Die Signalfarbe Rot steht seit jeher für große Gefühle und für die ganz großen Themen des Lebens. Diesen Winter führt an ihr kein Weg vorbei. Denn nicht nur der Color-Spezialist Pantone, sondern auch fast alle Designer haben sie zur Trendfarbe der Saison gekürt.
In seinem Trendreport für den Winter 2017 hat das US-Magazin „Harper’s Bazaar“ unlängst die recht kühne Behauptung aufgestellt, dass seit den Zeiten des venezianischen Malerfürsten Tizian und des lombardischen Modezaren Valentino Garavani die Farbe Rot keine so prominente Rolle in der Fashion-Welt mehr gespielt hat wie in den aktuellen Designer-Damen-Kollektionen. Der Zeitrahmen zwischen Tizian im 16. Jahrhundert und Valentino mit seinem 1959 gegründeten Modehaus wurde folglich ziemlich weit gefasst. Aber sowohl bei dem Künstler als auch bei dem Modeschöpfer lässt sich sogleich ein direkter Bezug zu der Signalfarbe herstellen. Denn das Tizian-Rot ist ebenso in die Kultur- und Modegeschichte eingegangen wie das Valentino-Rot.
Tizian pflegte nicht nur das Haar der Kurtisanen Venedigs, die ihm für seine Gemälde Modell standen, in seinem berühmten goldroten Farbton zu malen, sondern selbstverständlich auch die kostbaren Gewänder der Fürsten und Hochadligen, denn nur ihnen war es in Mittelalter und Früher Neuzeit gesellschaftlich erlaubt, Kleidung in diversen roten Farbabstufungen zu tragen. Vom Kostenfaktor ganz abgesehen, denn Stoffe rot einzufärben war damals wenig erschwinglich. Doch dank des aus der Kermeslaus gewonnenen Karmins konnte schon damals eine ganze Palette von Rottönen gewonnen werden, wobei das leuchtende Scharlachrot am beliebtesten war. Nach der spanischen Eroberung Mexikos sollten im 16. Jahrhundert die Kermesläuse als Karminrot-Lieferanten durch die Cochenilleschildläuse abgelöst werden.
Die kraftvolle Farbe erweckt immer Aufmerksamkeit
Spanien war auch wieder im Spiel bei der Jahrhunderte später erfolgten Valentino-Rot-Entdeckung. Genauer gesagt Barcelona, wo der junge Pariser Modestudent Valentino Garavani anlässlich eines Urlaubsaufenthalts die Oper „Carmen“ gesehen und sich vor allem von den in Rot schwelgenden Kostümen hatte berauschen lassen. Die Farbe, mit der er Leidenschaft und Liebe verband, sollte sich regelrecht in sein Gedächtnis einbrennen. Schließlich entwickelte er eine klatschmohnrote Nuance, mit einem gewissen Orangeanteil, die ab 1968 zum legendären „Rosso Valentino“ werden sollte, das von Filmstars wie Elisabeth Taylor, Sophia Loren oder Sharon Stone tief ins Herz geschlossen wurde.
Eigentlich hätte „Harper’s Bazaar“ neben Tizian und Valentino auch noch den Namen Christian Louboutin anführen können. Schließlich sind diesen Winter nicht nur viele Klamotten in leuchtendes Rot getaucht, sondern auch jede Menge Designer-Schuhe. Und in diesem Zusammenhang fällt einem zwangsläufig der Name des französischen Schuhpapstes ein. Markenzeichen: rote Sohlen. Der Prototyp entstand angeblich rein zufällig, weil Louboutin seiner Assistentin während einer Kreativpause beim Nägel lackieren zugesehen hatte. Und sich plötzlich dazu inspiriert gefühlt haben soll, die schwarze Sohle mit rotem Nagellack zu überziehen. So ganz neu war diese Kreation allerdings nicht. Denn schon zu Zeiten Ludwigs XIV waren Schuhe mit roten Sohlen und Absätzen bekannt. Dashatte sich das Haus Yves Saint Laurent seinerzeit sogar gerichtlich bestätigen lassen, um Louboutin das von ihm propagierte Exklusivrecht an roten Sohlen erfolgreich abstreiten zu können.
