Die Hälfte der in Deutschland erzeugten Energie wird für Wärme verbraucht. Zukunftsfähige Wärmespeicher sind aber noch rar gesät. Das soll sich ändern – durch ein Start-up der Universität des Saarlandes. Die Nebuma GmbH hat einen mobilen Hochtemperatur-Wärmespeicher entwickelt.
Künftig Strom aus Sonne und Wind zu erzeugen, ist der Kern der Energiewende. Über 50 Prozent davon werden auf dem Wärmemarkt verbraucht. Während in den Haushalten der Großteil der Wärme für das Heizen benötigt wird, braucht die Industrie Wärme vorrangig für ihre Produktionsprozesse. Was liegt also näher, als den Energie-Effizienzhebel dort anzulegen, wo viel Wärme erzeugt, aber größtenteils ungenutzt an die Umwelt abgegeben wird, und dort anzubieten, wo Wärme gebraucht wird?
Das 2014 gegründete Start-up-Unternehmen Nebuma GmbH hat sich dieser Frage angenommen und einen sogenannten Hochtemperatur-Wärmespeicher entÂwickelt. Der Vorteil gegenüber bereits am Markt erhältlichen Wärmespeichern: Er kann aufgrund der eingesetzten Materialien Wärme in Höhe von Raumtemperatur bis hin zu 1.300 Grad speichern und bedarfsgerecht wieder abgeben, ob nun für Prozesswärme, Dampf, Kälteerzeugung oder Druckluft. Es könnte ein Meilenstein auf dem Weg zur erfolgreichen Energiewende sein.
Von Raumtemperatur bis zu 1.300 Grad
Die Idee klingt so genial wie einfach. In einem gut isolierten Stahlcontainer mit den Maßen 6 mal 2,50 Meter mal 2,30 Meter befinden sich etwa 15 Tonnen grobkörniges Granulat mit einem phosphatischen Bindemittel, das aus der Nanotechnologie stammt. In jahrelangen Versuchen und Tests hat Dr. Martin Schichtel dieses Material, auf Basis des am Institut für Neue Materialien (INM) der Universität erworbenen Wissens entwickelt, zum Patent angemeldet und nun in den Praxiseinsatz gebracht. Das neue Material hat ideale Eigenschaften, um Wärme schnell aufzunehmen und wieder abzugeben, ohne sich dabei zu verändern. Die Materialien stammen aus dem Recyclingprozess, sind für Mensch und Umwelt ungiftig und rund 30 Jahre verwendbar. „Der Prototyp ist bei Comet Schleifscheiben aus St. Ingbert im Einsatz. Die Abwärme aus einem Produktionsofen füllt den Wärmespeicher. Im ersten Schritt wird damit ab diesem Winter eine benachbarte Halle geheizt. Im zweiten Schritt soll der Wärmespeicher Prozesswärme liefern, spätestens im Sommer kommenden Jahres.“
Auf dem Firmengelände von Comet soll auch das grobkörnige Granulat für die Speicher hergestellt werden, mit einer Kapazität von zehn bis 15 Tonnen am Tag. Eine Halle direkt nebenan hat Nebuma bereits angemietet. Außerdem kann Nebuma die dortige Infrastruktur mitnutzen.
Wirkungsgrad über 90 Prozent
Der Wärmeverlust bei einem vollen Wärmespeicher sei äußerst gering und liefere rund acht Megawattstunden. „Ist er leer, kann er in zirka zwei Stunden bei einer Eingangstemperatur von 1.000 Grad aufgeladen werden.“ Das Abkoppeln des Speichers dauere zirka fünf Minuten, erklärt Martin Schichtel.
Der Einsatz der Hochtemperatur-Wärmespeicher ist interessant für Branchen, in denen hohe Temperaturen im Arbeitsprozess erzeugt werden wie Stahl, Keramik, Glas oder Aluminium. Davon gibt es auch im Saarland einige Unternehmen. Die vollgeladenen Speicher können im Unternehmen selbst genutzt oder auf einem Tieflader geladen weiterverkauft werden. Die Maße der Container sind für den Straßen- oder Bahntransport geeignet. „Aus ungenutzter Abwärme entwickelt sich somit ein lukratives Zusatzgeschäft mit gespeicherter Energie.“
Einsatzmöglichkeiten für mobile Wärmespeicher gibt es viele, etwa in Wohnquartieren, Sportzentren oder Industrieparks. Selbst Speichermöglichkeiten für überschüssigen Strom aus Sonne, Wind & Co. können neu gedacht werden, wenn beispielsweise die Betonfundamente von Windkraftanlagen als Speicher genutzt werden. Die ersten Kunden von Nebuma werden demnächst ihren Wärmespeicher bestellen.
An der Nebuma GmbH sind ein privater Investor, die Comet Schleifscheiben und die Saarländische Wagniskapitalgesellschaft beteiligt. Das Unternehmen beschäftigt derzeit fünf Mitarbeiter; Geschäftsführer ist Dr. Martin Schichtel. Im kommenden Jahr ist der professionelle Produktionsstart in St. Ingbert geplant. Investitionshilfen für die Produktionsanlagen, Investorengelder und günstige Kredite eventuell von der SIKB stehen zur Verfügung. Dann sollen im ersten Schritt zwei Ingenieure und drei weitere Personen eingestellt werden. Interessenten aus der Industrie und der Energiewirtschaft gebe es bereits, und die ersten Angebote seien bereits geschrieben, erklärt der Geschäftsführer.
Mindestens 20 Container sollen nächstes Jahr vom Band laufen. Von der Planung und Bestellung über die Produktion bis hin zur Auslieferung und Inbetriebnahme werden etwa fünf Monate vergehen. Alle benötigten Recyclingmaterialien zur Herstellung der mobilen Wärmespeicher stammen übrigens von saarländischen Zulieferunternehmen.
Der Übergang von einem Start-up-Unternehmen zu einem innovativen Produktionsunternehmen ist gelungen. Nebuma wird auch seinen Sitz aus dem Science-Park auf dem Campusgelände der Universität des Saarlandes nach St. Ingbert verlegen. Das sehen im Übrigen die Regeln so vor, wenn ein Start-up den Sprung in die reale Wirtschaftswelt erfolgreich geschafft hat. Nebuma hat in den drei Jahren erheblich von der Nähe zum Uni-Campus profitiert, nicht nur ideell, sondern auch finanziell durch günstige Mietkonditionen, bessere Einkaufskonditionen beispielsweise für Chemikalien und Laborgeräte oder die Nutzung der Infrastruktur. Mit den Hochschulen des Saarlandes bleibt Nebuma weiterhin verbunden, denn die anwendungsorientierte Forschung soll in den Bereichen Physik und Chemie weitergehen. Granulat 2.0 nennt Martin Schichtel seine Entwicklung. Durch weitergehende Forschung könnte in fünf Jahren das Material noch besser die Wärme speichern als heute, sagt Schichtel. Schon jetzt liegt der Wirkungsgrad bei über 90 Prozent. Außerdem tüftelt Nebuma bereits an einem weiteren wichtigen Energiethema: der Stromerzeugung aus Thermokeramik. An Ideen mangelt es also nicht, und so entpuppt sich Nebuma im Augenblick als eine lohnenswerte Investition.