Die Saar-Linke ist seit geraumer Zeit in heftigen internen Querelen verheddert. Die Vorsitzende Astrid Schramm will nach vier Jahren nicht erneut antreten. Sie fordert einen kompletten Neuanfang und strukturelle Veränderungen.
Frau Schramm, bei den internen Auseinandersetzungen bei den Saar-Linken geht es ja nicht um inhaltliche Flügelkämpfe, sondern um persönliche Machtkämpfe. Warum ist das so?
Ich glaube, dass wir viele Mitglieder haben, die in die Partei eingetreten sind, um politische Arbeit zu machen. Das sieht man ja auch an der Entwicklung der letzten Jahre, in denen wir vieles aufgebaut haben. Aber es gibt eben auch Mitglieder, die nicht durch politische Arbeit auffallen, aber dafür Schiedsverfahren anstreben, andere verunglimpfen oder rücksichtslos um den persönlichen Vorteil kämpfen. Das kann man natürlich so nicht akzeptieren.
Von jungen Parteien kennt man solche persönlich ausgetragenen Machtkämpfe. Aber so jung ist die Linke ja gar nicht mehr.
Die Linke im Saarland ist jetzt zehn Jahre alt. Ich bin auch stolz darauf, vor zehn Jahren eingetreten zu sein, weil wir die Partei sind, die gegen den Niedriglohnsektor, gegen die Leiharbeit kämpft. Wir haben viele Punkte, wo ich sage, dass ich bei der Linken richtig vertreten bin. Und das sollte eigentlich für jedes Mitglied am wichtigsten sein, dass wir wissen: Es gibt eine Partei, die wirklich Politik verändern will. Im Moment hängt es daran, dass einige in der Partei dieses Ziel nicht mehr vor Augen haben. Es geht um persönlichen Vorteil und um Mandate. Wenn dann Mitglieder nur dafür geworben werden, aber ansonsten gar nichts mit der Arbeit der Partei zu tun haben wollen, ist das nicht hinnehmbar.
Dahinter steht ja die Diskussion, dass Mitglieder kurz vor Versammlungen zur Unterstützung bei Abstimmungen geworben werden. Deshalb soll das Prinzip der Mitgliederversammlung durch ein Delegiertenprinzip ersetzt werden. Kritiker fürchten, dass damit Basisnähe aufgegeben wird.
Gerade die Basis will künftig sicher sein, dass sich nicht der Kandidat, der das meiste Geld hat und sich Stimmen in irgendeiner Form kaufen kann, durchsetzt. Gerade im Sinne der Basis wäre es, wenn nicht Busladungen von Menschen über unsere Kandidaten entscheiden, die nur für die Wahlversammlung Mitglied geworden sind und danach nicht mehr auftauchen und keine Beiträge mehr bezahlen. Es muss so sein, dass die Ortsverbände, also die Basis, über ihre Delegierten entscheiden. Und die entscheiden dann über die Listen für Landtags- oder Bundestagswahlen.
Dieser Streit begleitet die Linke schon länger. Warum war das nicht zu klären?
Wir hatten schon 2013 (Anm. d. Red.: bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl) das Problem, dass Wahlmanipulation im Raume stand. Das war übrigens für mich mit ein Grund für meine Bereitschaft, im Vorstand mitzuarbeiten und mich dafür einzusetzen, dass das alles aufgeklärt wird und nicht mehr vorkommen kann. Leider haben wir dies in den vergangenen vier Jahren nicht geschafft, auch weil einzelne Vorstandsmitglieder, die im Zentrum der Vorwürfe standen und stehen, nicht zu einer Aufklärung und einer Veränderung bereit waren. Ich bin der Meinung, dass zu oft und zu lange Dinge unter den Tisch gekehrt worden sind. Es gibt viele Mitglieder, die wollen, dass das jetzt alles aufgeklärt wird. Und ich bin nicht mehr bereit, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die weiter eine Aufarbeitung verhindern wollen und mit denen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich ist. Die Landeswahlleiterin hatte ja auch darauf hingewiesen, dass sie große Probleme hat mit der Anerkennung der Liste, weil sie Manipulationen für wahrscheinlich hält. Das darf nicht einfach folgenlos bleiben.
Wie sehen Sie selbst die vier Jahre als Landesvorsitzende?
Ich war ja von Anfang an dabei und habe damit etwas erlebt, was nicht jeder erleben kann: den kompletten Aufbau einer neuen Partei. Dafür bin ich dankbar. Auch für die vier Jahre als Vorsitzende. Ein Ziel war damals, dass wir einen Jugendverband wieder aufbauen. Da habe ich mich sehr engagiert, das läuft hervorragend. Wir haben jetzt auch entsprechend einen jungen, engagierten Abgeordneten in der Fraktion. Aber es gab auch viele menschliche Enttäuschungen. Ich habe Menschen vertraut und musste dann feststellen, dass ich hintergangen worden bin. Auch deshalb habe ich jetzt gesagt: Wenn es nicht einen kompletten Neubeginn gibt, stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Es gibt Personen wie Thomas Lutze, der angekündigt hat, dass er erneut als Landesschatzmeister antreten will. In einem solchen Vorstand will ich dann nicht mehr mitarbeiten.
