Von A wie Alkohol bis Z wie Zoo: Die Ansichten und Perspektiven weichen doch oft voneinander ab, wenn die Hauptstädter auf Besucher treffen. Eine Enzyklopädie.
Berlin hat den zweifelhaften Ruf, die billigste Hauptstadt Europas zu sein. So wird es zusehends von Touristen überschwemmt. Berliner mögen die Fremden eigentlich, wenn sie nicht so laut sind, nicht öffentlich überall hin pinkeln und nicht dauernd fragen, wo die Mauer ist. Touristen wiederum wundern sich, wenn die Einheimischen grob werden, weil sie überall im Weg stehen und die Berliner anstarren, als wären sie im Zoo. FORUM hat ein kleines Berlin-Alphabet für Touristen zusammengestellt. Was ist peinlich? Was darf man und was bloß nicht? Schadet nichts, wenn das auch die Berliner lesen.
A wie Alkohol
Gibt es an jeder Ecke. Darf man überall trinken, wo es erlaubt ist. Bier ab 16, harte Sachen ab 18. In öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beispiel ist Alkohol verboten. Trinkt trotzdem jeder Zweite (besonders zum Vorglühen vor der Party), weil es keiner kontrolliert.
B wie Busfahrer
Sind tatsächlich besser als ihr Ruf, wenn Sie Kleingeld bereithalten und ihm keine Löcher in den Bauch fragen („Bin ich ein Reisebüro?“). Ein Klassiker, wenn alle wieder mal den Mittelgang blockieren: „Gehn‘se durch bitte, der Bus fährt hinten nicht woanders hin als vorne!“
C wie keine Chance
Hütchenspieler sind grundsätzlich Betrüger. Wer glaubt, gewinnen zu können, ist selbst schuld. Lassen Sie sich niemals auf ein Spiel ein.
D wie Diebe
Sieht man nicht. Sind nämlich leider ziemlich geschickt. Passen Sie auf Ihre Wertgegenstände auf und achten Sie auf Ihre Taschen.
E wie English spoken
Bleiben Sie cool, wenn Sie im Café auf Englisch angesprochen werden. Das Personal stammt aus vielen Ländern, und eine der besten Möglichkeiten, sich einen Berlin-Aufenthalt zu verdienen, ist nun mal kellnern. One double shot Espresso – geht doch.
F wie Flughafen
Berliner dürfen über die Dauerbaustelle BER Witze machen. Touristen wird das als Schadenfreude angekreidet.
G wie „Guck mal!“
Oberpeinlich. Der Berliner lässt sich durch Promis nicht beeindrucken und bleibt selbst dann cool, wenn ein Nackter in die U-Bahn einsteigt. (BVG-Kampagnen-Video „Iss mir egal!“)
H wie Hunde
In keiner Stadt gibt es mehr Hunde. Also nicht vergessen, immer wieder die Augen auf den Boden zu richten. Leinen trägt der Berliner um den Hals, der Hund läuft frei. Kann beim Joggen stören. Aber nur Jogger, der Berliner steht da drüber.
I wie Radwege ignorieren
Macht Berliner wütend. Touris sollten auf diesen Wegen weder parken, bummeln oder ihren Stadtplan entfalten – sie könnten umgefahren werden. Denn Berliner Radfahrer tun gern so, als wären sie die härtesten. Nicht jeder, der ihnen quer kommt, ist aber ein Feind. Und jedes Rad sollte eine Klingel haben.
J wie JWD
Berlin besteht nicht nur aus dem inneren S-Bahn-Ring. Rausfahren lohnt sich, in Köpenick, Reinickendorf und Spandau gibt es auch schöne Ecken.
K wie Riesen-Klappe
Hunger, Trümmer, Notversorgung – die eingemauerte Stadt hat alles überlebt. Uns kann keener! Der Berliner hat eine Riesenklappe. Und sagt direkt, was er meint. Respekt bekommt, wer auf ein grobes Wort selbst ein grobes Wort setzen kann. Dann kann er sogar herzlich werden.
L wie Lärm
Geht nicht, will der Berliner nicht, wird im Sommer zum Problem: draußen sitzen, trinken und feiern nach 22 Uhr. Berlin ist rund um die Uhr geöffnet. Da findet sich drinnen bestimmt irgendwo ein Plätzchen, wo bis zum Morgen gefeiert werden kann und Feierbiester bis in die Puppen auf ihre Kosten kommen.
M wie Motz-Verkäufer
Lästig. Neigen dazu, ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen. Spenden Sie denen was, die es kurz machen. Gebettelt wird rund um die Uhr. Wenn Sie etwas spendieren, dann denen, denen keiner was gibt.
N wie nackt baden
Ist erlaubt an abgetrennten Stränden an öffentlichen Badeseen wie Wannsee oder Müggelsee. Gibt aber woanders genug Gelegenheiten, auch wild nackt zu baden, etwa im Teufelssee.
