In Dessau und Berlin haben die Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr 2019 begonnen. Das Bauhaus wird 100 Jahre alt. Es verkörpert mehr als Architektur und Design. Es ging auch um Tanz und das Idealbild des modernen Menschen.
Walter Gropius hatte 1919 eine Architektur- und Designschule mit dem Namen Bauhaus in Weimar gegründet – als Begegnungs- und Arbeitsort für herausragende Architekten, Künstler, Handwerker und Gestalter. Doch schon sechs Jahre später, als die Nationalsozialisten in Thüringen immer präsenter wurden, zog das Bauhaus aus politischen Gründen von Weimar nach Dessau um.
Hier lebten unter anderem Walter Gropius, Paul Klee, Johannes Itten, Vassily Kandinsky, Lyonel Feininger und Oskar Schlemmer als Künstlergemeinschaft. Die Architekten, Designer und Maler versuchten, freie und angewandte Kunst miteinander zu verbinden. Eine ganz eigene Formensprache entstand: ornamentlos, funktional, schlicht, klar an geometrischen Grundformen orientiert. Die von Walter Gropius und seinem Nachfolger Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Häuser glichen Würfeln aus Stahl, Beton und Glas. Die Wände weiß gekalkt, die Fassade ohne jegliche Schnörkel. Wichtig waren Licht, Luft und Sonne – und ein preiswertes Wohnen.
Für jede Menge Arbeitsplätze hatte in Dessau Ende der 20er-Jahre die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG gesorgt. Erschwinglicher Wohnraum hingegen war knapp. So entstand im Auftrag der Stadt Dessau und im Rahmen des Reichsheimstättengesetzes die Siedlung Törten, die vom Bauhaus als Lösung für einen preisgünstigen Massenwohnungsbau konzipiert worden war. Dort gibt es Eigenheime „für den kleinen Mann" wie es damals noch hieß, aber auch Villen, die sogenannten Meisterhäuser, als Atelierhäuser der Künstler. So unterschiedlich die Gebäude von ihrem Anspruch und ihrer Funktion her sind, alle eint die großzügige Lichtgestaltung, der Einsatz von industriellen Materialien, der Minimalismus in der Formensprache und immer eine intelligente Nutzungsraumfolge. Das von Walter Gropius gebaute Hochschulgebäude gilt als das Kernstück der pädagogischen Ideen des Bauhauses.
„Gropius hat das Haus als Gesamtkunstwerk betrachtet," sagt Dr. Helga Huskamp, die Pressesprecherin der Bauhaus Stiftung. „Heute hat man sich an diesen modernen Baustil gewöhnt. Doch als beispielsweise unser Bauhausgebäude im Jahr 1924/25 errichtet wurde, war es von wilhelminischem Historismus umgeben. Zu der Zeit war es wie ein weißes Ufo von einem fremden Stern, das hier landete. Doch es hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren."
Würfel aus Beton, Stahl und Glas
Zum 100. Bauhaus-Gründungsjahr 2019 würden alle Bauhaus-Gebäude kuratorisch neu ausgerichtet, erzählt Huskamp. „Das wird eine Art Architekturausstellung in der gesamten Stadt."
Unterdessen wird momentan im Stadtpark am neuen Museum der Stiftung Bauhaus Dessau gebaut. Keine Trutzburg werde entstehen, heißt es, vielmehr solle das Haus durch seine gläserne Struktur ein offener, moderner Bau werden, der die Bevölkerung in der Innenstadt miteinbezieht. Ganz im Sinne des historischen Bauhauses und seiner Gründer. Huskamp ist optimistisch. „Wir sind im Zeitplan. Es läuft alles wie am Schnürchen."
Das Museum wird erstmals die Schätze der wertvollen Bauhaussammlung mit über 40.000 Exponaten zeigen können. Mit dabei sein werden die Klassiker mit ihrer typischen Handschrift im „Bauhaus-Stil": Lampen von Wilhelm Wagenfeld und Christian Dell, Möbel von Marcel Breuer und Erich Diekmann, Geschirr von Marianne Brandt, natürlich die berühmten, aus Stahlrohr gefertigten Freischwinger von Mies van der Rohe. Doch weniger bekannt ist, dass im Bauhaus auch Theater gespielt und seltsame tanzende Gestalten geschaffen wurden. Der bildende Künstler Oskar Schlemmer, der die Bauhaus-Figuren entwarf, suchte nach dem neuen Menschen in einem neuen technisierten Zeitalter.
Kein Spitzentanz, kein Pas de deux. Eher etwas komisch und grotesk muten die von Schlemmer geschaffenen Tanzkostüme an. Mit dicken Kugelbäuchen und Drahtreifen, mit gepolsterten Beinen. Mit Röhren anstelle von Armen und Beinen oder einem quadratischen Oberkörper. So etwa sahen sie aus, die abstrakten Figurinen des Triadischen Balletts auf der von Oskar Schlemmer geleiteten Bauhausbühne.
Befremdlich kamen sie daher, die handlungslosen Kostümtänze, die mit Stäben, Rädern, Kegel und Kugeln reduzierte, harte Bewegungen wie mechanisch ausführten. Die durch die geometrischen Kostüme veränderten Proportionen und Bewegungen des Tänzers machten die Verbindung zwischen Mensch und Raum sichtbar. Oskar Schlemmer wollte die im Raum und im menschlichen Körper wirkenden Kräfte durch Form, Farbe und Bewegung sichtbar machen. Er erforschte die mathematische Ordnung beziehungsweise Geometrie, welche nicht nur dem Raum, sondern auch dem menschlichen Körper zugrunde liegt, wie er glaubte.
Tanzen Im Takt der Maschinen
„Maschinentänzer" nannte man in den 20er-Jahren die Darsteller des Triadischen Balletts. Doch Oskar Schlemmer wollte nicht die Bühne mechanisieren, um der Maschine zu huldigen, sondern er suchte nach dem Idealbild eines modernen Menschen. Der sollte sich trotz allen technischen Fortschritts nicht selbst mechanisieren lassen und seine Träume und Visionen nicht verlieren.
Torsten Blume, wissenschaftlicher und künstlerischer Mitarbeiter am Bauhaus, ist mit der historischen Bauhausbühne vertraut. Er seht in Oskar Schlemmer einen Menschen, der in sich gespalten war. „Anfang des 20. Jahrhunderts zwangen die Maschinen in den Fabriken die Arbeiter dazu, sich ihrem Takt und Rhythmus anzupassen. Und Schlemmers Kostüme, Requisiten und Bewegungsreglements funktionierten ähnlich. Die Tänzer mussten sich ihnen quasi unterordnen, ja sie sollten sich – wie Schlemmer es formulierte – der Mechanik mit Empathie hingeben", sagt Blume.
„Oskar Schlemmer war einerseits fasziniert von den Möglichkeiten des technischen Fortschritts, andererseits war er in Sorge. Er befürchtete, dass die materialistisch-praktische Zeit in Wahrheit den echten Sinn für das Spiel und das Wunder verloren hat."
Für das Bauhaus-Jubiläum 2019 laufen bei Torsten Blume schon längst die Vorbereitungen: Ein größeres Festival zum Thema Bühne ist geplant. Dabei stellen Hochschulen verschiedene Bewegungsexperimente vor, die das Bauhaus-Erbe aufgreifen. Beiträge werden beispielsweise aus Südkorea kommen, aus Tokio, aber auch von der Berliner Humboldt-Universität.