Die Musiker aus Birmingham gelten als die Urväter des Gruftrock. Nach 49 Jahren an vorderster Front verabschiedet sich die Kultband nun von ihren treuen Fans mit einer allerletzten Veröffentlichung mit dem passenden Namen „The End". Ein Interview mit Black-Sabbath-Gitarrist Tony Iommi.
Mr. Iommi, „The End" erzählt die Geschichte der letzten Tour von Black Sabbath. Mit welchen Gefühlen haben Sie sich den Film angeschaut?
Das Ende ist ein bisschen traurig, wenn wir „Changes" spielen. Aber ich muss gestehen, der Film ruft in mir auch schöne Erinnerungen wach.
Im Film sagen Sie, dass es gut ist, mit Black Sabbath aufzuhören. Warum glauben Sie das?
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Und genau das tun wir jetzt. Wir haben das ja auch lange genug gemacht; eine Band lässt sich nicht ewig fortsetzen. Unser letztes Album war überall Nummer eins und unsere Abschiedstournee war fantastisch. Ich finde, das ist der perfekte Zeitpunkt, aufzuhören. Natürlich könnten wir auch weitersurfen auf dieser Erfolgswelle. Aber man darf dabei nicht sich selbst vergessen. Ich liebe es, vor Publikum zu spielen, allerdings habe ich auch ein eigenes Leben und frage mich regelmäßig, ob ich noch fit genug bin für diesen Job. Es ist nämlich sehr anstrengend, ständig um die Welt zu fliegen. Die Zeitverschiebungen, der Jetlag. Damit muss man erst mal klarkommen.
Im Film sieht man, wie Sie sich schon drei Tage nach dem finalen Gig in Birmingham wieder zu einer Studiosession treffen. Heißt das, Sie haben immer noch Lust auf Black Sabbath?
Nein, nein. Die Idee hinter dieser Session war, noch einmal Songs zusammenzuspielen, die wir auf der Bühne nicht spielen können. Weil sie zum Beispiel sehr schwer zu singen sind. Das wollten wir separat in einem Studio machen. Und zwar nur dieses eine Mal.
Geezer Butler glaubt, dass Black Sabbath noch nie so gut war wie heute. Wie sehen Sie das?
Auch ich glaube, dass wir verdammt gut zusammenspielen. Kein Wunder, es gibt uns ja auch schon sehr, sehr lange.
Was ist das Besondere an dieser Band, dass Sie Ihr 49 Jahre treu geblieben sind?
Ich habe mich bei Black Sabbath immer sehr wohl gefühlt. Wir kennen uns gegenseitig in- und auswendig. Geezer am Bass und ich an der Gitarre bilden die ideale musikalische Kombination. Das war eigentlich von Anfang an so.
Ozzy Osbourne trinkt nicht mehr und verzichtet auch auf Drogen. Welche Auswirkungen hat das auf die Musik?
Ich würde sagen, überhaupt keine. Aber es ist schon so, dass Ozzy heute viel konzentrierter und bewusster ist als früher.
Wie haben Sie persönlich 50 Jahre im Rock ‘n‘ Roll-Geschäft überlebt?
(lacht) Ich habe keine Ahnung! Am Anfang haben wir es alle übertrieben, es war ein wildes und verrücktes Leben voller Exzesse und fast ohne Schlaf. Wenn du älter wirst, ändert sich deine Einstellung und du fängst an, mit deinen Kräften hauszuhalten. Jeder, der jung ist, findet es aufregend, die Nächte durchzumachen und zwei Tage am Stück wach zu bleiben. Das funktioniert aber nicht ein Leben lang. Ich habe heute einen anderen Weg für mich gefunden.
Sie überlebten 2013 eine schwere Krebserkrankung. Wie hat das Ihre Einstellung zum Leben verändert?
Diese Erkrankung hat mich massiv verändert. Plötzlich so verletzlich zu sein, war für mich eine einschneidende Erfahrung. Ich habe nicht nur mein Denken, ich habe mein komplettes Leben geändert. Auch deswegen die Entscheidung, mit Black Sabbath zu einem Ende zu kommen. Ich muss jetzt vor allem an meine Gesundheit denken. Ich gelte zwar als geheilt, aber ich versuche trotzdem, ein geregeltes Leben ohne viele Extreme zu führen.
