Was lange gärt, wird endlich Wut. Dass wieder deutlich mehr Pop-Statements verstörend krachend und unpoliert abgefeuert werden, war überfällig. Und es tut verdammt gut. Weil es diese Welt da abholt, wo sie – bei ehrlicher Betrachtung – steht: aus den Fugen geraten.
Das zu verdrängen, ist die meiste Zeit nützlich bis existenziell – schließlich gilt es ja – innerhalb eines naturgemäß beschränkten persönlichen Horizontes den Mut nicht zu verlieren und nichtsdestotrotz nach vorne zu schauen, zu leben, zu lieben, zu teilen, zu genießen. Wenigstens ab und zu sollte man aber auch den Blick auf das große Ganze ertragen – jenen Menschen vertrauend, die das unermüdlich für uns tun.
Genres und Medien zu diesem Zweck gibt es viele: Filme, Bücher, Kunst. Dabei keineswegs zu unterschätzen ist die Musik. Jawohl! Immerhin hatte jedes der vergangenen Jahre mindestens ein überragendes (zumeist weibliches!) Polit-Album, das letzte hatte zwei: zum einen Kate Tempest’s „Let Them Eat Chaos" und zum anderen PJ Harvey’s „The Hope Six Demolition Project". Und nun, im jungen Herbst 2017, sind es erneut zwei Frauen, die uns ihre Anklagen mit Vehemenz ins Gesicht schleudern: Nadine Shah mit ihren famosen Wut-Beats von „Holiday Destination" und Erika M. Anderson alias EMA, deren „Exile In The Outer Ring" hörbar nicht gefallen will, vielmehr irritieren, herausfordern, wachrütteln, Gesellschaftskritik zelebrieren.
Dazu dienen schabende Synthesizer, scharfe Saiten-Riffs, dunkle Beats, gespenstische Vocals, Störgeräusche, herausgepresste/geflüsterte Messages. Was auch zarte, mithin harmonische Passagen keineswegs ausschließt.
Der Song „Always Bleeds" beispielsweise klingt mit seiner wabernden Gleichmäßigkeit zunächst versöhnlich, gerät aber zwischendurch unter Feedback-Beschuss. Unglaublich eindringlich ist das – wie alles auf diesem beeindruckenden Monolithen von einem Album. Songtitel wie „I Wanna Destroy", „Chalk & Blood" oder „Down & Out" sind jedenfalls Programm. Und „Breathalyzer" raubt einem schier den Atem. Noch Fragen?