Der Schweizer Sänger Faber alias Julian Pollina wandelt zwischen diversen Welten und hat dabei zu einer ganz eigenen Ausdrucksform gefunden. In seinem Debütalbum „Sei ein Faber im Wind" treffen französische Chansons und italienische Schlager auf Balkanrhythmen, Blues und Folk.
Faber, die meisten Musiker in Ihrem Alter machen Rap. Wie haben Sie zu Ihrem ureigenen Sound gefunden?
Ich glaube nicht, dass die meisten Leute in meinem Alter rappen. Es wird auch sehr viel elektronische Musik gemacht und zum Teil mit akustischen Klängen verbunden. Ich persönlich habe vieles ausprobiert und mir vieles angehört. Meine nächste Platte kann schon wieder ganz anders klingen. Bei dieser Platte hatte ich Lust auf Rhythmen zwischen Balkan und Südamerika. Ich höre sehr gern Sänger aus dem lateinischen Sprachraum.
Bereits als Teenager sangen Sie Lieder von Adriano Celentano, Umberto Tozzi und Eros Ramazotti in Zürcher Restaurants. Wie kamen Sie ausgerechnet auf Italoschlager?
Es waren keine Schlager, sondern italienische Chansons. Ich sang sie bis zu meinem 19. Lebensjahr auf Geburtstagen und Hochzeiten.
Lustig und trotzdem ernst
Die Italiener scheuen sich überhaupt nicht davor, kitschig zu sein. Das kann sogar Witz haben. Ich finde, man kann lustig und trotzdem ernst sein.
Ihre Songs wie „Brüstebeinearschgesicht" wurden als schmutzig und politisch unkorrekt bezeichnet. Wie stehen Sie zu dem Vorwurf?
Den Begriff „politisch unkorrekt" haben Journalisten erfunden. Auf den Song werde ich immer nur von Journalisten angesprochen und nie von Konzertbesuchern. Und auch nie von Frauen! Keine Ahnung, woran das liegt.
Worauf legen Sie Wert beim Schreiben? Was soll besonders gelingen?
Ich möchte über ernste Themen schreiben, die trotzdem einen Charme haben, ohne ulkig zu sein. Ich bin immer froh, wenn etwas die Leute stutzig macht. Ich mag sehr gerne schräge oder erfrischende Details in Texten wie in Filmen. In der Serie „Fargo" etwa funktionieren bei der Polizistin immer die Sensoren nicht; zum Beispiel bei einer automatischen Tür oder einem Waschbecken. Da steckt aber kein Sinn dahinter.
Sie schreiben keine Politsongs, dennoch geben Ihre Lieder einen Überblick über politische Themen, die Sie offenbar beschäftigen. In „Wer nicht schwimmen kann, der taucht" zum Beispiel thematisieren Sie die Flüchtlingstragödie.
Was ich mache, hat eigentlich immer einen politischen oder gesellschaftlichen Touch. Ich glaube, mit ein bisschen Toleranz kann man schon sehr viel erreichen. Es wird sicher noch viel schlimmer werden in den nächsten Jahrzehnten, und dann hätte man sich gewünscht, dass man nicht auf die rechten Politiker reingefallen wäre. Die säen hier so viel Hass, der in der Bevölkerung eigentlich gar nicht da ist. Wenn die AfD einen meiner Songs als Hymne betiteln würde, würde ich schleunigst klarstellen, dass er so nicht gemeint ist.
Entwickeln Sie Ihre Textinhalte programmatisch oder lassen Sie sie einfach entstehen?
Manche Texte sind ganz plötzlich da, ohne dass ich es gemerkt hätte. Und an anderen Songs arbeite ich sehr lange, unter Umständen sogar über Jahre. „Bratislava" zum Beispiel hat sich im Lauf der
letzten sechs Jahre immer wieder verändert, bis er jetzt auf Platte gekommen ist. Wenn ich es nicht wüsste, würde ich nicht merken, welcher Text wie entstanden ist.
Wie kam es zu dem Lied „Wem du’s heute kannst besorgen"?
Es gehört zu den Liedern, die ich nicht sofort niedergeschrieben habe, sondern die sich erst langsam entwickelt haben. Ich wusste anfangs nicht, wo es langgeht bei dem Song, und jetzt finde ich lustig, wie er anfängt: „Es ist so schön, dass es mich gibt. Du hast Glück, dass du mich triffst". Der Song beschreibt Machogetue. Ich würde nicht sagen, dass ich das bin, der da erzählt. Bei solchen Songs kann man einfach in sich reinhören und schauen, was es alles in einem gibt. Das heißt ja nicht, dass man genau so lebt. Aber bei vielen meiner Songs ist es weder Ironie, noch ist es gelogen oder die Wahrheit.
