Seit zwei Jahren gibt es Wingly in Deutschland. Auf der Webseite des Start-up-Unternehmens inserieren Piloten, welche Strecken sie wann fliegen – wer mitfliegen will, kann über das System seinen Platz im Privatjet buchen. Eine Art Mitfahrzentrale für den Luftverkehr. Das Konzept kommt gut an.
er Traum vom Fliegen: Er war bislang vor allem auch eine Frage des Portemonnaies. Im Privatjet um die Welt zu fliegen, konnten sich bis vor Kurzem nur Reiche leisten. Wingly will das ändern und Ausflüge über den Wolken für jedermann erschwinglich machen. „Unser Ziel ist nichts weniger als die Demokratisierung der privaten Luftfahrt", sagt Mitgründer Lars Klein. Seit knapp zwei Jahren gibt es das Start-up-Unternehmen, das sich als Mitflugzentrale versteht – in Anlehnung an die Mitfahrzentralen auf der Straße. Das Prinzip ist das gleiche: Auf der Wingly-Webseite inserieren private Piloten, welche Strecken sie wann fliegen – wer mitfliegen will, kann über das System seinen Platz im Privatjet buchen. „Wir sind selbst begeisterte Flieger und Mitflieger und möchten auch andere Menschen für diese faszinierende Erfahrung begeistern", sagt Lars Klein. Rundflüge und Streckenflüge sind dabei ebenso möglich wie ganze Wochenendtrips an die Ostsee, nach Prag oder an den Bodensee.
Das Konzept kommt an. Nach nur zwei Jahren hat Wingly bereits über 100.000 Mitglieder. Über 35.000 Flüge werden jedes Jahr vermittelt, 7.000 Piloten haben sich dafür auf der Seite registrieren lassen. „Wir sind die größte Gemeinschaft von Luftfahrtenthusiasten in Deutschland", sagt Lars Klein. Einer der Piloten ist Sebastian Thiele aus Berlin. Der 28-Jährige ist seit Oktober 2016 dabei und meint zum Erfolg von Wingly: „Es ist eine Win-win-Situation, bei der alle Beteiligten profitieren." Die Piloten, die dadurch einen Teil ihrer Kosten umlegen können. Die Passagiere, für die der Flug mit einer Privatperson weniger kostet als bei einem kommerziellen Anbieter. Und selbstverständlich auch das Unternehmen selbst, das für jeden vermittelten Flug eine Gebühr von den Kunden kassiert. Dagegen müssen die Piloten für die Vermittlung kein Geld an Wingly bezahlen.
Sebastian Thiele geht seit 14 Jahren in die Luft. Als Jugendlicher saß er das erste Mal in einem Segelflieger, später stieg er auf Motorsegler und schließlich auf Motorflieger um. Mittlerweile hat er auch beruflich mit Flugzeugen zu tun; als Luftfahrtingenieur konstruiert er Bauteile für kleinere Maschinen. Allerdings ist Fliegen kein ganz billiges Hobby: Um ihren Pilotenschein zu erhalten, müssen Piloten pro Jahr mindestens zwölf Flugstunden absolvieren. Meist fliegen sie mit gecharterten Maschinen – ein Flug kostet Sebastian Thiele dabei je nach Maschine um die 200 Euro. Dank Wingly kann er inzwischen bis zu 75 Prozent dieser Kosten einsparen. Für gemietete Flugzeuge können die Kosten für Charter, Treibstoff und Flughafengebühren umgelegt werden. Bei eigenen Maschinen entfallen entsprechend die Mietkosten. Dabei ist es den Piloten nicht möglich, die vollen Flugkosten auf Passagiere umzulegen, es verbleibt immer ein Eigenanteil. „Alles andere würde unserer Gemeinschaftsethik widersprechen", erklärt Wingly-Mitgründer Lars Klein. Wenn am Ende Plätze frei bleiben, dürfen die Flugpreise auch nicht im Nachhinein erhöht werden, um die Kosten zu decken. So haben die Passagiere die Sicherheit, dass sich der Sitzplatzpreis nach der Buchung nicht mehr ändert.