Die Farbe Rot steht gemeinhin für die großen Themen des Lebens. Für große Gefühle wie Liebe, Leidenschaft, Wärme, Begehren, Verführung oder Sexualität ebenso wie für Macht, Gewalt, Energie, Kampf, Blut, Aggression oder Rache. Geballtes Rot weckt Aufmerksamkeit und eine automatische Alarmbereitschaft. In roter Kleidung wirken Frauen attraktiver auf Männer, beim eigenen Geschlecht können sie laut psychologischen Studien damit allerdings kaum Pluspunkte sammeln, da sie unterbewusst als gefährliche Partner-Konkurrenz eingeschätzt werden. In der Politik hat sich Rot seit der Französischen Revolution zu einer Farbe des Protests und der Emanzipation entwickelt. Da führt eine historische Linie von den roten Mützen der Jakobiner bis hin zu den roten Fahnen der Arbeiterbewegung.
Und auch wenn Rot-Rot bei den Bundestagswahlen im Herbst 2017 von vornherein keine Chance hatte, so steht die Farbe Rot doch bei den internationalen Designern diesen Winter ganz hoch im Kurs. Dabei fällt auf, dass manche Labels, beispielsweise Fendi, Tod’s (alles in Leder, von Schuhen über Hose bis zu Jacke) oder Max Mara, auf einen All-Over-Look setzen, auch die Accessoires wie Schuhe, Schals oder Handtaschen in den Signalton tauchen. Das ist ziemlich ungewöhnlich, weil dieser farbliche Komplettlook normalerweise nur Schwarz oder Weiß sowie ruhigeren Tönen wie Braun oder Dunkelblau vorbehalten bleibt. Ansonsten pflegt Rot in der Damenmode eher als Eyecatcher oder zum partiellen Akzente setzen genutzt zu werden.
Aber natürlich gibt es auch zahllose Einzelteile, wobei vor allem rote Wintermäntel wie bei Jason Wu, Derek Lam (Leder), Jil Sander oder Rochas (Pelz) bezaubern können. Aber auch die Kombi von Hose und Bluse/Pullover in Rottönen wie bei Oscar de la Renta, Giorgio Armani oder Jil Sander wirkt sehr elegant. Tolle Kleider in der Statementfarbe, die dank ihres Raffinements durchaus Erinnerungen an Scarlett O’Haras fulminante Robe in „Vom Winde verweht“ wecken können, haben Prada, Proenza Schouler, Alberta Ferretti oder Victoria Beckham in ihrem aktuellen Sortiment. Für Hosenanzüge lohnt sich ein Stöbern bei Givenchy oder The Row. Marc Jacobs hat sogar einen neuen Tracksuit in dieser auffälligen Farbe gestaltet.
Was die Farbtöne angeht, so waren so gut wie alle möglichen Rot-Nuancen auf den internationalen Catwalks vertreten. In New York und London dominierte eher die dunklere Rot-Palette, während vor allem in Mailand hellere Rottöne die Glanzlichter setzten. Pantone hatte für New York mit Grenadine und dem ziegelrot-bernsteinfarbenen Tawny Port gleich zwei Rot-Varianten als Trendfarben herausgestellt, in London führte ein flammendes Scharlachrot die Farbskala an. Tawny Port wurde beispielsweise von Oscar de la Renta, Jason Wu, Victoria Beckham oder Jil Sander präferiert. Karminrot von Prabal Gurung oder Jonathan Simkhai. Ochsenblut von Versus Versace oder Roksanda. Kirschrote Kreationen gab’s bei Prada, Versace, Roksanda, Proenza Schouler oder Monse. Und in Burgunderrot schließlich waren viele Klamotten von Brandon Maxwell, Tod’s oder Public School gehalten
Auch Schuhe und Stiefel trägt frau jetzt vermehrt in Rot
Die rote Klamotten sind diesen Winter aber auch rote Schuhe. Vor allem rote Boots kristallisieren sich als das Nonplusultra heraus. Das Magazin „Elle“ und andere Publikationen haben die knallengen Overknees von Fendi zum Must-have der Saison gekürt. Aber auch die roten Boots von Prada, Isabel Marant oder Valentino machen auf jeden Fall tolle Beine. Wer noch mehr die Blicke auf sich ziehen möchte, sollte sich die roten Stiefel mit Schlangen-Print von Gucci oder Maison Margiela zulegen. Für rote Ankle Boots sind Tod’s, Dolce & Gabbana, Fenty Puma x Rihanna, Givenchy oder Altuzarra eine gute Wahl. Miuccia Prada hat rote, mit Federn geschmückte Sandaletten in ihrem Programm, bei Givenchy gibt’s High Heels in rotem Lack.