Der Kabarettist Frank-Markus Barwasser ist mit seinem neuen Programm „Weg von hier" unterwegs. Demnächst steht er als Erwin Pelzig in Saarbrücken auf der Bühne der Congresshalle.
Herr Barwasser, wir haben uns Ende 2013 unterhalten, als Sie bei „Neues aus der Anstalt" ausgestiegen waren und in Ihrer Satire-Talksendung „Pelzig hält sich" weiter regelmäßig im Fernsehen auftraten. 2015 haben Sie damit Schluss gemacht. Hatte diese Entscheidung auch damit zu tun, dass Sie Vater geworden sind?
Das war sicherlich ein Aspekt, wenn auch nicht der einzige. Ich hatte schon länger darüber nachgedacht, die Sendung aufzugeben, und dies möglichst zu einem Zeitpunkt, an der sie noch gut funktioniert. Aber klar, wenn du Vater wirst, willst du Zeit haben. Eine Sendung, die mit Liebe und Sorgfalt vorbereitet wird, benötigt viel Zeit. Nun nimmt unser Sohn diese Liebe und Sorgfalt in Anspruch, das erscheint mir nicht verkehrt.
Wie haben Sie sich in dieser Zeit, als Sie regelmäßig Fernsehauftritte absolvierten, gefühlt?
Es war immer eine gewisse Anspannung da. Die muss sich auch einstellen, wenn es gelingen soll, und hat mit Respekt vor der Aufgabe zu tun.
„Positiver Stress treibt dich an"
Aber nach sieben oder acht Jahren ist es nicht falsch, mal auf die Bremse zu treten, obwohl ich manchmal das beglückende Gefühl vermisse, das sich nach mancher Sendung einstellte, wenn sie gut gelungen war.
Wie sind Sie eigentlich mit dem Termindruck klargekommen? Kann das Kreativsein-müssen auch zum Stress werden?
Ja, das kann es. Aber ohne Druck geht es nicht, und es gibt ja auch positiven Stress. Der treibt dich dann an. Negativer Stress ist es dagegen, wenn dir nichts einfallen will und du doch weißt, gleich musst du wieder auf die Fernsehbühne. Diesen Erwartungsdruck auszublenden, manchmal auch die Angst, dich vor einem Millionenpublikum zu blamieren, das ist negativer Stress. Von beiden Sorten hatte ich genügend.
Sie sind mit 56 Jahren erstmals Vater geworden. Erwin Pelzig hat keine Kinder. Würden Sie ihm zu Kindern zuraten?
Ich würde niemandem zu- oder abraten. Irgendwann spürt jeder und jede, ob es sein soll oder nicht. Ich wusste glücklicherweise genau, dass es jetzt genau richtig ist. Da habe ich mir selbst sehr zugeraten! Ich würde auch nie behaupten, dass nur Kinder dem Leben einen Sinn geben. Den Sinn muss schon jeder selber erschaffen, das ist nicht die Aufgabe deines Kindes.
Ideen liegen ungenutzt im Kopf
Wie entstehen Ihre Texte? Haben Sie Ideen im Kopf, die herauswollen, oder sind Sie jemand, der bedächtig Ideen entwickelt?
Es gibt immer ein paar Ideen, die ungenutzt im Kopf herumliegen. Meine Herangehensweise ist dennoch eine eher bedächtige. Zunächst überlege ich mir immer sehr gründlich, in welchem politischen und gesellschaftlichen Kontext ich mich befinde und welche Aussagen ich dazu treffen kann. Meistens ist es ein großer Leitgedanke, der mich antreibt. Und im Laufe des Programms schweife ich von diesem Weg auch ab, finde aber immer wieder zu der Ursprungsfrage zurück. Das entbindet mich von dem Zwang, jeder Sau, die aktuell durchs Mediendorf getrieben wird, hinterherzulaufen.
Wie darf man sich die ZusammenÂarbeit mit dem Regisseur und die Probenarbeit vorstellen?
Eine Woche haben mein Regisseur Josef Rödl und ich in München geprobt. Jedesmal, wenn er mich lobte, habe ich abgewunken. Nach einer Woche meinte er dann lachend: Du machst ja doch, was Du willst. Kann sein, aber ich benötige dennoch diesen kritischen und professionellen Blick von außen. Ich befürchte aber, dass ich dabei etwas anstrengend bin.
Sie sind mit Ihrem achten Kabarett-Solo „Weg von hier" unterwegs. Der Titel weckt Assoziationen: Menschen, als Rentner verarmt, gehen weg von hier nach Bulgarien. Jugendliche gehen weg von hier in virtuelle Welten. Betrachten Sie sowohl verortetes als auch geistiges „Weg von hier"?