O wie Original Berliner Mauerstück
Wer glaubt, nach 28 Jahren im Souvenirshop für 12,99 Euro noch ein Original Berliner Mauerstück erwerben zu können, ist selbst schuld. Die Mauer wurde geschreddert und als Baumaterial für die Autobahn versenkt.
Ö wie Öffentliche
Erst raus, dann rein. Falsch eingestiegen? Cool bleiben. U-und S-Bahnen fahren prinzipiell in zwei Richtungen. Also nächste Station raus und eine zurück.
P wie Pfannkuchen
Sind kugelförmig, zuckrig, mit Marmelade gefüllt. Bloß keinen Berliner bestellen. Semmeln, Wecken, Brötchen ham’ wa auch nich. Aber Schrippen.
Q wie Quartier
AirBNB ist bei Touristen beliebt. Heißt eigentlich Airbed and breakfast (also: Luftmatratze und Frühstück). Was in Berlin legal oder illegal ist, ist unklar. Eindeutig erlaubt ist Homesharing: Ich verreise und vermiete während der drei Wochen, in denen ich auf Mallorca bin, meine Wohnung. Unklar ist die Situation bei Ferienwohnungen oder kommerziellen Anbietern von Apartments.
R wie Rollkoffer
Kreuzbergs Bürgermeisterin hat sich Gummirollen gewünscht. Berliner reagieren schreckhaft auf das Rattern. Rucksäcke sollen ja wieder in sein. Und Rollkoffer kann man auch tragen.
S wie Selfies
Globale Seuche. Museen haben es bereits verboten. Schauspielernde Uniformträger oder verkleidete Comicfiguren auf dem Pariser Platz tun es nur noch für Geld. Kanzlerin Merkel nimmt (noch) nichts für ein Selfie mit ihr.
Sch wie Schwarzfahren
Schwarzfahren lohnt sich nicht. In den Öffentlichen funktioniert die Kontrolle. Die Kontrolleure heißen Achmed oder Yussuf und sind perfekt getarnt. Sonst wird in Berlin nicht viel kontrolliert.
T wie Tele-Spargel
Sagt kein Berliner zum Fernsehturm. Auch nicht Hohler Zahn zur Gedächtniskirche oder Bundeswaschmaschine zum Kanzleramt. Auch wenn es in Ihrem Reiseführer steht. Glauben Sie es nicht.
U wie Unrat oder Müll
Berliner Unart. Wo was liegt, kommt noch mehr hin. Fällt ja nicht auf. Volle Müllkübel? Macht nix, daneben ist auch noch Platz. In Kreuzberg oder Neukölln stehen ganze Wohnzimmer, Waschmaschinen und Röhrenfernseher auf der Straße.
V wie Verboten
Den Spruch: Was nicht verboten ist, ist erlaubt, kann man in Berlin getrost ergänzen: Wo keiner hinguckt, juckt auch keinen, was verboten ist: mit Drogen handeln, Müll abladen, gegen die Einbahnstraße radeln, in Kneipen rauchen ... Böse Menschen sprechen von der „Iss-mir-egal“-Hauptstadt.
W wie Weg- oder Fußbier
Grundausstattung der Feierbiester, Partygänger, Abi-Absolventen und Touris, die meinen, dazugehören zu müssen. Was früher nur Alkoholiker oder Handwerker nach Feierabend mit sich führten – die Bierflasche – hat heute selbst die aufgebrezelte Clubtusse dabei. Die leere Pfandflasche stellt sie brav neben den Papierkorb – für die Flaschensammler.
X wie X–Busse
Alle Busse, die ein X haben, fahren auf einer Expresslinie. Die Busse stoppen nicht an jeder Haltestelle, damit sie schneller ans Ziel kommen. Zwölf X-Linien hat die BVG eingerichtet. N heißt Nachtbusse, sie ersetzen die gleichnamigen U-Bahn-Linien (N1, N3, N5, N6, N8 und N9). Denn die U-Bahnen machen nachts dicht! M-Busse sind 24 Stunden im Dienst – kommen aber nachts eher selten.
Y wie Yorck-Kinogruppe
Zusammenschluss von zwölf Berliner Kinos und zwei Freiluftkinos. Größter Kinobetreiber in Berlin. Im Angebot: Große Säle und kleine Schachtelkinos. Werbeslogan: Im Yorck-Kino bist Du nie im falschen Film.
Zoo wie Verstehe nur Bahnhof
Zoologischer Garten ist ein Bahnhof, der Tiergarten ein Park und der Tierpark ein Zoo. Die Karl-Marx-Straße ist nicht die Karl-Marx-Allee, die Oranienstraße nicht die Oranienburger Straße und Friedrichshain gehört zu Kreuzberg, Friedrichsfelde aber zu Lichtenberg.