Wer in Berlin mal etwas anders übernachten möchte, hat eine große Auswahl an besonderen Hotels: künstlerisch, nostalgisch, architektonisch gewagt oder Indoor-Camping – alles geht.
Berlin hat mehr Betten als Manhattan und mehr als München und Hamburg zusammen. Die knapp 800 Beherbergungsbetriebe, vom einfachen Hostel bis zum Luxushotel, liefern sich einen gnadenlosen Konkurrenzkampf um die weit mehr als zwölf Millionen Gäste, die jährlich nach Berlin kommen. 136.000 Betten scheinen aber immer noch nicht zu reichen, der Bauboom hält an: Deutschlands größtes Hotel, das „Estrel“ in Neukölln, plant einen 176 Meter hohen Turm mit weiteren 814 Zimmern neben dem schon bestehenden „Estrel Tower“ mit 1.125 Zimmern. Am Breitscheidplatz direkt am Bahnhof Zoo ist in den unteren 18 Stockwerken des 118 Meter hohen Upper-West-Gebäudes ein Hotel mit 582 Zimmern untergebracht. Noch sind die Preise im europäischen Vergleich moderat: Sie stiegen von zuletzt 89,90 Euro auf im Schnitt 94,20 Euro pro Übernachtung.
Wer auf einem der härtesten Hotelmärkte der Welt noch eine Chance haben will, muss etwas Außergewöhnliches bieten. So wie das „Michelberger“. Es liegt an der verkehrsreichen Warschauer Straße in Friedrichshain. In einem alten, frisch sanierten Fabrikgebäude bietet es 119 Zimmer in fünf Kategorien: den kleinen „Cosy Room“ für ein bis zwei Personen mit Blick über Berlin aus den Fenstern der Glasdusche, den „Loft Room“ für bis zu drei Gäste mit zwei Wohnebenen und Sofa auf dem Podest am Fenster, den „Band Room“ für drei bis fünf Leute und „The Big One“ für bis zu acht „Models, Handwerker oder Sängerknaben“, wie der Hotelprospekt sagt.
Für Tom Michelberger, den Gründer, sind Hotels „Inseln in einer Stadt“. Er wollte ein Hotel, wie man „sein eigenes Einfamilienhaus“ baut, mit Hochbetten, Sofaecken, Bücherregalen, gemütlichen Fensterplätzen – und Gulaschsuppe rund um die Uhr. Hier kann man 24 Stunden ein- oder auschecken, die Atmosphäre wirkt lässig und auf die spezielle Berliner Art ehrlich und offen.
„Für Models oder Sängerknaben“
Das „Arte Luise Kunsthotel“ bietet Kunstliebhabern eine Bleibe. Das denkmalgeschützte, im Jahr 1825 erbaute Stadtpalais steht nahe am ehemaligen Grenzstreifen in Mitte. Reichstag, Spree und Bahnhof Friedrichstraße liegen in Sichtweite. Anfang der 90er-Jahre ist die Gegend noch tot. Mike Buller, der Hotelchef, beginnt trotzdem, erst mal mit elf Gästezimmern im obersten Stockwerk – spartanisch mit Dusche, WC auf der Etage und Kohleheizung. Seine Idee: Jeder Raum wird individuell gestaltet. Dafür kann er ein Dutzend Künstler gewinnen, die in der stürmischen Nachwendezeit in das ziemlich heruntergekommene Haus einziehen.
„Ich wollte eine Art Pension für Künstler aufmachen“, erzählt Buller, „doch mit der Zeit wurde immer mehr daraus, denn heute liegt das ‚Arte Luise‘ mitten im umtriebigen Berliner Regierungs- und Medienviertel.“ 1999 kann er zusammen mit seinem Partner Christian Brée einen Mietvertrag für das ganze Haus über 30 Jahre abschließen, ein Neubau im Hinterhof entsteht 2003. Alle Zimmer werden immer wieder neu von einem namhaften Künstler gestaltet. Dieter Finke arbeitet mit urwüchsigem Holz, Markus Linnenbrink zaubert ein farbiges Streifenmeer auf die Wände, Dieter Mammel hat mit einem überdimensionalen Bett einen Kindheitstraum rekonstruiert und Andreas Paeslack ganz im Geiste Spitzwegs ein Zimmer so gestaltet, dass sich der Gast wie „Der arme Poet“ vorkommen muss – sogar die Nachtmütze hat er nicht vergessen, sie hängt an einem Nagel über dem Bett.