Ihr Vater ist der bekannte sizilianische Liedermacher Pippo Pollina. Wurde Ihnen die Musik in die Wiege gelegt?
Ich hatte keine Gesangslehrer, weil ich so ungern zur Schule gegangen bin. Sie hat mir vieles vermiest, was ich eigentlich gern hatte. Deshalb wollte ich mir die Musik nicht auch noch vermiesen lassen.
„Ich hatte keine Gesangslehrer"
Ich habe immer sehr viel gesungen und rumgeschrieben, aber erst seit ich zwölf bin. Und dann dafür richtig. Durch meinen Vater wusste ich von Anfang an, dass Musiker ein Beruf mit viel Arbeit ist, aber das war auch schon der einzige Unterschied zu anderen Jungs.
Wie wurde aus Julian Pollina der Künstler Faber?
Ganz einfach: Ich habe mir einen neuen Namen gegeben, ein bisschen rumgeblufft. Aber ich hatte auch vorher schon eine Band. Meine Songs besitzen eine ordentliche Energie, die behalten wir auch nicht für uns. Wir zünden schon mal eine Bühne an, wenn es sein muss. Aber es gibt bei uns auch ruhige Teile.
Wie lautet Ihre Philosophie als Entertainer?
Sie kennen wahrscheinlich die Toten Hosen. Es ist egal, ob man Fan oder nicht Fan von ihnen ist, aber Campino gibt auf der Bühne immer alles. Nach dieser Maxime versuche ich zu leben, nicht dass ich das immer kann, ich habe zum Beispiel nie eine Ersatzgitarre dabei. Natürlich ist man auch Schauspieler, auf der Bühne ist man anders als privat.
Warum gehen Sie ohne Ersatzgitarre auf Tour?
Das ganze letzte Jahr sind wir aus wirtschaftlichen Gründen immer Bahn gefahren. Da ist das Gepäck schon sehr begrenzt. Langsam könnte ich eine Ersatzgitarre mitnehmen, aber ich besitze noch gar keine.
Was hat sich für Sie verändert, seit Sie bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag stehen?
Damit hat das mit der Gitarre nichts zu tun. Ansonsten verändert sich bei mir sehr viel. Mein Anliegen ist aber nach wie vor, gute Musik zu spielen und gute Shows zu machen.
Leben Sie selbst nach dem Motto Ihres Songs „Bleib dir nicht treu"?
Eigentlich wollte ich damit sagen, dass es behindert ist, wenn man sich treu bleiben will. Natürlich bleibe ich mir nicht treu. Man verändert sich halt. Logisch rede ich heute anders als vor fünf Jahren. Man lernt dazu oder verlernt etwas. Ich fände es echt langweilig, wenn Leute ständig so bleiben würden, wie sie sind.
Gibt es Texter, die Sie bewundern?
Sven Regener schreibt sehr geil wie auch die Band Von Wegen Lisbeth. Der Rapper Kollegah ist richtig krass. Von ihm stammt die wunderbare Zeile „Ich komm‘ in der Limo in dunkelschwarz im Anzug/mit ein paar Thai-Bitches drin wie im Bundestag". Für solche Texte habe ich sehr viel übrig. Als Kind hörte ich immer Die Ärzte. Sie können einfach nichts kaputt machen und haben schon immer alles auf die richtige Schulter genommen. Ein sehr gelungener Hit ist auch „Menschen Leben Tanzen Welt" von Jan Böhmermann & Jim Pandzko.
Sie werden häufig mit älteren Sängern wie Tom Waits verglichen. Können Sie mit dem Vergleich etwas anfangen?
Es freut mich außerordentlich, wenn das jemand sagt. Tom Waits hat viele geile Alben gemacht. Es ist aber nicht so, dass ich mir nur Musik von vor 1970 anhören kann. Ich unterscheide gar nicht groß zwischen neuen und alten Sachen. Viele neue Sachen klingen auch sehr alt.
Wie trainieren Sie eigentlich Ihre Gesangsstimme?
(lacht) Der Trick ist, wenig schlafen, viel trinken und viel rauchen. Aber ich weiß nicht, ob Letzteres wirklich hilft. Sänger mit mädchenhaften Stimmen rauchen zum Teil ganz viel.
„Viel trinken und viel rauchen"
Ich bin immer dann gut, wenn ich viel singe und habe ein Problem, wenn ich es lange nicht gemacht habe. Dann werde ich sofort heiser. Letztes Jahr spielte ich 150 Konzerte und schrie die ganze
Zeit rum. Aber es war nie ein Problem.