Jüngere Menschen für Genuss mit Nachhaltigkeit zu begeistern, ist in unserer schnelllebigen Zeit nicht so einfach. Vier junge Männer zeigen, dass dies keine Frage des Alters ist.
Leroy Henze träumte lange Zeit von einer Karriere als Sportmoderator. Der leidenschaftliche Fußballspieler wollte Journalist werden. Doch es kam anders. Er entschied sich letztlich für den Beruf des Hotelfachmanns. Der damals schüchterne Lehrling bewarb sich im Berliner Hotel Regent am Gendarmenmarkt als Praktikant. „Alles war so edel und vornehm im Haus. Solch eine Atmosphäre war ich nicht gewöhnt, das verunsicherte mich am Anfang. Vor lauter Ehrfurcht kam ich mir vor wie ein Elefant im Porzellanladen. Das war schon komisch, als damals 17-Jähriger stets blank geputzte Schuhe oder Hosen mit exakter Bügelfalte vorzuweisen – eine echte Herausforderung", berichtet Leroy Henze.
Silver Teamaster in der Tea-Lounge
Der Luxus habe ihn zwar anfangs etwas abgeschreckt, aber nicht verändert. Und in Sachen Menschenkenntnis, Umgangsformen und Umgangston habe er viel dazugelernt. Im Hotel wurde er schnell anerkannt und ins Mitarbeiterteam übernommen. Inzwischen berät der heute 21-Jährige souverän und kompetent als „Silver Teamaster" bei den täglichen Afternoon Teezeremonien in der Tea-Lounge die Gäste. „Ich wollte nicht nur Barmixer oder Kellner sein, sondern mich spezialisieren. Da passte der Tee perfekt", erzählt er. Leroy Henze kniete sich in die Welt des Tees, machte eine Zusatzqualifikation bei der Firma Ronnefeld in Frankfurt am Rhein. 40 ausgewählte Teesorten serviert der junge Mann im „Regent". Eine Vielzahl von Grüntees, Oolong, Schwarztees, Früchte- oder Kräutertees. Der Gast erfährt alles über Anbaugebiete, Teelagerung, Verarbeitungsmethoden, über die ideale Wassertemperatur genauso wie über die Ziehzeiten. Erst dann kann ein Tee seinen vollen Duft, Nuancen im Geschmack und seine anregende oder beruhigende Wirkung optimal entfalten.
„Ich ertaste, erfühle und frage, was die Gäste an Hintergrundwissen mitbringen und wohin ihre Geschmacksrichtung gehen soll. „Manche wissen genau, was sie wollen. Beispielsweise den kostbaren Gyokuro. Andere lassen sich gern einen Green Dragon, einen Smoky Earl Grey oder den Masala Tee, den aromatischen Schwarztee aus England, empfehlen."
Bevor der Teamaster den Tee aufgießt, zeigt er die losen Blätter und lässt die Gäste daran riechen, um ihre Sinne anzusprechen. Mit an Leichtigkeit anmutender Eleganz gießt er den edlen Tee mittels silberner Kännchen in das Meissner Porzellan. Dadurch werde er lockerer und aromatischer, erklärt Leroy Henze. Er serviert jeden Tee nach klassisch englischer Fünf-Uhr-Manier mit einer dreistöckigen silbernen Etagere. Beispielsweise mit Scones und original Clotted Cream aus Devonshire, einem englischen Teekuchen mit Rosinen – und Schokobrownies. Wer Deftiges bevorzugt, greift statt zu Pistazienschnitte, Limetten-Passionsfrucht-Bizet oder Schokohörnchen einfach zu herzhaft-leckeren Sandwiches. Darüber hinaus gibt es ncoh zahlreiche weitere Varianten.
Die feine englische Art hat der junge Mann längst verinnerlicht. Er will mit der Zeit gehen und hat jetzt auch den japanischen Matcha-Tee in sein Repertoire aufgenommen. Mit geschickter Hand durchsiebt er das lose Pulver und schlägt es mit dem kleinen Bambusbesen in dafür vorgesehene tiefblaue Matcha-Schalen schaumig auf. Demnächst wird Leroy Henze in Sri Lanka seinen Teamaster in Gold machen. „Der Tee gibt mir Impulse, neugierig und offen und achtsam dem Leben gegenüber zu sein."
Kreativität ist dagegen bei Constantin und Robert Müller gefragt, die vor einem Jahr das Gourmet-Restaurant „mahl 2" mitten im Szeneviertel von Dresden Neustadt eröffnet haben. „mahl 2" deshalb, weil zwei Mal Müller für den Laden steht. Brüder sind die beiden nicht, auch wenn ihre gleichen Nachnamen dies vermuten lassen. Kennengelernt hatten sie sich schon als Lehrlinge bei der Kochausbildung. „Da herrschte ein rauer Ton, und manchmal flogen auch die Pfannen durch die Küche", erinnert sich Constantin Müller. Mit seinem Freund drückte er noch einmal die Schulbank beim Existenzgründerseminar. Kurz darauf flatterte der erste Auftrag in Haus.
Die beiden Müllers taten sich zusammen und gründeten zunächst einen Catering-Unternehmen. Mit 50 Grillplatten tingelten sie durch Dresden und Umgebung. Das war hart, aber der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Rasch wurden sie bekannt. Die Jungunternehmer kochten unter anderem für den Deutschen Fußballbund, Dynamo Dresden und Vodafone. „Wir waren ja erst Anfang 20, hatten keine Kohle und wohnten noch zusammen in einer billigen Wohnung. Als wir später ein Restaurant aufmachen wollten, wurden wir von allen belächelt. Macht erst mal euren Zivildienst, hieß es."