DDR-Flair Mit Sprelacart-Tisch
Die Künstler erhalten kein Honorar, sondern partizipieren am Umsatz „ihres“ Zimmers. Die Preise liegen zwischen 89 und 299 Euro. Man bekommt aber auch ein Einzelzimmer in der obersten Etage für 53 Euro. Dort liegt auch das versteckteste Zimmer, zu erreichen nur durch eine Spiegelwand: der „Raum der Spione“ mit Kameras, Perücken- und Schminkkoffer, einer Art Abhöranlage und einem Guckloch ins Treppenhaus.
Das „Ostel“ am Ostbahnhof wirbt mit dem Slogan: „Machen Sie eine Zeitreise zurück ins Ost-Berlin der 70er- und 80er-Jahre.“ Der Gast findet sich in einer original DDR-Platte wieder, in Zimmern, die mit Klassikern wie der Schrankwand „Carat“ und einem Sprelacart-Tisch ausgestattet sind. Sprelacart ist das DDR-Pendant zu Resopal, einem für Möbel verwendetem Schichtstoff. Das Logo des Hotels ist dem Logo des sozialistischen Jugendverbands Freie Deutsche Jugend (FDJ) nachempfunden. Die Gäste können zwischen einem Bett im Einzelzimmer (30 Euro) und einem Komfort-Doppelzimmer mit privatem Bad ab 42 Euro wählen. An den Wänden hängt ein Bild des Ex-DDR-Staatschefs Erich Honecker. Bezahlt wird allerdings in Euro und nicht in Ostmark.
Im „Hüttenpalast“ muss sich niemand vor Krabbeltieren oder Frost fürchten: Stadtneurotiker können in der Produktionshalle einer ehemaligen Staubsauger-Fabrik campen. Auf 200 Quadratmetern stehen für die Gäste Holzhäuschen und Campingwagen bereit, die aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren stammen und liebevoll renoviert wurden. Vor den Wagen sind jeweils ein Tisch und zwei Stühle aufgebaut, selbst im Winter kann man „draußen“ auf der Hollywoodschaukel sitzen. Da lässt sich Schrebergartenglück quasi-live erleben – und das mitten in Neukölln. Wohnwagen und Hütten kosten ab 69 Euro pro Nacht, Hotelzimmer ab 74 Euro. Mit dem „Hüttenpalast“ in der Hobrechtstraße verwirklichen sich Silke Lorenzen und Sarah Vollmer seit 2009 ihr ganz persönliches Traumschloss.
Ehemalige Gefängniszellen vermietet das Hotel „Das andere Haus VIII“. Der rote Backsteinbau war früher die Krankenstation des DDR-Gefängnisses Rummelsburg.
Hotelboot oder Gefängniszelle
Das Hotelboot „Eastern Comfort“ liegt in der Nähe der Oberbaumbrücke vor Anker. Nur ein paar Meter entfernt beginnt die international bekannte East Side Gallery. Gäste mit kleinem Budget bringen ihren eigenen Schlafsack mit und übernachten auf dem Schiffsdeck. Das Boot-Hotel hat keinen eigenen Antrieb, Nichtschwimmer, Haustiere und Kinder unter sechs Jahren dürfen aus Sicherheitsgründen nicht an Bord.
In Marzahn kann der Gast im elften Himmel schlafen: Im zehnten und elften Stockwerk eines Plattenbaus haben die Kinder des Viertels zusammen mit einer Sozialpädagogin und Künstlern aus aller Welt zwei Wohnungen zu Pensionsräumen umgebaut. Die Zimmer heißen „Ein Bett im Kornfeld“ oder „Esszimmer kleinkariert“.
Fazit: Wer in Berlin das Außergewöhnliche sucht, wird es finden – Abenteuerlust und manchmal auch ein wenig Mut gehören dazu.