Was uns belastet oder frei macht, entscheiden wir selbst.
Beim Verstauen der Sommersachen mussten wir wieder einmal in den Keller. Den hatten wir vor drei Jahren aufgeräumt und dabei Überflüssiges entsorgt. Oh, welch ein Wunder: Es hatten sich erneut etliche Sachen angesammelt, die seit Jahren nicht benötigt wurden. Es ist ja die ewig vertrackte Entscheidung: Kann das weg oder wird es irgendwann einmal gebraucht?
In schlauen Büchern hatten wir gelesen, dass wir uns nicht nur von Dingen trennen sollten, sondern unsere Einstellung ändern müssten, wollten wir Gewohnheiten loslassen. Tröstlich war eine Meditation: Zu benennen waren zehn Menschen, die für die Entwicklung Deutschlands wichtig waren. Uns fiel Werner von Siemens ein, der die Entwicklung der Elektrotechnik entscheidend beeinflusst hat. Die Geräte, die jener Pioniergeist der zweiten industriellen Revolution produzieren ließ, waren und sind meist sehr nützlich. Waschmaschine, Bügeleisen, Telefon gehören wie selbstverständlich zum Haushalt.
Was wir dann in dem spirituellen Büchlein lasen, traf auf uns zu: Gelegentlich überfällt uns das Gefühl, Opfer der Technik zu sein. Der Fluch der modernen Technik: Sie gibt reichlich, sie nimmt aber auch – zum Beispiel wertvolle Zeit. Da ist der Eierkocher, der überflüssig ist. Da ist der Computer, der uns fast zwingt, ihn anzuschalten. Vielleicht, um nur einmal kurz E-Mails zu checken und zu schauen, was es sonst Neues gibt.
Plötzlich handelten wir so, dass wir Opfer der Technik wurden. Na klar, dieser Text hier wurde nicht auf einer alten Schreibmaschine verfasst. Wenn dann aber zwischendurch das Smartphone summte, musste sofort geguckt werden, wer eine WhatsApp geschrieben hatte. Wir fühlen uns genötigt, unverzüglich zu reagieren, bevor drei Minuten später nachgefragt wurde, warum wir nicht antworteten.
Inzwischen haben wir trainiert, nur noch ganz sparsam mit allen Errungenschaften umzugehen. So fallen wir auch nicht auf Werbung herein, die wir bei Facebook sehen. Es erzeugt keine Gaumen-Vorfreude, wenn ein Essenslieferant seine Dienste anbietet. Erfahrungsgemäß bekommen wir für zu hohe Preise halbwarme und schlabberige Schnitzel und Pommes.
Die Kernfrage der erwähnten Meditation lautete: Worin investieren Sie Ihre Zeit, Ihr Leben? Was wird von Ihnen blieben, wenn Sie nicht mehr auf dieser Welt sind? Bei Haushaltsauflösungen kann man das mitbekommen: Hunderte Bücher, die niemand mehr lesen will. Haufenweise Geschirr, das keiner mehr braucht. Möge das alles durchaus wertvoll sein. Es ist nicht so wertvoll wie die Zeit, die wir mit anderen Menschen verbringen.
Bei Treffen kann es durchaus passieren, dass ein Freund noch während des Gesprächs sein Smartphone checkt. Wir bitten ihn dann, dieses auszuschalten. Es ist auch schon geschehen, dass gar kein Gespräch zustande kam. Wir waren dem Freund nicht böse, trafen uns aber nie wieder mit ihm. Die Erkenntnis daraus: Wirkliche Zufriedenheit ist nur zu erlangen, wenn man mit den richtigen Menschen zusammen ist.
Kürzlich sprachen wir einige Stunden mit einer Freundin, die in großer Not war. Sie erzählte von einer Jugendfreundin, die sie Jahrzehnte kannte. Immer wieder wollte diese Dame bestimmen, was sie zu essen und zu trinken habe. Meine Freundin trinkt keinen Alkohol, aber sie sei immer wieder genötigt worden, doch zuzulangen. So nach dem Motto, ein Gläschen schadet doch nichts. Die Freundin hatte wirklich innerlich zu kämpfen. Da erzählten wir ihr, dass wir uns von solchen Menschen getrennt hatten.
Erfahrungsaustausch wirkt immer dann, wenn niemand mit dem erhobenen Zeigefinger Recht haben will. So plauderten wir noch einige Zeit, vermissten weder Smartphone noch Computer. Einige Tage später rief unsere Freundin an und erklärte, dass sie den Kontakt zu der Person beendet habe.
Wie haben wir also die Zeit verbringen können? Von dem Gespräch ist bei einem anderen Menschen etwas haften geblieben, was nicht zu kaufen ist. Darauf sind wir nicht stolz, sondern nur damit zufrieden. Unsere Freundin hätte sich ja durchaus anders entscheiden können. Was uns belastet, entscheiden wir selbst.