Vor der Bundestagswahl hieß es, mindestens 80 Prozent der Air-Berlin-Arbeitsplätze werden gerettet. Nach dem Urnengang war man da nicht mehr ganz so sicher. Nun steht weit mehr als die Hälfte der Mitarbeiter auf der Straße.
Generell gilt bei Firmenpleiten: Das, was noch verkäuflich ist, wird kapitalisiert, der Rest, sprich die Mitarbeiter, wird sozialisiert – und zwar auf dem Arbeitsamt. Kurz nach der Insolvenz von Air Berlin hieß es dagegen vollmundig, dass dies auf keinen Fall so sein wird. Wer die Flugzeuge kauft, muss sich auch um die Mitarbeiter kümmern, sprich diese übernehmen, lautete das Versprechen der Beteiligten. Bei der damaligen Fluggesellschaft arbeiteten zuletzt knapp 8.500 Männer und Frauen. Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann gab sich noch Ende August überzeugt davon, dass sich 80 Prozent seiner Mitarbeiter vor der Zukunft nicht fürchten müssen. Denn wer Flugzeuge kauft, der braucht dafür schließlich auch Personal.
Aus heutiger Sicht ist die Intention für diese Aussage klar. Winkelmann konnte nicht mitten im Bundestagswahlkampf sagen: Wir verkaufen alles, aber die Mitarbeiter müssen selbst sehen, wo sie bleiben. Immerhin war der Bund mit 150 Millionen Euro zu Hilfe geeilt, damit die Fluggesellschaft überhaupt noch bis Oktober mehr schlecht als recht ihren Flugbetrieb aufrechterhalten konnte.
Hätte man das mit den Flugzeugen und den Arbeitsplätzen ernst genommen, dann wäre vor allem die Lufthansa in der Pflicht gewesen. Sie hat immerhin 81 Flugzeuge samt Start- und Landerechte bekommen, also immerhin knapp 58 Prozent der vorhandenen Insolvenzmasse. Demnach hätten die Lufthanseaten nach den Worten Winkelmanns auch die entsprechende Zahl Mitarbeiter übernehmen müssen, also knapp 5.000 der Beschäftigten. Doch das hat die Lufthansa als größter Käufer des Pleitefliegers definitiv nicht getan, sie garantiert nach eigenen Angaben für 3.000 Arbeitsplätze. Aber selbst diese Zahl wird von der Gewerkschaft Verdi angezweifelt.
Mehr, so die Lufthansa, könne sie nicht tun. Per Kurznachrichtendienst Twitter rechnete sie vor: „Wir investieren bereits 1,5 Milliarden Euro, um 3.000 Arbeitsplätze dauerhaft in Deutschland zu erhalten, also 500.000 Euro für jeden Arbeitsplatz." Wie sich diese Summe zusammensetzt, verrät die Lufthansa zunächst nicht. Man muss allerdings kein großer Arbeitsmarktexperte sein, um zu begreifen, dass eine halbe Million Euro für den Erhalt eines Arbeitsplatzes doch reichlich hoch gegriffen ist. Und tatsächlich stellte sich raus, man hat einfach die Kaufsumme für die Flugzeuge mit den Arbeitsplätzen verrechnet. Doch da war schon längst die Idee für eine Transfergesellschaft für die übrigen, beinahe 5.000 Air-Berliner geboren, denen die Arbeitslosigkeit drohte.
Transfergesellschaft gescheitert
Solch eine Idee konnte natürlich nur aus der Berliner Staatskanzlei des rot-rot-grünen Senats in der Hauptstadt kommen, schließlich bleibt Berlin sonst auf dem Großteil der freigestellten Mitarbeiter sitzen. Konkret hatte man die Idee, die betroffenen Länder, neben Berlin auch Nordrhein-Westfalen und Bayern, den Bund, Air Berlin und die Lufthansa in die Pflicht zu nehmen. Sie sollten den nötigen 50-Millionen-Etat für die Personal-Auffanggesellschaft gemeinsam stemmen. Für die Lufthansa war das jedoch kein Thema, schließlich hatte man ja angeblich schon mehr als eine Milliarde in die besagten 3.000 Mitarbeiter investiert.
Verhaltene Reaktion kamen auch aus München, denn im bayerischen Wirtschaftsministerium beherrscht man die Grundrechenarten – das Engagement war Bayern zu teuer. Mit dem Freistaat war also auch nicht zu rechnen. Und in Nordrhein-Westfalen, durch den Air-Berlin-Standort Düsseldorf selbst erheblich betroffen, hat man ebenfalls keine großen Ambitionen, den Ausputzer für Pleite-Unternehmer zu spielen. Zwar wollte man bei Beratung und Vermittlung aushelfen, doch die sozialen Versicherungspflichten sollten doch bitte die Unternehmen übernehmen, die auch die Flugzeuge übernommen haben. Beim Bund stieß der Berliner Senat ebenso auf taube Ohren und damit war dann auch die Transfergesellschaft für die übrig gebliebenen Air-Berliner erledigt. Jetzt gibt es eine Berliner Minilösung.
Der Rest muss nun doch zum Arbeitsamt gehen. Wie lautet die alte Regel? Die Gewinne werden kapitalisiert, die Verluste auf Kosten des Steuerzahlers sozialisiert.