In der packenden Verfilmung des Bestsellers „Schneemann" von Jo Nesbø wird Kultermittler Harry Hole (Michael Fassbender) von einem psychopathischen Serienkiller in ein mörderisches Katz-und-Maus-Spiel verwickelt.
Rote Karottennase, funkelnde Knopfaugen und ein lustiger Zylinderhut erfreuen nach dem ersten Schneeschauer besonders die Jüngsten. Das war vorgestern. Ein estländisches Sprichwort bringt es in diesem Fall auf den Punkt „Der Sommer kommt und küsst das Kind; der Winter kommt und tötet es!" Als die ersten Flocken fallen, wird die norwegische Metropole Oslo von einer Reihe bestialischer Morde in Angst und Schrecken versetzt. Bevorzugte Opfer sind junge Mütter. Die Hinterlassenschaft des Monsters ist ein niedlich geformter Schneemann am Schauplatz seiner Gräueltaten. Was augenscheinlich als sarkastischer Witz anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Hyperhorror, denn der Killer favorisiert Schneemannköpfe in Vorgärten mit realer Füllung. Die schneebedeckten Häupter seiner sorgsam zerteilten Opfer zieren nämlich seine psychotisch-infantilen Kunstwerke. Der gewiefte Polizei-Hauptkommissar Harry Hole (Michael Fassbender) soll in den prekären Vorkommnissen ermitteln. Alles andere als einfach, zumal der legendäre, nun „trockene" Ermittler immer wieder gegen seine inneren Dämonen, insbesondere den Alkoholismus, kämpfen muss.
Im Roman heißt es: „Harry Hole fuhr zusammen und riss die Augen auf. Es war eiskalt und dunkel. Eine Stimme hatte ihn mit der Nachricht geweckt, dass das amerikanische Volk an diesem Tag darüber entschied, ob sein Präsident auch in den nächsten vier Jahren George Walker Bush heißen würde. November. Nun waren sie wirklich langsam auf dem Weg in die Finsternis, dachte Harry. Er ging ins Bad und betrachtete sich im Spiegel. Auch hier November: schlaff, grau und wolkenverhangen.
Botschaften und Dubiose Hinweise vom Mörder
Die Augen wie immer blutunterlaufen und die Poren auf der Nase so groß wie schwarze Krater. Die Ringe unter den Augen mit der hellblauen, alkoholgespülten Iris würden verschwinden, wenn er sich erst mit warmem Wasser gewaschen und gefrühstückt hatte. Harry war aber nicht ganz sicher, wie sich sein vierzigjähriges Gesicht im Laufe des Tages halten würde. Ob sich die Falten glätten und der gehetzte Gesichtsausdruck verschwinden würde."
Spurlos verschwindet jedenfalls vorerst nur der Frauenmörder, der aus dem Ruhestand zurückgekehrt zu sein scheint, um Harry und der Polizei höhnische Botschaften und dubiose Hinweise zu hinterlassen. Mit Hilfe seiner neuen, brillanten Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) versucht er verzweifelt, die Indizien zu systematisieren. Sie reichen lange Jahre zurück, speziell Harrys ominöse Vergangenheit scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. „Für wen hinterlässt der Mörder den Schneemann? Schneemänner bauen, Dinge in kleine Stücke zu zerschneiden, so etwas macht doch nur ein kleines Kind, um Ordnung zu schaffen", rätselt Harry in diesem perfiden Katz-und-Maus-Spiel, in dem der Massenmörder den Beamten stets voraus ist, falsche Fährten legt und Unschuldige in den Ermittlungsradar der Spezialeinheit bugsiert. Als Harrys Freundin Rakel (Charlotte Gainsbourg) zum Objekt der triebhaft-tödlichen Begierde wird, beginnt für den Ermittler ein mörderischer Wettlauf gegen die Zeit…
Zeit wurde es vor allem auch für diese gänsehauttreibende Adaption des Bestseller-Dauerlieferanten Jo Nesbø, von dem bislang vornehmlich die Kinderbücher wie „Doktor Proktors Pupspulver", „Doktor Proktors Zeitbadewanne" und der Thriller „Headhunters" von Mortum Tyldum 2011 für die große Leinwand adaptiert wurden. „Schneemann" fußt auf einem Krimi, den der am 29. März 1960 in Oslo geborene Schriftsteller und Musiker im Original 2007 unter dem Titel „Snømannen" publizierte und den siebten Teil der bekannten Harry-Hole-Reihe bildet, die 1997 mit „Der Fledermausmann" initiiert wurde. Regie führte der Schwede Tomas Alfredson, der mit seinem Independent Blutsauger-Horror-Coup „So finster die Nacht" 2008 ein furioses Debüt inszenierte und sich mit „Dame König As Spion" (2011) in die Riege der europäischen A-Klasse-Regisseure katapultierte.
Gekrönt wird dieser schnörkellose Mysteryschocker von einem außerordentlichen A-Cast. Für sein angstschweißtreibendes Bravourstück drehen authentisch routiniert „Alien: Covenant"-Darling Michael Fassbender als herrlich desolater Hauptkommissar, Rebecca Ferguson („Life") im Part der analytischen Ermittlerin und Universal-Talent Charlotte Gainsbourg („Nymphomaniac") in der Opferrolle mit Empathie auf.
Insbesondere Michael Fassbender besticht jedoch als zerrissene Hauptfigur, die mit wenigen Worten eine beeindruckend charismatische Präsenz in die Bilder brennt. Der am 2. April 1977 in Heidelberg geborene Ausnahmemime wuchs als Sprössling eines deutschen Vaters und einer irischen Mutter im irischen Killarney auf. Seine erste größere Rolle bekleidete er 2001 in „Band of Brothers", danach tauchte der markante Beau zunächst in die TV-Landschaft ab. Für seine Interpretation als Bobby Sands in Steve McQueens Drama „Hunger" (2008) und Andrea Arnolds „Fish Tank" (2009) erntete Fassbender allerorten Lorbeeren. Mittlerweile mit unzähligen Filmauszeichnungen dekoriert, glänzte er als Sexmaniac 2011 in „Shame" vier Jahre später als Protagonist in der Filmbiografie von Danny Boyle über den Apple-Guru „Steve Jobs" in der Titelrolle und schrammte für seine Darstellung in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller" nur knapp am Oscar vorbei.