Durch die verkorkste Darbietung gegen Schalke 04 setzt sich Hertha BSC vor dem Gastspiel in Freiburg selbst unter Druck.
ür den aufsehenerregendsten Moment des Nachmittags sorgte die Mannschaft von Hertha BSC ausgerechnet vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 am vergangenen Sonnabend. Als Zeichen gegen Rassismus kniete die Elf unmittelbar vor dem Anpfiff nieder – nach dem Vorbild zahlreicher Sportler in den USA, die mit vergleichbaren Aktionen ihren Protest gegen Diskriminierung zum Ausdruck bringen. Selbst Reservisten und Offizielle am Spielfeldrand gingen in die Knie, und kurz darauf veröffentlichte der Verein auf seinem Twitteraccount die Botschaft: „Hertha BSC steht für Vielfalt, Toleranz und Verantwortung! Für ein Berlin, das auch in Zukunft weltoffen ist!“
Haraguchi sah völlig übermotiviert Rot
So couragiert der Auftritt vor Beginn der neunzig Minuten aber auch war: Sportliche Taten ließen die Blau-Weißen dann über den gesamten Spielverlauf weitgehend vermissen. Eine Rote Karte, der Rückstand durch einen Elfmeter – ein bisschen schien es zwar schon, als hätte „Freitag, der 13.“ mit 24 Stunden Verspätung in der Hauptstadt zugeschlagen. Dennoch konnte man die Partie von Hertha BSC nicht so einfach in der Kategorie „gebrauchter Tag“ einsortieren. Schließlich verzeichnete die Mannschaft von Pal Dardai eben auch keine einzige echte Torchance.
Dabei hatte man die Partie gegen die Königsblauen im Vorfeld zum Schlüsselspiel deklariert. Sie war der Auftakt zum zweiten Block mit sieben Spielen (diesmal binnen 23 Tagen) bis zur nächsten Länderspielpause. Mit der Punktausbeute aus den Bundesligaspielen der ersten Serie war man von Vereinsseite nicht ganz zufrieden – „ein, zwei Punkte mehr“ hätten es nach dem Geschmack von Trainer Dardai durchaus sein können. Auch, wenn das Programm unter anderem mit Dortmund, Hoffenheim oder Bayern Topteams als Gegner mit sich brachte. Als umso wichtiger wurde demzufolge ein positiver Auftakt gegen Schalke im heimischen Olympiastadion bewertet. Denn in diesem Block bekommt es Hertha mit Clubs zu tun, gegen die man sich mehr Zählbares ausrechnet. Am Sonntag etwa steht die Partie beim SC Freiburg an, anschließend empfängt man in der Liga noch zuhause den HSV, und danach geht es nach Wolfsburg.
Die Heimniederlage gegen Schalke kommt da selbstredend gänzlich ungelegen – und wirft Fragen durch ihr Zustandekommen auf. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff konstatierte der Trainer zwar auch im gewohnten Stil, dass man die Pleite akzeptieren müsse. Die Bewertung, dass man an diesem Nachmittag zu keinem Zeitpunkt das gezeigt habe, was man sich vorgenommen hatte, lässt allerdings einen tieferen Einblick zu. Nach außen dürfte der Ungar das Motto „schnell abhaken“ propagieren, intern aber wird ihn die Vorstellung seiner Mannschaft schwer beschäftigen. „Da muss auch ich nachdenken, was ich in den letzten drei Tagen im Training gemacht habe, was nicht richtig war“ – diese Aussage Dardais unterstreicht das nur.
Im ersten Durchgang hatte sich ein von beiden Seiten weitgehend unansehnliches Spiel entwickelt, mit vielen Unterbrechungen und kaum Torchancen. Beim Spielstand von 0:0 noch nicht weiter schlimm – doch unmittelbar vor der Pause ereignete sich die erste Szene des Nachmittags, die das immer auch nötige Spielglück gegen die Berliner beeinflusste. Ausgerechnet Genki Haraguchi handelte sich im Mittelfeld eine völlig unnötige Rote Karte ein. Der Japaner gehörte beim 2:2 gegen den FC Bayern 14 Tage zuvor noch zu den „Gewinnern“ und hatte mit seinem spektakulären Solo den Anschlusstreffer vorbereitet.
