Selbst der Tod ist nicht umsonst, heißt es. Er kostet das Leben – und mehr: Auch Friedhöfe müssen wirtschaften, rund um die letzte Ruhestätte.
Ganze Wohngemeinschaften haben sich hier bestatten lassen, ein Café bietet Kaffee und Kuchen an, Ortskundige laden zu Naturführungen zu seltenen Vögeln und Pflanzen, ein Imker hat seine Bienenstöcke hier aufgestellt – Friedhöfe sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.
Wie rechnet sich das Geschäft mit der letzten Ruhestätte? Immerhin sind in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen, etwa bei einer Seebestattung, für Verstorbene nur die Friedhöfe zuständig. Sie allein dürfen eine Bestattung anbieten, egal, ob es sich um eine Beisetzung in einer Urne oder einem Sarg handelt. Denn jemanden zu beerdigen ist eine hoheitliche Aufgabe: Der Staat oder vom Staat anerkannte und beauftragte Träger – die katholische Kirche, die evangelischen Gemeinden oder die Kommunen – führen diese Aufgabe durch und garantieren eine Liegezeit von mindestens 20 Jahren.
Auf dem Kirchhof wird auch ausgebildet
Das muss man nicht alles wissen, bevor man mit einer Kirchhofsverwalterin redet – zum Glück. Margret Burhoff lächelt. „Natürlich ist mir klar, dass sich die wenigsten Menschen wirklich intensiv mit diesen Dingen vertraut machen.“ Sie gehört zur Verwaltungsspitze der drei Zwölf-Apostel-Kirchhöfe in Berlin – alte, über 160 Jahre gewachsene Gottesäcker, die schon viel erlebt und ganze Generationen von berühmten, weniger berühmten und ganz normalen Berlinern aufgenommen haben.
Das wird auch so bleiben, denn jeder, der sich für eine Grabstelle interessiert, sollte mit Margret Burhoff rechnen: „Wir sind als Verwalter verpflichtet, unseren Friedhof wirtschaftlich tragfähig zu betreiben. Das bedeutet: Wir sind ein in sich geschlossener Betrieb und müssen von den Gebühren leben. Je nachdem ob Sarg oder Urne, als Stellengebühr, Beisetzungskosten, Aufbahrung in der Kapelle, für den Organisten, ein Schild oder eine Platte berechnen wir zusammen zwischen 900 und 2.250 Euro.“ Damit wäre eine Grabstelle auf 20 Jahre bezahlt. Die Liegezeit kann man verlängern, gegen eine erneute Gebühr. „Die Zahlen gelten für den alten Zwölf-Apostel-Kirchhof“, erläutert Margret Burhoff. „Jeder kann sie sich auch online ansehen. Andere Friedhöfe, besonders solche am Stadtrand, rechnen anders.“ Über einen Verbund unterstützen aber gut gehende Friedhofsanlagen auch schon mal diejenigen, die zu kämpfen haben.
Die Gebühren für alle evangelischen Friedhöfe legt das Konsistorium, also die oberste Verwaltung der Landeskirche, fest. Ein zweites Standbein für den Betrieb eines Kirchhofs ist die Grabpflege, mit der die Hinterbliebenen die Friedhofsmitarbeiter beauftragen können. „Das geschieht exklusiv – auf unserem Kirchhof sind nur unsere Gärtner zuständig“, sagt Burhoff. Sie hat 17 Beschäftigte: Verwaltung, Urnenträger, Totengräber und Gärtner, darunter vier Azubis.
Werbung dürfen sie zwar nicht machen, meint Bertram von Boxberg, der für die Gemeinde die Öffentlichkeitsarbeit betreut: „Aber unsere Alleinstellungsmerkmale, mit denen wir punkten können, sind eine sorgfältige Beratung, intensive Vorgespräche, wenig Bürokratie und Informationsveranstaltungen, auch für jüngere Leute.“ Viele unter 30-Jährige wüssten ja kaum noch etwas über die Rituale, die zu einer Beerdigung gehören, ergänzt Burhoff: „Und natürlich wollen wir zeigen, wie viel Kultur und Natur auf diesem ruhigen Fleck Erde mitten in der Stadt zu erleben ist.“ Die Führungen sind beliebt, oft kommen mehr als 50 Interessierte.
