Zwei junge lothringische Bäckermeister haben den Preis „Meilleur ouvrier de France“ gewonnen und dürfen sich auf Lebzeiten beste Baguette-Bäcker Frankreichs nennen. Seit diesem Frühjahr gibt es das „Beste Frankreichs“ auch samstags auf dem Wochenmarkt in St. Ingbert.
Die Eltern Antoinette und Gérard Schwalbach sind mächtig stolz auf ihre Söhne. Zum einen, weil sie in die Fußstapfen des Vaters gestiegen sind, und zum anderen, weil sie gemeinsam als „Meilleur ouvrier de France“ ausgezeichnet wurden, also den Preis der besten Handwerker Frankreichs, in der Sparte Boulangerie gewonnen haben. Sie backen, so die Jury, das beste Baguette Frankreichs. „Monatelang haben sich mein Bruder Jérôme und ich auf den Tag X vorbereitet“, erzählt der junge Bäckermeister Joël Schwalbach, der den väterlichen Betrieb „P’tit Jean“ im lothringischen Rohrbach-lès-Bitche schon vor einigen Jahren übernommen hat.
„Etwa eineinhalb Jahre haben wir uns auf diesen Wettbewerb vorbereitet“, ergänzt Jérôme Schwalbach, der eine Boulangerie in der Forbacher Rue Nationale betreibt. „Es war ein Wettbewerb auf höchstem Niveau“, kommentiert Vater Gérard. „120 Bäcker nehmen daran teil, etwa 20 davon kommen in die nächste Runde und nur zwölf Teilnehmer in die Endausscheidung. Am Ende gewannen fünf Boulanger, darunter meine beiden Söhne“, sagt er sichtlich stolz. „Diesen Titel führen sie nun ein Leben lang. Allerdings dürfen sie auch an keinem anderen Wettbewerb für Bäcker in Frankreich mehr teilnehmen.“ Müssen sie auch nicht! Denn ihre Backwaren sind einfach spitze.
Die Auszeichnung wird seit 1920 und nur alle vier Jahre vergeben
Die beiden erinnern sich gerne an diese stressige Zeit. Immer wieder fuhren sie nach Rouen. Dort ist der Sitz des Institut National de la Boulangerie-Pâtisserie, also das Nationale Institut der Bäckereien Frankreichs. Gleichsam die wohl beste Schule des Landes für das Bäckerhandwerk. Parallel dazu mussten die Betriebe der beiden weiterlaufen. Und dann kam das Finale des 25. Wettbewerbes der besten Handwerker Frankreichs. Vom 2. bis zum 5. März 2015 stellten sie sich den Herausforderungen einer Prüfungskommission. Und am Ende wurde ihre Leidenschaft, ihre Passion, wie der Franzose sagt, mit der ehrenvollen Auszeichnung, die seit 1920 nur alle vier Jahre vergeben wird, geehrt. In einem feierlichen Rahmen ehrte einige Wochen später der damalige französische Präsident François Hollande die Gewinner des Wettbewerbes im Elysee-Palast in Paris.
Jeder Franzose, manch gallophile Urlauber oder auch Bewohner der grenznahen Regionen in Elsass-Lothringen kennen das urfranzösische Symbol, meist im Doppelpack unter den Arm geklemmt. Berühmt wie die Weine aus dem Burgund oder Bordelais, wie der schimmelige Käse aus den Höhlen des Dorfes Roquefort – das knusprigste aller Stangenbrote, das Baguette. Kaum ein Franzose erlebt einen Tag, ohne seiner großen Liebe mindestens einmal die Ehre erwiesen zu haben. Morgens, in aller Früh, steht er in seiner Bäckerei und ersteht das erste Baguette des Tages. Und am Abend, nach getaner Arbeit, steht er meist noch einmal an gleicher Stelle bei seinem Lieblings-Boulanger und besorgt sich eine Stange Weißbrot für den Abend.
Nach ihrer Arbeitszeit gefragt, antworten die beiden Preisträger: „Bei uns beginnt ein Arbeitstag morgens um 3.45 Uhr. Die Weißmehlteige für die unterschiedlichsten Brote, vor allem aber für unser Baguette, wurden schon am Vortag zubereitet und haben die Nacht zum Reifen in der Kühlung verbracht und werden für etwa 20 Minuten bei 240 Grad gebacken.“ Die ersten Stangenbrote kommen gegen halb fünf Uhr in den Verkauf, sagt Joël Schwalbach. „Dann sind sie noch warm und schmecken am besten.“ Sollte man der französischen Statistik glauben, essen die Franzosen jährlich zehn Milliarden Stangen Baguette. Und davon kommen – unglaublich aber wahr – zwei Drittel aus der Backstube des örtlichen Bäckers und nicht wie bei uns immer häufiger aus dem Backautomaten beim Discounter. Der Franzose liebt seinen Bäcker, und ein altes Sprichwort sagt: „Wenn Sie auf der Straße einen Bäcker sehen, Monsieur, ziehen Sie Ihren Hut, denn er verdient Achtung.“
Für die beiden Preisgekrönten endet der Arbeitstag etwa gegen 12 mittags. Dann übernehmen die Bäckergesellen, die weiterhin für frisches Stangenbrot sorgen. Beide Geschäfte sind bis 18.30 Uhr geöffnet. Jeder Kunde bekommt auch am Nachmittag noch ein frisches Baguette, denn gebacken wird den ganzen Tag. Erstaunlicherweise wird in französischen Traditionsbäckereien am Abend kaum ein Stück weggeworfen. Anders als in Supermärkten oder Backshops – auch die wachsen in dem Land der kulinarischen Superlativen in den vergangenen Jahren – kennen die Schwalbachs ihren Tagesbedarf. Am Wochenende oder vor Feiertagen backen sie etwas mehr, aber von großem Ausschuss kann bei ihnen keine Rede sein.