Nun grätschte er unweit des Mittelkreises mit beiden Beinen voran gegen Schalkes Burgstaller, um einen verlorenen Ball wieder zurückzugewinnen. Logische Folge: Platzverweis durch Schiedsrichter Brand. Diese Unterzahl zwang Dardai natürlich vor der zweiten Halbzeit zu einer Reaktion. Die Wechsel verdeutlichten jedoch, dass er das Spiel keinesfalls höchstens mit einem Unentschieden beenden wollte. Zwar blieben mit Salomon Kalou und Ondrej Duda zwei Offensive in der Kabine, dafür brachte der Ungar mit Mathew Leckie und Davie Selke aber gleichrangigen Ersatz. Der erste Pflichtspieleinsatz nach längerer Verletzungsgeschichte für den 22-Jährigen Selke im blau-weißen Dress – vielleicht noch der zweite, bemerkenswerte Aspekt dieses Nachmittags aus Berliner Sicht.
Durch Elfmeter auf die Verliererstraße
Doch das Unheil nahm seinen weiteren Verlauf für die Gastgeber. Der erfahrene Vladimir Darida stellte sich im Zweikampf mit Harit im eigenen Strafraum eher ungeschickt an und brachte den Schalker zu Fall, sodass der Unparteiische zu Recht auf Strafstoß entschied. Goretzka traf vom Punkt zum Führungstreffer für die Gäste – fast unnötig zu erwähnen, dass Hertha-Torwart Rune Jarstein mit den Fingern noch dran war, die Flugbahn des Balls aber nicht mehr entscheidend verändern konnte.
Hertha war nun zur Aufholjagd in Unterzahl verdammt – eine wahrlich undankbare Aufgabe. Dass man dabei aber überhaupt keine Torgefahr erzeugen konnte, war sicherlich auch nicht zwangsläufig zu erwarten. Allerdings beschränkte sich der Gegner auch weitgehend darauf, defensiv nichts zuzulassen. Den zweiten Treffer bekam er auf dem Silbertablett serviert: Hertha-Verteidiger Karim Rekik ließ sich – unverständlich nachlässig – den Ball im Spielaufbau abjagen, und Burgstaller sorgte für die Vorentscheidung zugunsten der Königsblauen. Unter dem Strich blieb spielerisch ein Samstagnachmittag zum Vergessen – allerdings auch mit Folgen. Die Heimpleite zwingt die Berliner jedenfalls, in den nächsten Spielen auch auf des Gegners Platz forscher zu Werk zu gehen.
Schon am Sonntag beim SC Freiburg, der – bei einem Sieg und drei Unentschieden – im Schwarzwald-Stadion in dieser Spielzeit noch unbesiegt ist. Hertha BSC ist im selben Zeitraum dagegen noch ohne Dreier in der Fremde und täte gut daran, diese Bilanz schon im Breisgau zu beenden. Der aktuelle 13. Platz in der Liga mag nach dem achten Spieltag noch eine Momentaufnahme sein – tiefer stand Hertha aber seit Mai 2015 nicht mehr im Klassement. Damals bedeutete der 15. Rang zum Saisonabschluss quasi noch ein Erfolgserlebnis, da wenigstens der Klassenverbleib mit dem im Februar als „Feuerwehrmann“ geholten Pal Dardai realisiert werden konnte. Unter den jetzigen Voraussetzungen gilt es nun, sich keine „Herbstdepression“ mit weiteren Folgen für die Restsaison einzufangen. Ein Sieg in Freiburg und ein Weiterkommen gegen den 1. FC Köln im Pokal am Mittwoch könnten da erheblich dazu beitragen, dass das Team von Hertha BSC gar nicht erst groß ins Grübeln gerät.