Saudi-Arabiens Kronprinz sucht die Konfrontation mit dem Iran.
Lange Jahre galt Saudi-Arabien als ein Stabilitätsanker im unruhigen Nahen Osten. In den Hauptstädten des Westens wurde die Außen- und Energiepolitik des Königreichs geschätzt. Das Land propagierte zwar eine stockkonservative Auslegung des sunnitischen Islams. Doch die konsensorientierte Herrscher-Dynastie der Familie Saud vermied größere Brüche nach innen und außen. Und wenn es sein musste, pumpte die Öl-Großmacht ein paar Millionen Barrel mehr schwarzes Gold auf den Markt, um die Weltwirtschaft am Laufen zu halten.
Diese Zeiten der Berechenbarkeit sind endgültig vorbei. Sie endeten mit dem Tod von König Abdullah am 23. Januar 2015. Abdullah war ein Mann des Ausgleichs. Er suchte die Annäherung an den Iran, den großen Konkurrenten in der Region. So reiste er 2001 nach Teheran, um Brücken zur Schutzmacht der Schiiten am Persischen Golf zu bauen.
Mit der Inthronisierung seines Nachfolgers König Salman Ende Januar 2015 begann eine neue Ära. Da Salman bereits kränkelte, schlug die Stunde für den erst 29-jährigen Königssohn Mohammed bin Salman. „MBS“, wie der Verteidigungsminister zu Hause mit einer Mischung aus Respekt und Angst genannt wird, trieb die saudische Luftwaffe im März 2015 in einen brutalen Krieg gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im südlichen Nachbarstaat Jemen. Da die Huthis vom Iran unterstützt werden, tobt im Jemen ein Stellvertreterkrieg.
Der Konflikt eskaliert, kennt keine Grenzen. Die von den Saudis geführte Militärkoalition blockiert die Häfen im Jemen – und damit die Hilfslieferungen für das bettelarme Land. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor der größten Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten. Als Reaktion feuerten die Huthis am 4. November eine Rakete auf den internationalen Flughafen der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Noch heftigere Bombenangriffe der Gegenseite waren die Folge.
Mohammed bin Salman, mittlerweile als alleiniger Kronprinz installiert, ist der neue starke Mann in Riad. Er hat sich in ein Projekt verbissen, das seine ganze Außenpolitik dominiert: Das sunnitische Saudi-Arabien soll am Golf die erste Geige spielen und nicht der schiitische Rivale. Sämtliche Konflikte in der Region betrachtet er durch dieses machtpolitische Prisma.
Das Problem ist aber, dass „MBS“ keinen Plan hat. Der Bürgerkrieg im Jemen wütet immer weiter. In Syrien finanzierten die Saudis sunnitische Extremisten gegen den Diktator Baschar al-Assad, der der schiitischen Sekte der Alewiten angehört. Doch Assad triumphiert – dank der russischen Luftwaffe, der schiitischen Milizen aus dem Iran und der schiitischen Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon.
Auch im Libanon sind die Saudis drauf und dran, sich zu vergaloppieren. Der dortige Premierminister Saad Hariri ist eigentlich ein Verbündeter Riads. Doch vor knapp einem Jahr holte er zwei Hisbollah-Minister in seine Koalitionsregierung, um im ethnisch-religiösen Flickenteppich seines Landes die Balance zu wahren. Die Scheichs in Saudi-Arabien sahen darin bereits ein zu großes Zugeständnis an den Hisbollah-Förderer Iran. Anfang November traf sich Hariri in Beirut mit Ali Akbar Velayati, einem hochrangigen Berater des Obersten Religionsführers Irans, Ali Chamenei. Einen Tag später, am 4. November, wurde er nach Riad zitiert. Dort verkündete er seinen Rücktritt als Ministerpräsident unter heftigen Vorwürfen gegen die Hisbollah und den Iran, die angeblich sein Leben bedrohten. Nicht nur libanesische Zeitungen schrieben, dass die Demission unter dem Druck Saudi-Arabiens erfolgt sei.
Der saudische Kronprinz sucht die Konfrontation mit dem Mullah-Regime. Eine direkte Militär-Intervention im Libanon ist zwar derzeit eher unwahrscheinlich. Doch „MBS“ hofft insgeheim, dass Israel, das die Aktivitäten der Hisbollah im Libanon und in Syrien mit großer Sorge sieht, den Job erledigt. Jerusalem und Riad eint das tiefe Misstrauen gegenüber dem Iran; zwischen beiden Hauptstädten gibt es seit einiger Zeit informelle Absprachen.
Die De-facto-Allianz hat die Rückendeckung durch US-Präsident Donald Trump. „Ich habe großes Vertrauen in König Salman und den Kronprinzen von Saudi-Arabien. Sie wissen genau, was sie tun“, twitterte Trump kürzlich während seiner Ostasienreise. Letzteres darf bezweifelt werden. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.