Nicht billig, aber einzigartig
Laut europäischem Recht ist es für Privatpiloten illegal, einen kommerziellen Profit aus ihren Flügen zu ziehen. Dagegen ist die Kostenteilung von Zivilflügen eindeutig legal – das haben sowohl die Europäische Agentur für Flugsicherheit als auch das Luftfahrtbundesamt und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mehrfach bestätigt. Voraussetzung ist, dass die dafür verwendeten Flugzeuge eine maximale Kapazität von sechs Personen an Bord nicht überschreiten, den Piloten mit eingeschlossen. In einem Schreiben des Luftfahrtbundesamtes heißt es dazu: „Im Übrigen ist es unerheblich, welche Personen auf Kostenteilungsbasis mitfliegen, insbesondere ob eine persönliche Nähebeziehung zwischen dem Piloten und den Passagieren besteht oder nicht. Auch der Umstand, dass für diese Flüge aktiv Werbung auf speziellen Portalen gemacht wird, ist irrelevant, denn hierdurch wird er nicht zwingend zu einem gewerbsmäßigen Betrieb. Entscheidend ist, dass auf den Internetseiten eindeutig offengelegt wird, dass hier Privatpersonen tätig werden und offensichtlich ist, dass es sich um eine Art Mitfahrzentrale ähnlich wie im Straßenverkehr handelt."
Während des Flugs erläutert Sebastian Thiele seinen Gästen ausführlich, worauf es beim Fliegen ankommt. An diesem Tag führt die Route vom Flugplatz in Strausberg östlich von Berlin über die Hauptstadt. Am Boden tauchen die Internationale Gartenausstellung (IGA) auf, der Fernsehturm, das Berliner Olympiastadion und das Schloss Charlottenburg – große Sehenswürdigkeiten ausnahmsweise einmal im Miniaturformat. „Aus der Luft sieht man die Welt mit anderen Augen", meint Thiele. Wingly-Mitgründer Lars Klein sagt: „Privatpiloten teilen nicht nur die freien Sitze und Kosten, sondern auch ihre Passion." Nicht immer sind die Flüge wirklich günstiger als die Reise mit Bus oder Bahn oder einem der großen Luftfahrtunternehmen. Dafür ist das Erlebnis einzigartig. Zwar kennen viele Menschen das Fliegen mit großen Linienmaschinen, aber Flüge in kleinen, einmotorigen Flugzeugen sind für die meisten trotzdem ein echtes Abenteuer.
Als Alternative zu Auto, Bus und Bahn taugen die Wingly-Flüge aber ohnehin nur bedingt. Private Flüge können aus Sicherheitsgründen wetterbedingt kurzfristig ausfallen, wobei das Geld in solchen Fällen zurückerstattet wird. Die Sicherheit spielt eine große Rolle bei Wingly. Alle Piloten müssen ihre Lizenz, das medizinische Tauglichkeitszeugnis sowie die geleisteten Flugstunden validieren; jeder Nutzer (Piloten und Passagiere) muss sich mit Anschrift und Telefonnummer identifizieren. Ohne diese Informationen ist es nicht möglich, einen Flug anzubieten oder an einem solchen teilzunehmen. Die Piloten versichern zudem, dass ihre Flugzeuge über eine ausreichende Haftpflichtversicherung verfügen, die mögliche Ansprüche von Wingly-Passagieren abdeckt. Das Unternehmen hat darüber hinaus zusammen mit einem Versicherungsmakler für Luftfahrt eine zusätzliche und kostenlose Versicherung entwickelt, die dann einspringen würde, wenn die bestehende obligatorische Versicherung des Kleinflugzeugs nicht ausreichend sein sollte. „Bislang gab es keinen Zwischenfall auf einem unserer Flüge", betont Lars Klein.
Als die Firma Uber vor einigen Jahren ein Programm auf den Markt brachte, das private Fahrer mit ihren Pkw an beförderungswillige Kunden vermittelt, gab es massive Kritik vonseiten der Taxibranche. Das Prinzip von Wingly ist auf den ersten Blick zwar dem von Uber sehr ähnlich, doch die besonderen Strukturen im Flugverkehr sorgen dafür, dass kommerzielle Anbieter weniger leiden als im Straßenverkehr. Wegen der hohen Betriebskosten befinden sich nur die wenigsten Kleinflugzeuge in Privatbesitz; die meisten gehören Flugschulen und werden von dort nur für den Flug angemietet. Die Möglichkeit der Kostenteilung hat nun dafür gesorgt, dass viele Piloten dank Wingly häufiger als früher abheben. „Somit profitieren nicht nur die Gäste und Piloten, sondern auch die ansässigen Flugschulen, Vereine und Flugplätze", sagt Mitgründer Lars Klein.