Ein überlebensgroßer Karl Marx zwischen Römerrelikten und Bischofssitz erregte die Gemüter. Der Streit um das chinesische Geschenk an Trier ist beigelegt. Die Vorbereitungen zum 200. Geburtstag laufen auf Hochtouren.
Ein Gespenst geht um in Europa….“, so beginnt eine der berühmtesten politischen Schriften des 19. Jahrhunderts, das „Kommunistische Manifest“ aus der Feder von Karl Marx und Friedrich Engels. Für manchen Trierer Politiker, Bürger und Beobachter war Karl Marx selbst eine Art umhergeisterndes Gespenst. Der Stein oder vielmehr die Statue des Anstoßes war ein Geschenk der Volksrepublik China: Das Reich der Mitte, das zwar faktisch längst eine kapitalistische Wirtschaftsgroßmacht, aber offiziell noch immer ein streng sozialistischer Einparteienstaat ist, hatte angekündigt, der Marx-Geburtsstadt Trier einen fünfeinhalb Meter hohen, bronzefarbenen Marx zu schenken. Wochenlang sorgte die Frage, ob die Stadt Trier die Marx-Skulptur in Gehrock mit rauschendem Bart und energischem Blick annehmen sollte, für kontroverse Diskussionen, bis der Stadtrat schließlich mehrheitlich dafür stimmte (FORUM berichtete). Am 4. Mai 2018 soll der Bronze-Marx nun auf dem Simeonstiftplatz bei der Porta Nigra aufgestellt werden, nicht weit entfernt von dem langjährigen Wohnhaus der Familie in der Simeonstraße.
Mittlerweile ist wieder Ruhe in das beschauliche Moselstädtchen eingekehrt. Und je mehr sich der 200. Jahrestag seiner Geburt am 5. Mai 2018 nähert, desto stärker richtet sich der Blick auf die erwarteten Besucherströme und das damit einhergehende auswärtige Kapital. Schon seit Jahren strömen mehr und mehr Touristen aus dem Reich der Mitte nach Trier, wo sie meist stolz ein Selfie vor dem Geburtshaus von Marx in der Brückenstraße 10 machen wollen. 2018 wird es nicht nur mit der Statue einen weiteren Touristenhotspot geben. Es zeichnen sich auch erste Umrisse der großen rheinland-pfälzischen Landesausstellung „Karl Marx 1818–1883. Leben. Werk. Zeit.“ (5. Mai bis 21. Oktober 2018) ab.
2018 wird Trier zum Karl-Marx-Hotspot
Das Rheinische Landesmuseum Trier rüstet für einen großen Zeitsprung, von umstrittenen römischen Kaiser Nero (Jahrgang 37 n. Chr., vielbeachtete und erfolgreiche Nero-Ausstellung 2016) zum umstrittenen Wirtschafts- und Revolutionstheoretiker. Die ersten Kisten mit Exponaten sind bereits eingetroffen: Fast 250 internationalen Ausgaben des „Kommunistischen Manifestes“, die dokumentieren, wie die Kampfschrift von Äthiopien bis Indien, von Syrien bis zum Senegal, von den USA bis zu den Färöer-Inseln um die Welt ging. Leihgeber ist das Historische Zentrum Wuppertal, der Heimatstadt von Friedrich Engels. „Nicht nur in jenen Ländern, in denen sich eine starke Arbeiterbewegung oder ein real existierender Sozialismus herausgebildet hatte, fand die Schrift eine starke Verbreitung; auch in den Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas, wo der Kapitalismus noch gar nicht Fuß gefasst hatte, traf die Botschaft des Manifests auf offene Ohren“, so der Leiter des Zentrums, Eberhard Illner.
Mit dem Manifest sorgten Marx und Engels für einen Paukenschlag. Umfangreicher, deutlich analytischer und in seiner Wirkung nachhaltiger war jedoch „Das Kapital“. Das Werk, das vor 150 Jahren, im September 1867, erstmalig erschienen ist und zu einem der einflussreichsten Bücher der Neuzeit wurde, war das Lebenswerk des Autors, für das er ganze 160 Notizhefte mit Notizen, Ideen und Skizzen vollgeschrieben hat. Fünf dieser Hefte mit unterschiedlicher Thematik, die das Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam aufbewahrt hat, werden im Zuge der Ausstellung zu sehen sein.
Die Ausstellung wird in zwei Museen gezeigt werden. Das Stadtmuseum Simeonstift Trier wird unter dem Titel „Stationen eines Lebens“ das bewegte Leben von Karl Marx beleuchten, nach Angaben der Macher wird „Das Kapital“ eine zentrale Rolle in der biografischen Einbettung spielen. Das Rheinische Landesmuseum Trier beleuchtet unter dem Titel „Leben. Werk. Zeit.“ Karl Marx und sein Jahrhundert und geht dem intellektuellen wie politischen Werdegang des Ausnahmeökonomen nach. Die beiden großen vormaligen Trierer Landesausstellungen zu den Kaisern Konstantin 2007 und Nero 2016 wurden jeweils in drei Museen gezeigt. Man kann es getrost als Konstruktionsfehler der Ausstellungsmacher bezeichnet, dass sie diesmal auf das bewährte Trierer Prinzip der drei Standorte verzichtet haben. Zumal sich ein drittes Museum als dritter Standort geradezu aufdrängen würde: Sein Geburtsort, das Karl Marx Haus. Dieses wird jedoch nur als Partner geführt, ebenso das Bischöfliche Museum am Dom, wo man unter dem Titel „LebensWert Arbeit“ eine Schau über den Menschen und seinen Bezug zur Arbeit aus der Sicht eines christlichen Menschenbildes vorbereitet. Das Karl Marx Haus ist seit Mitte September geschlossen, die Dauerausstellung zu Leben, Werk und Wirken von Marx wird komplett überarbeitet und soll im Mai 2018 wieder öffnen.
Die gespannten Blicke von Kulturschaffenden, Hoteliers und Gastronomen richten sich nun auf das Publikumsinteresse im Marx-Jahr. Werden die vielen Touristen aus nah und fern sich mit Selfies vor Statue und Marx-Haus begnügen, oder werden sie auch die Ausstellung besuchen? Die Messlatte bei Ausstellungen liegt in der Großregion jedenfalls hoch: Die Völklinger Hütte hat nach 100.000 Gästen in den ersten drei Monaten erst kürzlich ihre Buddha-Ausstellung verlängert. Die Trierer Nero-Schau wollten 2016 gar mehr als 250.000 Besucher sehen. Noch liege die Zahl der Buchungen von Gruppenführungen hinter Nero im Vergleichszeitraum, erläutert die Marketing-Expertin Paula Kolz von der Trier Tourismus und Marketing GmbH. Doch nicht nur im chinesischen Tourismusbereich gebe es bereits ein großes Interesse. Die Aufmerksamkeit bei deutschen und europäischen Journalisten sei bereits deutlich höher als bei Nero, was am 200 Jahr-Jubiläum und dem großen Echo um die Marx-Statue liege.