Im Landtag hat die Linke die Rolle der Oppositionsführerschaft gegen die Große Koalition. Die Partei selbst ist in einer Zerreißprobe. Wie soll die heil bestanden werden?
Im Landtag machen wir mit dem Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine an der Spitze weiter linke Politik im Sinne der Arbeitnehmer, Arbeitslosen und Rentner und stellen die Regierung dort, wo sie patzt, schläft oder Fehler macht. Der Landesverband der Partei braucht einen Neuanfang. Es wäre fatal, wenn es einen Vorstand gäbe, der keine politische Arbeit macht und ein Austausch von Personen nicht stattfinden würde. Es muss ein Vorstand sein, in dem es eine gewisse Vertrauensbasis gibt und der ehrlich die Manipulationsvorwürfe aufarbeitet und Konsequenzen daraus zieht. Und der verhindert, dass etwa der Jugendverband abgewürgt wird, wie das einige aus Rachegefühlen und Angst vor Konkurrenz heraus jetzt vorhaben.
Neue Köpfe für neues Jahrzehnt
Statt Geburtstagfeier steht die Saar-Linke vor einem Neuanfang. Ein neuer Vorstand soll die Dauerkonflikte in den Griff bekommen.
Zehn Jahre nach ihrer Gründung stehen die Saar-Linken einmal mehr vor einem Parteitag, der turbulent werden dürfte. Zumindest lassen das die Ereignisse der vergangenen Wochen erwarten. Parteiausschlussverfahren laufen, Gerichte werden mit internen Vorgängen befasst, die Vorsitzende kündigt nach vier Jahren ihren Rückzug an. Professionelle Geschlossenheit und politische Schlagkraft sieht anders aus.
Man wähnt sich unwillkürlich an das Jahr 2013 erinnert, als der innerparteiliche Zustand unübersehbar geworden war. Um die Kandidatenliste für die Bundestagswahl aufzustellen, musste ein Parteitag wiederholt werden. Im Kampf um die Listenplätze verhärteten sich die Lager zur Unversöhnlichkeit. Schon damals machten Gerüchte um manipulierte Wahlen und erkaufte Parteieintritte die Runde.
Vier Jahre später, im Mai dieses Jahres, stellt Die Linke erneut ihre Liste zur Bundestagswahl auf. Und wieder gibt es Anfechtungen, die Landeswahlleiterin hat zwar „erhebliche Bedenken“, lässt die Liste dennoch zu. In beiden Fällen steht Thomas Lutze auf Platz eins der Landesliste und im Zentrum der Kritik. „Ich fürchte, dass das die Spaltung der Partei zur Folge haben wird“, wird der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Schneider zitiert. In der Tat hat die innerparteiliche Auseinandersetzung zuletzt an Schärfe drastisch zugenommen. Mit klassischen Flügelkämpfen oder internem Richtungsstreit hat das herzlich wenig zu tun, dafür viel mit Hinterhältigkeiten und Intrigen, wobei oft schwer fällt, einen Überblick im Gewirr der Vorwürfe und Anschuldigungen zu bekommen.
Zehn Jahre nach der Gründung des Landesverbandes steht die Saar-Linke vor einem Parteitag, der nicht weniger leisten muss, als einen Ausweg aus nun seit Jahren verfahren-festgefahrenen Situation zu finden, einen Schlussstrich unter den Dauerkonflikt zu ziehen und der Rolle als derzeit führender Opposition gerecht zu werden. Die erste Bewährungsprobe für den neuen Vorstand sind die Kommunalwahlen 2019.
Als Kandidat für die Schramm-Nachfolge an der Parteispitze hat sich der Landtagsabgeordnete Jochen Flackus zuletzt noch zurückgehalten. Er ist nicht der Parteisoldat, der sich vom sprichwörtlichen Schriftführer im Ortsverband bis in den Landtag durchgearbeitet hat. Gerade deshalb ist er auch nicht in den internen Konfliktlinien verfangen. Als ehemaliger Regierungssprecher ist er langjähriger Vertrauter von Oskar Lafontaine, politikerfahren und in gewisser Weise zugleich Quereinsteiger, war die Jahre vor seinem Landtagseinzug kaufmännischer Geschäftsführer beim ZeMa (Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik).
Klar ist nach den Erfahrungen von Astrid Schramm (s. Interview), dass bloß ein neuer Kopf an der Spitze die Partei allein nicht beruhigen kann. Es braucht ein Team, das von der Spitze aus neues Vertrauen aufbaut. Das zusammenzustellen und dem Parteitag überzeugend zu präsentieren, ist alleine schon eine Herausforderung. Der Partei neue, weniger manipulationsanfällige Strukturen zu geben, ist überfällig. Die eskalierenden Dauerquerelen in den Griff zu bekommen, wird erst mal eine Sisyphos-Arbeit, die Nerven und Durchsetzungsfähigkeit braucht.