Die Bundesländer wollen im großen Jamaika-Verhandlungspoker ein gewichtiges Wort mitreden. Neben den bekannten aktuellen Fragen rücken sie die auseinanderdriftenden Lebensverhältnisse in Deutschlands Regionen in den Mittelpunkt.
Es geht um parteiübergreifende Erwartungen der Länder an den Bund. Keinen geringeren Anspruch hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) an die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) formuliert. Sie hat den Vorsitz in einer Zeit, in der die Länder mit gewisser Chance auf Erfolg ihre Anliegen in den bundespolitischen Diskurs einbringen können. Das große Hickhack um die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist erfolgreich bestanden. In Richtung Berlin lassen sich im großen Selbstfindungsprozess für die wahrscheinlich erste Jamaika-Koalition auf Bundesebene nun andere gewichtige Interessen der Länder auf die Agenda setzen. Umso mehr, wenn sich die, die aus dem Kreis der Ministerpräsidenten selbst in der großen Berliner Verhandlungsrunde mit am Tisch sitzen, auf gemeinsame Linien berufen können.
Kommunen vernünftig ausstatten
Natürlich stand bei der Konferenz der Länderchefs in Saarbrücken das Thema Flüchtlinge auf der Agenda. Erstens weil er einer der Knackpunkte der Verhandler in Berlin ist, zum anderen aber auch, weil sich die Herausforderungen eben vor Ort konkretisieren. Aufnahme, Integration, aber auch im Zweifel Abschiebung müssen die Länder bewältigen. Der Bund setzt die Rahmenbedingungen. Konsens ist, dass die Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen forciert werden soll. Andererseits besteht weitgehende Übereinstimmung bei der Beseitigung eines Umstandes, der in Teilen der Flüchtlinge selbst aber auch in der Bevölkerung auf Unverständnis stößt. „Ich halte es für sinnvoll, dass diese Menschen arbeiten können, auch wenn sie irgendwann wieder gehen müssen", sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Menschen sollen sich selbst ernähren können, ergänzt Kramp-Karrenbauer, wissend, dass solche Regelungen auch eine „Gratwanderung" bedeuten können.
Ein zweites zentrales Anliegen der Tagesordnung ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. Gleiche Entwicklungschancen für alle Regionen, strukturschwache ländliche Räume ebenso wie Ballungszentren, mit „vernünftig ausgestatteten Kommunen". Nach der großen Einigung über die Bund-Länder-Beziehungen rücken damit die Kommunen mit ihrer unterschiedlichen Entwicklung in den Mittelpunkt. Es geht um angemessene Infrastruktur, von der Gesundheitsversorgung bis zur schnellen Netzanbindung. Die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), nennt auch „gute Bildungsangebote von Anfang an". Für Ballungsräume gehe es um bezahlbaren Wohnraum. Zudem müssten Kommunen ausreichend ausgestattet werden, um Integration bestmöglich organisieren zu können. Schwesig betont, dass es für entsprechende Maßnahmen im Bundesrat die notwendige Unterstützung der sogenannten „A-Länder", der von SPD beziehungsweise Linken geführten Landesregierungen, geben werde.
Wie ernsthaft den Ländern die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist, verdeutlicht die MPK-Vorsitzende: die Herausforderungen seien eine „Querschnittsaufgabe", für die alle Ressorts der neuen Bundesregierung ihren Beitrag zu leisten hätten. Dafür brauche es kein eigenes Bundesministerium, „aber gute Vereinbarungen".