Vom Betonklotz-Rohbau zum kulturellen Highlight: Kulturminister Ulrich Commerçon stand vor einer verkorksten Situation. Was daraus geworden ist, kann sich sehen lassen, sagt er kurz vor der offiziellen Eröffnung.
Herr Commerçon, der Museumsneubau war für Sie seit Amtsantritt vor mehr als fünf Jahren eine der zentralen Herausforderungen. Die Eröffnung können Sie erst zu Beginn Ihrer zweiten Amtszeit feiern. Was waren die größten Probleme?
Wir hatten keinen Vorstand, kein taugliches Gesetz, keine Architekten, keine fertigen Planungen, aber einen Klotz, einen Rohbau da stehen, mit dem wir irgendetwas anfangen mussten. Ich will nicht sagen, dass es nur Aufräumarbeiten waren, es waren auch Aufbauarbeiten. Das Schwierigste war sicherlich, auf der einen Seite die Vorgeschichte aufzuarbeiten, und auf der anderen Seite ein neues Projekt aufzusetzen und das auch der Öffentlichkeit zu vermitteln.
Hat das, was wir jetzt erhalten werden, noch irgendetwas mit dem zu tun, was ursprünglich geplant war?
Von der Grundkonzeption ist es eine völlig neue Ausrichtung. Ein paar Dinge waren nicht mehr veränderbar: der Standort und der Kubus. Das war schon schwierig genug, aber das Wichtigste war, der Öffentlichkeit noch mal Grundvertrauen in Politik zu geben nach einem solchen Skandal, dass Politik handlungsfähig ist, dass man glauben kann, was Politiker so erzählen. Das ging nur durch sehr präzise kleinteilige Planung und Transparenz. Da gab es drei Eckpunkte, die einzuhalten waren. Das eine war der Zeitplan. Wir haben gesagt, 2017 wird eröffnet, es wird jetzt eröffnet. Das Zweite waren die Kosten. Das Projekt ist mal im Kabinett als Museum für neun Millionen angekündigt worden. Jeder weiß, dass man dafür kein Museum mit Mindeststandards bauen kann. Als ich das Amt übernommen habe, hat der Rechnungshof schon von 30 Millionen gesprochen – ohne Fassade und Umfeldgestaltung. Und das Dritte war, dass es nicht zur städtebaulichen Katastrophe wird.
Am Ende ein Museum für unter 40 Millionen?
Ja, es bleibt bei den 39 Millionen, von denen ich gesprochen habe. Ich habe gesagt, wir brauchen 30 Millionen für die Fertigstellung des eigentlichen Kubus, zwei Millionen für die Fassade und zusätzlich einen Betrag für die Umfeldgestaltung, städtebauliche Anbindung. Und wir haben damit auch die ganzen Rechtskosten mit drin.
Gleich zwei Untersuchungsausschüsse im Landtag haben sich über die Jahre mit dem Projekt beschäftigt. Ist damit jetzt alles abgeräumt?
Das Spannende an diesem Museum ist, dass die Geschichte, sowohl das Skandalöse als auch die positive Wendung, im wahrsten Sinn des Wortes in die Außenhaut eingeschrieben ist. Es wird also das Museum immer begleiten, weil ja eine der Landtagsdebatten, die sich damit beschäftigt haben, Teil des Kunstwerks von Michael Riedel ist, sowohl auf der Fassade als auch auf dem Vorplatz und dem Umfeld eingeritzt ist. Das hat auch etwas mit Transparenz zu tun. Es hätte gar keinen Zweck gehabt, das alles zu verschleiern. Wir haben das sogar zur Stärke gemacht. Ein mutiger, sehr umstrittener, aber aus meiner Sicht völlig richtiger Schritt. Denn die Verschleierung, die vorher stattgefunden hatte, war das eigentliche Hauptproblem.
Wie haben Sie die Reaktionen auf diesen Vorschlag, die ganze Geschichte sozusagen zu verewigen, wahrgenommen?