Franzosen sind ihren Bäckern treu
In manchen Regionen Frankreichs gibt es die unterschiedlichsten Ausführungen des gallischen Lieblingsgebäcks. Mal nennt es sich Pain longue, mal Flûte, mal Ficelle, mal Pain Artisanal, mal Pain Tradition oder einfach nur Baguette. Eine Reihe von Varianten gibt es mit Mohn, regional dort, wo es Münsterkäse gibt mit Kümmel. Oder auch mit Sesam. Noch ist die Welt des französischen Baguettes halbwegs in Ordnung. Zwar wurde die staatliche Brotpreisbindung Ende der 70er-Jahre aufgeweicht und dann 1987 ganz abgeschafft, was zur Folge hatte, dass die Billigbrotattacken von Supermärkten ihren Anfang nahmen. Doch bei vielen Konsumenten hat sich ein gewisses Misstrauen bis heute gehalten, denn Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Gegenüber mehr als 31.000 Boulangèrs-Pâtissiers, Bäcker-Konditoren, stehen ungefähr 270 Industriebäckereien.
Handwerksbäcker verarbeiten 60 Prozent des Mehles unterschiedlicher Typen. Supermarktketten, die ihre Filialen mit tiefgekühlter Aufbackware versorgen, verarbeiten etwa neun Prozent des gesamten Mehlbedarfes der Grande Nation. Weizenmehl kommt in aller Regel aus regionaler landwirtschaftlicher Bio-Produktion und dem angrenzenden Ausland. Auch die Bäcker Joël und Jérôme Schwalbach verarbeiten vorwiegend Mehl in Bio-Qualität. Ihre Mehlsorten kommen aus der Moulin d‘Heucheloup aus Begnecourt in der Nähe Contrexévilles bei Toul.
Aber es gab auch Zeiten, in denen französische Bäckereien um ihre Existenz fürchten mussten, als Verbraucher häufiger zu billig produziertem Stangenbrot mit allerlei chemischen Zutaten griffen. Die Folge waren fad schmeckendes Weißbrot ohne Seele und die Gewissheit, dass in wenigen Jahren ein altes Handwerk wohl nur noch in Nischen zu finden sein würde. Doch auch französische Stangenbrot-Konsumenten sind lernfähig. Seit Jahren lebt das Handwerk wieder auf, und Nachwuchssorgen wie hierzulande gibt es beim französischen Nachbarn nicht.
Vater Gérard Schwalbach hatte 15 Jahre bei einem Bäckermeister im Bliestalörtchen Rubenheim gearbeitet, bevor er sich in Rohrbach-lès-Bitche selbstständig machte. Wie man richtiges Baguette macht? Daraus macht er kein Geheimnis. „Auf die richtigen Grundstoffe kommt es an“, sagt er. „In unser Meister-Baguette kommen nur Mehl, Wasser, Salz, Hefe und flüssiger Sauerteig. Für unser normales Stangenbrot verwenden wir nur etwa 20 Prozent, das heißt etwa zwölf Gramm Hefe pro Liter Ansatz. Für unser traditionelles Baguette sogar nur etwa die Hälfte. Auch kommt bei uns weniger Salz in den Teig, denn durch die lange kalte Ruhezeit und der damit längeren und besseren Reife des Teiges erhöht sich der Geschmack des Brotes, den der Genießer so liebt.“ Ein guter Teig brauche eben Zeit, betont er. „Früher nahm man mehr Hefe, damit der Teig schneller gehen konnte. Aber dass nimmt dem Baguette viel Geschmack, was wir auf keinen Fall wollen. Deshalb wird bei uns der Teig schon einen Tag vorher angemacht, erlebt diverse Ruhephasen und kommt dann in Baguette-Form gebracht in die Kühlkammer bis zum folgenden Morgen.“
Hier ist alles Handarbeit: knusprig gebacken, innen saftig und mit viel Geschmack. Ein Brot, das auch am nächsten Tag noch die Gaumen des Genießers erfreut. Auch die Croissants und Pains aux Chocolat des Geschwisterpaares wurden von der Jury ausgezeichnet. Handwerklich hat Gérard Schwalbach seinen Söhnen alles mitgegeben, und sie haben noch mehr daraus gemacht.