Ihr letztes Album „13" nahmen Sie während Ihrer Chemotherapie auf. Sie scheinen einen sehr starken Willen zu haben.
Um ganz ehrlich zu sein, ich habe damals nicht wirklich geglaubt, dass ich den Krebs überleben werde. Die Aufnahme-Sessions habe ich wie in einem Rausch erlebt. Und es hat mir geholfen. Ich konnte abschalten, indem ich mit den anderen in meinem Studio Musik machte. An Tagen, an denen ich zu schwach war, brachten mir die Jungs sehr viel Verständnis entgegen. Wir haben die Session dann einfach auf den nächsten Tag verschoben. Ich bin im Nachhinein sehr froh, dass ich das durchgezogen habe. Hätte ich die ganze Zeit nur herumgesessen, wäre ich bloß auf schlechte Gedanken gekommen. Deswegen habe ich einfach das gemacht, was ich immer mache: Musik. Und sie hat mir wirklich geholfen.
Nächstes Jahr werden Sie 70 …
Ja, vielen Dank auch!
Gibt es ein natürliches Rentenalter für Rock ‘n‘ Roller?
(lacht) Schauen Sie sich die Rolling Stones an, die sind noch älter als wir. Ich glaube, Alter spielt sich vor allem im Kopf ab. Solange du Freude an deinem Job hast, kannst du damit ewig weitermachen. Natürlich wird man mit den Jahren ruhiger und kriegt das Zipperlein, aber Musik hält einen irgendwie jung. Ich meine, ich kann immer noch spielen und an neuen Songs arbeiten. Das hat auf mich eine heilsame Wirkung.
Fällt es Ihnen leicht, für Black Sabbath zu schreiben?
Es ist das, was ich ein Leben lang getan habe. Keine Ahnung, ob es leicht oder schwer ist. Ich habe jedenfalls nie Probleme damit gehabt. Ich spiele Gitarre und schreibe Songs.
War die finale Show in Birmingham anders als die anderen Shows Ihrer Abschiedstournee?
Eigentlich waren alle Shows der Tour fantastisch, egal, wo wir spielten. Aber Birmingham war wirklich ein Ereignis. Denn es war ja wirklich unsere letzte Show! Aus und vorbei. Schön, dass wir sie in unserem Heimatort spielen konnten, wo alles angefangen hat. Ansonsten hätte es sicher viele Kommentare gegeben. Damit schließt sich für uns ein Kreis.
Wie hat Birmingham Sie geprägt?
Nun, wir kommen aus einer ziemlich rauen Ecke. In Birmingham gab es immer irgendwelche Schlägereien. Eine Industriestadt ist keine besonders schöne Umgebung für Heranwachsende. Wir arbeiteten anfangs alle in Fabriken. Mit diesen Jobs hielten wir uns eine Zeit lang über Wasser. Ich glaube, diese Situation hatte einen nicht unwesentlichen Einfluss auf unsere Musik, die eine sehr starke Kraft war. Unser Ziel war immer, dort wegzukommen. Deswegen machten wir überhaupt Musik. Ich wollte nie etwas anderes und habe auch nie an irgendetwas anderes gedacht.
Wann haben Sie Ihren ureigenen Stil entwickelt?
Das passierte schon vor Black Sabbath. Nachdem ich mir in der Fabrik die Fingerkuppen abgesägt hatte, begann ich, auf eine völlig neue Art zu spielen. Es blieb mir ja auch gar nichts anderes übrig. Durch die Amputation konnte ich nicht mehr so spielen wie alle anderen. Dieser Unfall veränderte alles, er brachte einen völlig neuen Sound hervor. Aber es brauchte seine Zeit, bis ich wieder soweit war, Musik machen zu können.
Können Sie verstehen, weshalb heute so viele Bands von Black Sabbath beeinflusst sind?