Auch das Angebot, sich eine fertige Grabstätte aussuchen zu können, macht den Friedhof interessant. Auf ihrem Kirchhof haben sie einen „Garten der kleinen Ewigkeit“ angelegt, erzählt Burhoff, dort kann man sich zu Lebzeiten seinen Platz samt Grabstein aussuchen. Die Gräber sind in eine Gartenanlage mit Stauden und Gräsern integriert, eine Gruppe Bildhauer hat die Gedenkskulpturen errichtet.
Oder man kann eine Grabpatenschaft eingehen. „Dabei geht es um den Erhalt der alten Erbbegräbnisanlagen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert“, so Burhoff, „Grabhäuser, Skulpturen, kunstvolle Schmiedearbeiten, Reliefs. Ein Grabpate verpflichtet sich, einen Beitrag zum Erhalt der Stätte zu entrichten und bekommt dafür das Recht, an dieser Stelle begraben zu werden.“
Dass sie mit den knappen Mitteln haushalten müssen, ist kein Geheimnis. Denn manches sei eben auch bereits verloren gegangen. Gerade, dass das staatliche Sterbegeld gestrichen wurde, sei schon ein spürbarer Einschnitt gewesen. „Und heute tendieren Angehörige zu dauerhaften Pflanzen. Bräuche wie das Schmücken für den Totensonntag fallen weg, was alt ist, wird nicht ersetzt.“ Auch für die Beisetzung ist oft nicht genug Geld da. Das ist an der steigenden Zahl der Sozialbestattungen zu spüren. Dann muss die Gemeinde einspringen. „Und die muss das billigste Angebot nehmen – dann kommt der alte Willi auf eine Grabstelle in Hellersdorf, obwohl er in Schöneberg gewohnt hat und dort auch bei den Nachbarn bekannt war.“
Im Wohngemeinschafts-Grab liegt keiner allein
Der Trend zu anonymen Beisetzungen ist hingegen rückläufig, hat Margret Burhoff beobachtet. „Das ist denn ja auch eine trostlose Sache, diese Rasenfelder und Bäume, wenn man nicht weiß, wer wo liegt. Das mögen die Hinterbliebenen nicht mehr.“ Das ist tatsächlich die einzige Konkurrenz, die den Friedhöfen das Geschäft streitig macht: Private Anbieter pachten unter dem Siegel des Naturschutzes ein Stück Wald mit Wiese und bieten anonyme Bestattungen an.
Die Konfession spielt für die letzte Ruhestätte keine Rolle, die Friedhöfe müssen alle aufnehmen. So ist auch für die Muslime aus dem Viertel Margret Burhoff eine gute Ansprechpartnerin, weil sie auf ihre Wünsche nach sargloser Bestattung, Bettung Richtung Mekka und der Schließung des Grabes durch männliche Angehörige eingeht. Für die Juden ist eine Grabstelle ewig und unantastbar – dem kommt sie dadurch entgegen, dass sie wenigstens 99 Jahre Ruhe durch die Pacht garantiert.
„Friedhofsverwalter rechnen für die Ewigkeit“, so ihr Fazit. „Wir denken nicht in Jahren, wir denken in Jahrzehnten.“ Selbst wenn ein Friedhof geschlossen werden muss, darf das Gelände bis mindestens 30 Jahre nach der letzten Beerdigung nicht angetastet werden. Von den rund 220 Berliner Friedhöfen sind 40 geschlossen und aufgelassen worden, die anderen 180 bleiben noch lange in Betrieb.
Margret Burhoff ist überzeugt: Wenn sie als Orte für die Lebenden, als Erinnerungsstätte, Erholungsgebiete, Natur- und Begegnungsraum angenommen werden, dann haben sie auch eine wirtschaftliche Zukunft.