Die Kooperation zwischen der Gastronomie- und Hotellerie-Ausbildung von SOS-Kinderdorf e.V. und dem „Marriott Hotel“ in Berlin trägt Früchte. Dass das Konzept funktioniert, davon konnte sich kürzlich Moderatorin Nazan Eckes überzeugen.
Dass Sri Satkurunatham einmal als Restaurantfachmann täglich Gästen aus aller Welt Speisen und Getränke servieren würde, hätte er sich vor fünf Jahren sicherlich nicht träumen lassen. 2012 stand der damals 24-Jährige am Beginn seiner Lehre im überbetrieblichen Ausbildungszentrum des SOS-Kinderdorfs in Berlin. Wie Tische schön eingedeckt, Gäste freundlich bedient und Wein eingeschenkt werden, lernte er dort.
Der tägliche Umgang mit Haute Cuisine, die Kommunikation mit Menschen in verschiedenen Sprachen und das Immer-freundlich-Bleiben im Service kamen allerdings erst im „echten Leben“, in der Praxis des „Marriott Hotels“ am Potsdamer Platz, dazu. Sri Satkurunatham war einer der zwei bis vier jungen Menschen aus dem SOS-Kinderdorf-Ausbildungsprogramm, die dort seit 2012 jedes Jahr einen Praxisteil ihrer Ausbildung zur Restaurantfachkraft oder zum Koch absolvieren können.
„Ich wollte viel nachholen, aber auch viel geben“, sagt der 29-Jährige. Er war nach dem frühen Tod seines Vaters auf seinem Schulweg aus dem Takt geraten. Zunächst hatte er wenig Chancen auf eine Ausbildung. „Aber man muss auch die Gelegenheit dazu haben.“ Er gab seinen Willen und sein Engagement. Die Ausbilder vom SOS-Kinderdorf gaben ihre Empfehlung für Praktika im Hotel. Das „Marriott“ wiederum bot die Möglichkeit, im Hotel, in der Bar und im Restaurant „Midtown Grill“ mitzuarbeiten. Insgesamt vier Praxis-Monate wurden daraus. „Ich durfte sogar als Fremd-Azubi zur Azubi-Konferenz aller ‚Marriott-Hotels‘ mitfahren“, erzählt Satkurunatham.
„Das den eigenen Auszubildenden zu ermöglichen, ist das eine. Aber für mich war das eine Riesenchance, mich in zweieinhalb Tagen in Workshops den Menschen aus allen Hotels der Gruppe zu präsentieren, neue Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.“
Nazan Eckes ist seit 2006 SOS-Botschafterin
Wie schmackhaft die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit von „Marriott-Hotel“ und SOS-Kinderdorf ausfallen, erlebte kürzlich Nazan Eckes. Die Fernsehmoderatorin besuchte „ihre“ SOS-Azubis zu einem gemeinsamen Lunch und Gesprächen im „Midtown Grill“. Thunfisch-Tartar, Steak und Cheesecake-Parfait hatten alle Azubis des Restaurants gemeinsam zubereitet, angerichtet und serviert. Nazan Eckes setzt sich als SOS-Botschafterin seit 2006 für Jugendliche und ihren erfolgreichen Weg ins Berufsleben ein. „Wenn’s um Charity für Kinder-, Jugend- und Frauenorganisationen geht, halte ich gern mein Gesicht hin“, sagt sie. „Seit ich selbst zwei Kinder habe, habe ich noch einmal einen ganz anderen, persönlichen Bezug dazu.“ Sie lebt mit ihrer Familie in Köln und dürfte vielen als Jurorin der aktuellen „Das Supertalent“-Staffel bekannt sein.
Das mit dem „Gesicht hinhalten“ nahmen die Azubis nach dem Essen wörtlich – ein Gruppenfoto mit den Jugendlichen Pamela, Bianca, Mehmet und Tahani sowie Selfies mit Nazan Eckes waren selbstverständlich. Nicht nur die Fotos konnten sich sehen lassen, sondern ebenso die Ergebnisse der Charity-Initiative „You eat, we give Lunch“ der „Marriott-Hotels“ für das SOS-Kinderdorf. Ein Euro pro Hauptgericht wurde in den vergangenen Jahren im September für die Initiative gespendet. 30.000 bis 40.000 Euro kamen so deutschlandweit in den Jahren 2015 und 2016 zusammen.
Gespendetes Geld für die Ausbildung
Erstmals läuft die Spendenaktion dieses Jahr länger – über zwei Monate. So dürfte die Bilanz bis Ende Oktober noch erfreulicher ausfallen, prognostizierte Hansjoerg
Schneider, Generaldirektor des „Marriott“ Berlin. In den ersten drei Septemberwochen seien allein 27.000 Euro zusammengekommen. Das Marriott unterstützt den SOS-Kinderdorf e.V. ebenfalls regelmäßig mit Sachspenden. „Das können ebenso Töpfe und Küchengeräte sein wie Baby-Grundausstattungen, denn viele Azubis sind junge Mütter oder Väter“, erläutert Gitte Balkwitz, PR-Manager der „Marriott-Hotels“.