Genau so ist es. Es gibt viele Arten von Flucht vor der Wirklichkeit: der Rückzug ins Private, die Idealisierung irgendeiner guten alten Zeit. Letztendlich haben solche Fluchten immer mit Realitätsverweigerung zu tun. Das birgt viel komisches Potenzial.
Kommen auch Situationen oder Menschen vor, die, aus Verantwortungsgefühl oder anderen Gründen, nicht weg von hier gehen können?
Ich rufe ja in meinem Programm nicht dazu auf, weg von hier zu gehen. Und Pelzig geht ohnehin nicht. Der bleibt, denn das ist ja seine Aufgabe, sich der Realität zu stellen. Aber denken Sie mal an all die Menschen, die im Dritten Reich Widerstand geleistet haben oder versuchten, jüdische Mitmenschen zu retten. Das waren Helden. Die sind geblieben, physisch wie ethisch. Wie wenig Mut benötigt da unsereiner, zu bleiben. Und stellen Sie sich vor, die Welt stünde vor dem großen atomaren Knall und Sie hätten als einziger eine sichere Insel und könnten dorthin fliehen. Wäre es ein Vergnügen, dort zu sein? Mit Sicherheit nicht. Ich würde niemanden zurücklassen wollen.
Ist der Titel „Weg von hier" auch auf die Migrationsbewegung gemünzt?
Natürlich ist das auch ein Aspekt, aber es geht darum nicht in erster Linie. Es geht eher um die Folgen dieser globalen Migrationsbewegung, die ja erst an ihrem Anfang steht, denn schon durch die Klimaveränderungen wird der Migrationsdruck in den nächsten Jahrzehnten stark zunehmen, und es ist vollkommen lächerlich zu glauben, wir könnten das aufhalten. Was wird das mit unseren Gesellschaften, mit jedem einzelnen von uns machen?
Gefällt sich mancher Kabarettist nicht in der Rolle des moralischen Besserwissers?
Es ist erstaunlich, dass der Moral-Begriff mittlerweile zu einem Wort mit negativem Beigeschmack mutiert ist, wenn man gleichzeitig sieht, was der Begriff im Ursprung bedeutet. Das sagt eine Menge aus über uns. Aber die Rolle des Besserwissers ist keine gute Rolle, schon gar nicht, wenn sich ein Künstler in dieser Rolle über sein Publikum erhebt. Gerade Pelzig ist ja eine Figur, die Wert darauf legt, nicht alles zu wissen oder besser zu wissen. Insofern kann sich der Zuschauer mit ihm ganz gut identifizieren.
In Ihrem Programm werden Herr Dr. Göbel und Hartmut zu Gast sein. Diese Figuren werden auch von Ihnen gespielt. Wer sind die zwei?
Dr. Göbel ist ein protestantischer und hochdeutsch sprechender Bildungsbürger, der sich selbst sehr ernst nimmt. Und Hartmut ist ein Mann mit einfachen Antworten auf komplizierte Fragen, also eher schlichten Gemüts. Das ist Dr. Göbel im Grunde ja auch, er kann es aber besser verbergen.
„Trump ist nicht Ursache eines Problems"
Diese Gespräche zwischen Pelzig, Hartmut und Dr. Göbel erlauben es mir, bei vielen Themen drei unterschiedliche Sichtweisen einzunehmen. Oder von mir aus These, Antithese, Synthese. Eine Zuschauerin hat die drei mal so analysiert: Pelzig, das ungezogene Kind, das freche Fragen stellt, Dr. Göbel, die
harmoniebedürftige, gequälte Mutter, und Hartmut schließlich, der autoritäre Vater. In der Wirklichkeit würden solche Typen kaum befreundet sein. Schade eigentlich.
Sie haben vor drei Jahren in unserem Interview gesagt: „Einen gewissen aufklärerischen Anspruch sollte das, was wir machen, schon haben." Worüber möchten Sie das Publikum in „Weg von hier" aufklären?
An vielen Stellen spreche ich über Ursache und Wirkung. Trump etwa ist nicht die Ursache eines Problems, sondern seine Wirkung. Ebenso die AfD. Selbst wenn die wieder verschwände und Trump des Amtes enthoben werden würde, wären die Ursachen dafür nicht beseitigt. Oder: Was sind die Ursachen von Migration? Solche Fragen interessieren mich, und das spiegelt sich im Programm wider.
Sie haben 2015 erklärt, es sei nicht ausgeschlossen, nach einer Pause wieder neue Fernsehwege zu beschreiten. Wie steht es denn damit?
Derzeit verfolge ich keine konkreten Pläne in dieser Richtung. Ich warte mal ab, ob und was mir das Leben vor die Füße wirft. Im Augenblick liegt da ein Kind und zahnt. Die besten Ereignisse meines Lebens habe ich ohnehin Zufällen zu verdanken. Wie hat Pelzig mal gesagt: Man soll das Glück nicht suchen. Es reicht völlig, sich ihm einfach nur anzubieten.