesellschaft für Brustbildgebung (EUSOBI) hatte vor einigen Monaten konstatiert, dass die Tomosynthese die Diagnoserate von Karzinomen erhöhen und gleichzeitig die Anfangsverdacht-Rückrufrate senken könne. „Alle diese Aspekte werden der digitalen Brusttomosynthese wahrscheinlich den Status der künftigen ‚Routinemammografie’ in der Früherkennung einbringen", ist sich die EUSOBI sicher. Auch wenn dafür noch einige Studien benötigt würden. Bei denen müsse vor allem auch das Problem der Intervallkarzinome eine wichtige Rolle spielen, deren Zahl mithilfe der Tomoynthese reduzieren zu können ein medizinischer Fortschritt wäre. „Keine andere Methode ist so nahe an der Einführung wie die Tomosynthese", sagt Heywang-Köbrunner. „Aber man muss die Methode noch besser einschätzen. Die Tomosynthese findet zwar mehr Tumore, aber nicht alle sind wichtig. Wir wissen noch nicht, ob dies tatsächlich Leben rettet. Aber sobald diese Informationen vorliegen, gehe ich davon aus, dass die Tomosynthese eingeführt wird."
Eine flächendeckende Umrüstung wäre enorm teuer
Während die traditionelle Mammografie gewöhnlich nur zwei Ebenen zeigt, durchleuchtet bei der Tomosynthese eine sich drehende Röntgenquelle die Brust aus verschiedenen Winkeln. Die Schichtaufnahmen können anschließend vom Computer in eine dreidimensionale Darstellung verwandelt werden, weshalb die digitale Brust-Tomosynthese (DBT) bisweilen auch als „3-D-Mammografie" bezeichnet wird. Während bei der Mammografie aufgrund von Strukturüberlagerungen Karzinome schon mal verdeckt werden können, kann die dreidimensionale Perspektive zu deutlich klareren Befunden verhelfen. Schon jetzt nutzen manche Kliniken und Brustzentren die Tomosynthese zum Abklären auffälliger Befunde. Für die Früherkennung ist das Verfahren aber bislang noch nicht zugelassen. Vor allem weil, so auch die EUSOBI, vorab unbedingt noch geklärt werden müsse, ob der klinische Nutzen den hohen Aufwand der Umrüstung rechtfertigen könne. Woran die Aachener Radiologin Kuhl erhebliche Zweifel hat: „Die Tomosynthese ist eine bessere Mammografie. Aber eine flächendeckende Umrüstung wäre ein enormes zusätzliches Investment für eine allenfalls marginale Verbesserung der Brustkrebsfrüherkennung."
Allerdings ist die Forschung bezüglich der Tomosynthese schon wieder einen Schritt weiter. Noch bevor diese überhaupt eingeführt ist, gibt es als Weiterentwicklung bereits ein neues Verfahren namens Kegelstrahl („Cone-Beam")-Brust-CT. Es liefert direkt dreidimensionale Bilder und bietet Frauen den Vorteil, dass die Brust bei der Untersuchung nicht mehr komprimiert werden muss. Das Vordringen in die dritte Dimension mittels des CT-Verfahrens wäre für die Mammadiagnostik echtes Neuland. „Das ist beim Brustkrebs noch ein neues Feld", räumt Susanne Wienbeck ein. „Aber wir wissen aus anderen Bereichen wie etwa der Lungenkrebsdiagnostik, dass wir damit sehr viel besser werden", sagt die Ärztin.