Zuerst einmal ist es großartig und eine Ehre, von so vielen Bands als Inspirationsquelle genannt zu werden. Als ich jung war und noch zur Schule ging, sagten mir meine Lehrer immer, ich sei zu nichts gut. Zum Glück war ich mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet und konzentrierte mich auf die Musik statt auf den Unterricht. Aber wir mussten lange kämpfen, um da hinzukommen, wo wir heute sind. Als wir starteten, gab es keine Musik, die vergleichbar ist mit Black Sabbath. Wir kommen aus dem Zeitalter des Soul und Pop. Was glauben Sie, wie schwer es da war, die Leute von uns zu überzeugen!
Aufgeben und etwas ganz anderes machen war nie eine Option für Sie?
Nein, die Ablehnung hat uns sogar noch stärker gemacht. Wir sind schließlich in Birmingham aufgewachsen! Unsere Musik ist ehrlich, rau und technisch nicht brillant, aber sie reißt die Menschen mit. Weil sie aufregend ist.
Stimmt es, dass die britische Presse Black Sabbath anfangs gehasst hat?
Das ist wahr. Sie mochten uns überhaupt nicht. Weil sie uns nicht verstanden hatten. Zum Glück änderte sich das mit der Zeit.
Ein Antikriegssong wie „War Pigs" ist heute aktueller denn je. Haben Sie das damals schon geahnt?
Absolut! Dieser Song wird nie aus der Mode kommen. Er war die ganzen Jahrzehnte über relevant. Leider, muss man auch sagen. Denn es wird immer Kriege geben.
Black Sabbath haben sogar Songs über den Klimawandel geschrieben, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Wie kam es dazu?
Das haben wir Geezer Butler zu verdanken, einem extrem brillanten Texter mit ausgeprägtem Sinn für außergewöhnliche Themen. Während ich bei Black Sabbath immer für die Musik zuständig war.
Der Song „Black Sabbath" war von Ihnen eigentlich als Warnung vor Satanisten gedacht. Nichtsdestotrotz stempelte man Sie als Teufelsanbeter ab. Fühlten Sie sich anfangs missverstanden?
Oh ja. Es dauerte eine ganze Weile, bis man kapiert hatte, worum es in dem Song wirklich geht. Auf dem Cover unseres ersten Albums ist ein auf den Kopf gestelltes Kreuz abgebildet. Und dann auch noch dieser Bandname: Black Sabbath! Für die Leute waren wir ganz klar Satanisten. Dabei hätten sie sich nur einmal unsere Texte richtig anhören müssen.
Gene Simmons von Kiss behauptet, Rock ‘n‘ Roll sei längst tot. Schuld daran sei das Filesharing, was zu einem Wertverlust von Musik geführt habe. Wie denken Sie darüber?
So denke ich überhaupt nicht. Der Rock ‘n‘ Roll ist heute Big Business. Er kann mithalten mit den größten Konzernen. Man muss sich nur einmal den Erfolg von Bands wie Guns ’n’ Roses, Iron Maiden oder Metallica ansehen. Die spielen gigantische Shows, auch wir haben dies getan.
In jedem Ende liegt auch ein neuer Anfang. Haben Sie bereits Zukunftspläne?
Noch nicht, ich bin immer noch mit dem Ende von Black Sabbath beschäftigt. Ich werde mir erst dann Gedanken über die Zukunft machen können, wenn in mein Leben wieder mehr Ruhe eingekehrt ist.
Wird „The End Of The End" wirklich das letzte Lebenszeichen von Black Sabbath sein?
Ich habe keine Ahnung. Diese DVD ist erst einmal das Ende vom Ende. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Ich könnte niemals steif und fest behaupten, dass wir nie wieder zusammenspielen werden. Ich vermute jedoch, wir werden es nicht tun. Aber man weiß es nie.
Wäre eine neue Inkarnation von Black Sabbath eine Option?
Ich glaube nicht. Ich werde aber sicher nicht aufhören, Gitarre zu spielen und ab und zu live aufzutreten. Man muss ja irgendwas machen. In welcher Form das passieren wird, kann ich noch nicht sagen. Mein Leben bleibt auf jeden Fall spannend – auch ohne Black Sabbath. Ich bin und bleibe ein kreativer Mensch.