Das gespendete Geld für die überbetriebliche Ausbildung ist bei den Empfängern sehr willkommen. „Es ist ein Problem, dass die überbetriebliche Ausbildung immer weniger gefördert wird“, sagt Kirsten Spiewack, Leiterin des SOS-Kinderdorfs Berlin e.V. „In den überbetrieblichen Ausbildungen bekommen junge Menschen, die sonst keine Chancen auf dem Markt haben, die Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren.“ Die Jugendlichen, die beim SOS-Kinderdorf landen, fallen häufig durch einige Raster. Fehlende Schulabschlüsse, mangelnde Sprachkenntnisse oder ihr Alter machten es den Jugendlichen schwer, in „normalen“ Betrieben Fuß zu fassen. Aber auch soziale Fähigkeiten wie Freundlichkeit, verbindlicher Umgang und Zuverlässigkeit müssten manches Mal erst erlernt oder „nachgeschliffen“ werden. „Das ist für viele eine echte Herausforderung, die sie mit viel Willen und Anstrengung meistern“, sagt Spiewack.
„Das ist für viele eine echte Herausforderung“
„Unsere Azubis haben normalerweise nicht die Möglichkeit, in einem so hochklassigen Hotel zu arbeiten“, betont Kirsten Spiewack. Lernten die Jugendlichen bislang in einem Ausbildungszentrum in den Osramhöfen im Wedding, so ist seit dem 1. Juli 2017 das inklusive „Hotel RossiW in Moabit geöffnet. In Hotel, Restaurant und im Tagungsgeschäft arbeiten die Jugendlichen nun in einem komplexen Betrieb an der Lehrter Straße, in der Nähe des Hauptbahnhofs. So haben sie eine ganz andere Anbindung ans „echte“ Berufsleben.
Küchenchef im „Rossi“ ist Christian Schwarzlose, vormalig Souschef im „Ritz Carlton“, das zum selben Konzern wie das „Marriott“ gehört. Er übernahm als Küchendirektor die Regie. Der SOS-Kinderdorf e.V. bildet übrigens keineswegs nur Jugendliche aus „Kinderdörfern“ aus. „Natürlich können auch Jugendliche, die in einem Kinderdorf ohne ihre leiblichen Eltern in einem familiären Umfeld aufwachsen, bei uns eine Ausbildung machen“, erläutert Spiewack. Der Verein SOS-Kinderdorf biete jedoch vielfältigere Unterstützung. Man berate, betreue und fördere Kinder, Jugendliche und deren Familien in 40 unterschiedlichen Einrichtungen deutschlandweit und erreiche so mehr als 95.000 Menschen. Gut 1.000 Betriebe in der Hauptstadt bilden nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbande Berlin (Dehoga) derzeit in Hotellerie und Gastronomie aus. 3.500 Azubis in sieben Berufen sind es in Berlin. Am höchsten ist die Zahl der Azubis mit 1.600 bei den Hotelfachleuten. Auf Platz zwei folgen die Köche mit 1.000 Azubis. Bekanntermaßen sucht die Branche dringend Nachwuchs. 372 Ausbildungsstellen seien derzeit noch offen, 193 Bewerber wiederum ohne Ausbildungsplatz, weiß Kathrin Pabst, Referentin für Aus- und Weiterbildung beim Dehoga Berlin. Beinah 60 Prozent der Betriebe hätten Probleme, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen.
Mehr als 80 Prozent der jungen Fachleute wurden übernommen
Aber: „Mehr als 80 Prozent unserer Betriebe geben inzwischen auch lernschwachen Jugendlichen eine Chance und bilden junge Menschen mit allen Arten von Schulabschlüssen aus“, sagt Pabst. „Die Betriebe investieren in ihre künftigen Fachkräfte und machen auch die Jugendlichen ausbildungsreif, die noch nicht so weit sind.“ Es gebe zahlreiche Fördermöglichkeiten über die Bundesagentur für Arbeit: Nachhilfeunterricht für die Betriebe, etwa in der Sprachförderung, oder eine mit vier bis neun Stunden wöchentlich über einen Träger unterstützte „Assistierte Ausbildung“ für Jugendliche, die zusätzliche Begleitung bräuchten. Nicht zuletzt durch den Boom von Tourismus und Gastronomie und die jährlich steigende Zahl von Hotels hätten Berufseinsteiger „momentan eine Jobgarantie in Berlin“, so Pabst. Mehr als 80 Prozent der jungen Fachleute würden inzwischen von ihren Ausbildungsbetrieben übernommen oder fänden einen neuen Arbeitgeber.
Für Sri Satkurunatham hat sich das Ins-Zeug-Legen auf seinem Weg allemal gelohnt. Nach der Abschlussprüfung bewarb er sich direkt im „Marriott-Hotel“. Im Oktober 2015 konnte er als „Service Agent“ gleich in den Beruf einsteigen. „So ein nahtloser Übergang von der Ausbildung in die Arbeit ist viel wert. Ich bin sehr dankbar dafür“, sagt er. Den holperigen Start ins Berufsleben hat er längst wettgemacht und sich noch einiges vorgenommen. „Das ist erst der Anfang. Mal sehen, was die Zukunft bringt.“