Food Sharing als Konzept
Voriges Jahr war es dann so weit. Seitdem gibt es das „mahl 2". „Es ist genau unser Ding, und es fühlt sich gut an", sagt Constantin Müller und rückt sich dabei sein Basecap auf dem Kopf zurecht. Vor ihnen betrieb hier ein Vietnamese das Lokal, damals noch mit einer Spiegelbar. An den Wänden hingen Bilder von Reisfeldern. Heute ist das Restaurant ohne großen Schnickschnack eingerichtet. Vor allem junge Menschen kommen, haben Lust auf tolles Essen, das frisch, gesund und nahrhaft ist. Essen, das keinem Zwang unterliegt, aber Stil hat. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist sogenanntes Food Sharing, erklärt Constantin Müller. Er stellt Teller, Schüsseln und Schalen auf den Tisch. Jeder kann zugreifen. Vorspeise. Königsberger Klopse auf Roter Bete mit Apfelscheiben. Kartoffelpüree mit karamellisierten Walnüssen. Geräucherter Wildreis und Sellerie. Semmelknödel. Spitzkohlrahm. Wilder Brokkoli. Als Nachspeise gibt es „Kalten Hund" und Crème brulée. Die Gäste bekommen einen Auszug aller Beilagen, können nach Belieben aus den verschiedenen Fleisch- oder Fischkomponenten wählen, zusammenstellen und untereinander austauschen. Roland Müller legt keinen Wert auf große Etikette.
Das Fleisch stammt von einem Bauernhof in Meißen. Gegrillt werden die Köstlichkeiten von Rind über Schwein bis Huhn auf einem 800-Grad-Grill. „Bei dieser hohen Temperatur karamellisiert der Eiweißzucker, der aus dem Fleisch austritt, und bildet eine leckere Kruste", schwärmt Robert Müller. Alle zehn Wochen wird ein neuer Speiseplan erstellt. „Die Magie unserer Freundschaft ist unser gemeinsamer Traum. Der Laden ist das, was wir selbst sind: Köche mit Leib und Seele. Wir sind froh, dass wir nicht mehr nur mit dem Catering durch die Gegend ziehen müssen. Jetzt kommen die Leute zu uns."
Ein weiterer Verfechter des Genusses ist Matthias Schuh. Sanft legen sich die Sonnenstrahlen auf den Meißner Klausenberg. Hier in Sörnewitz, kurz vor Meißen, liegt das Weingut Schuh, eines der kleinsten auf der Sächsischen Weinstraße. Fünf Hektar Rebfläche betreibt Matthias Schuh ausschließlich in Steillage. „Das Klima hier ist einzigartig. Deshalb sind unsere Weine auch nicht zu vergleichen mit denen aus dem Supermarkt." Die Kultivierung der steil liegenden Rebstöcke erfordert viel Handarbeit. Doch die hohe Qualität der Trauben und damit auch der Weine rechtfertigen diesen Aufwand.
„Es ist zugleich eine meditative Arbeit. Ich habe viel Zeit zum Nachdenken. Die Natur inspiriert mich, um Neues zu konzipieren", sagt Schuh, der mit vollem Herzen Winzer ist. „Der Wein ist mein Leben." Bereits in vierter Generation baut er mit seiner Schwester Katharina Pollmer Wein an, davon in zweiter Generation in Sachsen.
Vor seinem Vater hat er großen Respekt. Er kam von der Mosel und hat hier bei null angefangen. Vorher standen nur Bäume auf dem Hang, da war noch nichts bewachsen. Die Reben, an denen die Trauben für die Weine reifen, finden auf den nach Süden geneigten Terrassenlagen die besten Voraussetzungen. Matthias Schuh bricht behutsam die überschüssigen Triebe von den Rebstöcken. Er bewirtschaftet seinen Betrieb konsequent nachhaltig, verzichtet komplett auf Herbizide und verwendet ausschließlich organischen Dünger wie Pferdemist. Trester und Stielgerüste werden kompostiert, das gesunde Rebholz nach dem Schnitt gemulcht, sodass es dem natürlichen Kreislauf erhalten bleibt. Das Unkraut entfernt er auf mechanische Weise.
Matthias Schuh setzt auf Tradition
Seine Winzerlehre absolvierte Matthias Schuh in Franken, sammelte zahlreiche Erfahrungen in Neuseeland und im Bordeaux und kam schließlich zurück in seine Heimat. Der Wein ist wie so vieles der Mode unterworfen. Der junge Winzer jagt nicht den neuesten Trends hinterher. Er bleibt bei den traditionellen Sorten. „Die Weinstile sollen so bleiben, wie meine Vorfahren sie schon pflegten." Im seinem Repertoire befinden sich Weißburgunder, Grauburgunder und verschiedene Rot- und Roséweine. Letztere auch als „Rosa Schuh" bekannt. Seine Lieblingssorte ist der Müller Thurgau. Im sächsischen Anbaugebiet ist der Weinanbau Schuh der einzige Betrieb, der aus der Rebsorte Dunkelfelder einen sortenreinen, gehaltvollen und tiefroten Wein mit langem Lagerpotenzial keltert.
Der Jungunternehmer geht langsam und entspannt an sein Tagwerk. „Mit Urvertrauen. Ich will etwas erschaffen, aber mich nicht fertigmachen, nur um viel Geld zu verdienen." Sein Credo gibt ihm Recht. Matthias Schuh wurde als bester Nachwuchswinzer mit dem europäischen Jungwinzerpreis ausgezeichnet.