Ich fange mal bei den Anwohnern an, die die ganze Zeit die Hauptlast zu tragen hatten. Für die war es ein ganz notwendiger Schritt, die Dinge nicht zu verstecken und unter den Teppich zu kehren. In der Kunstwelt ist es von Anfang an als grandiose Idee wahrgenommen worden. Natürlich waren die, die am politischen Prozess beteiligt waren, am skeptischsten der Idee gegenüber. Ich finde es ein gutes Zeichen für die Selbstkorrekturmechanismen in einer Demokratie, dass es möglich ist, Fehler zu erkennen, Fehler zu beheben, was voraussetzt, dass man alle Fakten auf den Tisch legt.
Also das Museum selbst als Mahnmal?
Ich würde nicht von Mahnmal, sondern von Denkmal sprechen. Ob man immer unbedingt mahnen muss, ich weiß nicht, aber denken sollte man auf jeden Fall immer. Man hätte auch irgendeinen Kunsttext nehmen können. Aber das Problem bei diesem Museum war ja nicht die Kunst. Das Problem war, dass man parlamentarische Kontrolle nicht ernst genug genommen hat. Dadurch, dass das Parlament sich sein Recht wieder zurückerkämpft hat, wofür die Untersuchungsausschüsse, aber auch die Parlamentsdebatten stehen, hatte man das Ganze erst wieder retten können.
Die Erfahrungen mit dem Neubau großer Kulturhäuser ähneln sich, was die Kostenexplosion betrifft. Beispiel Elbphilharmonie, von der am Schluss aber alle restlos begeistert scheinen. Hat Saarbrücken jetzt so etwas wie eine kleine Elbphilharmonie?
Nun gut, bei der Elbphilharmonie geht es um ganz andere Dimensionen, ganz andere Beträge und ganz andere Kostensteigerungen. Aber ich bin ganz sicher, und das haben wir ja bei der Leereröffnung im Frühjahr schon gesehen: Das Museum ist, obwohl noch keine Kunst ausgestellt war, von der Öffentlichkeit wieder in Beschlag genommen. Es gibt ein hohes Interesse, auch völlig zu Recht. Denn was das Museum zu bieten hat, kann sich im internationalen Vergleich absolut sehen lassen. Jetzt geht es darum, den Saarländerinnen und Saarländern ihr Saarlandmuseum wieder zurückzugeben, und ich glaube, am Schluss werden alle stolz sein, was wir an Kunstschätzen hier zu präsentieren haben.
In Metz gibt es das Centre Pompidou, in Luxemburg das Mudam, jetzt in Saarbrücken die Neueröffnung. Ziemlich viel Konkurrenz auf relativ kleinem Raum oder doch eher bereichernde Ergänzung?
Wir haben wunderbare Museen in der Großregion. Was uns aber auszeichnet gegenüber diesen beiden Häusern ist, dass wir eine große eigene Sammlung haben. Wir hatten ja die Möglichkeit und das Glück, unsere Sammlung auch in Metz zeigen zu können, mal anders eingekleidet, in französischer Sichtweise. Und ich denke, das ist ein deutlicher Hinweis, dass es für die gesamte Großregion eine Bereicherung ist. Insofern wird man sich untereinander befruchten können, es sind aber auch unterschiedliche Konzepte, die jeweils dahinter stehen. Ich sehe keine Konkurrenz untereinander, sondern ein zusätzliches Highlight.
Mit welchen Erwartungen wird das Museum nun starten, jenseits von quantitativen Spekulationen über Besucherzahlen?
Ich wünsche dem Museum natürlich schon viele Besucherinnen und Besucher, denn sonst bräuchten wir es ja nicht zu machen. Wir müssen ja auch legitimieren, dass öffentliche Mittel in nicht unerheblichem Umfang dafür verwendet worden sind. Das andere ist die grundsätzliche Frage: Was kann Kunst beitragen? Ich bin der Überzeugung, Kunst wie Kultur überhaupt ist die Ausdrucksform, dass wir unser Umfeld, unsere gesellschaftlichen Zusammenhänge reflektieren. Wir erwarten eine große Bandbreite ästhetischer Schönheit, die auch ihren eigenen Wert hat, aber eben auch einen Beitrag zu den aktuellen Themen unserer Zeit. Das Thema Demokratie und Kultur ist in diesem Haus in besonderer Weise zu erkennen, insbesondere auch in Verbindung mit anderen Kultureinrichtungen. Ich bin der Ansicht, dass Kulturschaffende in unserem Land auch immer in der Verpflichtung sind, gesellschaftspolitisch zu reflektieren und uns den Spiegel vorzuhalten.