Es ist das Surf-Mekka Großbritanniens, beliebt bei Rosamunde Pilcher- und Leuchtturm-Fans, Pilgerziel, Ratgeber für Hobbygärtner und Energiequelle für Wanderfreunde: Cornwall.
Der Direktflug bringt den Reisenden in rund zwei Stunden in eine andere Welt: nach Newquay. In eine raue, zerklüftete und bizarre Klippenlandschaft, die weltweit ihresgleichen sucht. Dazu der Charme der Bewohner und der Liebreiz ihrer Küstenorte und Anwesen. Es sind perfekte Kulissen für die Rosamunde Pilcher-Verfilmungen, die sonntags bis zu sieben Millionen Zuschauer vor die heimischen Fernseher ziehen. Einer dieser magischen Orte liegt im Nordwesten Cornwalls nahe dem Küstenort Padstow. In dem elisabethanischen Herrenhaus Prideaux Place aus dem 16. Jahrhundert wurden bis jetzt 18 Pilcher-Filme gedreht, darunter „Die Vier Jahreszeiten“, „Wind über der See“ und „Das Ende eines Sommers“.
Führungen durchs Herrenhaus auf Deutsch
Das Haus bekommt keine staatliche Förderung, die Gelder aus den Dreharbeiten sind eine gute Einnahmequelle. „Sie können sich nicht vorstellen, wie es dann hier aussieht“, sagt Hausführerin Elke Tanner, „Schauspieler, Komparsen, alle sind hier in den Räumen oder im Garten beschäftigt. Möbel werden ausgetauscht, Requisiten aufgebaut.“ Doch sobald die Dreharbeiten vorbei sind, sorgt die Filmcrew dafür, dass wieder alles an seinem Platz steht. Die Freiburgerin macht Führungen auf Deutsch. Wenn sie erzählt, sind die Besucher mucksmäuschenstill.
„Erst vor zwei Monaten wurde hier ‚Das Gespenst von Cassley‘ gedreht“, plaudert Tanner aus dem Nähkästchen. „Auf den deutschen TV-Bildschirmen wird es Anfang 2018 gezeigt.“ Prideaux Place ist heute in der 14. Generation bewohnt. Insgesamt hat das Anwesen 81 Räume, doch nur zwei Personen leben hier: Peter Prideaux Brune und seine Frau Elisabeth, die ihre Privatzimmer für die Besucher öffnen. Denn diese wollen nur eines: möglichst authentisch mitbekommen, wo sich die Dramen um Liebe, Verzweiflung und Happy End abspielen. Prinzessin Anne, Tochter von Queen Elizabeth II., und die Schriftstellerin Pilcher höchstpersönlich waren schon vor Ort – zum Tee natürlich!
Die Zimmer und Gästezimmer sind voller liebevoll arrangierter Fotorahmen, Porträtbilder, Meissner-Porzellantassen und Teddybären. In der Bibliothek mit 6.000 historischen Büchern sitzt er, umgeben von englischen Klassikern, auf dem Kaminsims: „Me Too“, ein Teddybär, der das gleiche Alter hat wie der Hausherr – 72 Jahre. Er war der Auslöser für seine Sammelleidenschaft. „Me Too“ hat er sogar ein Büchlein gewidmet. Dagegen sammelt Hausherrin Elisabeth Frösche in allen Variationen.
Weiter südlich geht die Fahrt zu den „verlorenen Gärten von Heligan“. Hier kommen nicht nur Naturliebhaber auf ihre Kosten, sondern auch alle Hobbygärtner. Seit mehr als 400 Jahren ist die knapp einen Quadratkilometer große Parkanlage des Heligan-Gutshofes im Besitz der Familie Tremayne. Neun von Heligans Gärtnern und Landarbeiterkn kamen im Krieg ums Leben. Danach verließ Besitzer Jack Tremayne den Ort und vermietete das Gut, da er nicht mit den Geistern leben konnte. Die Gärten fielen dem Vergessen zum Opfer. Erst 1990 wurden sie und das Landgut wiederentdeckt und in der Folge aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt. Damit hatte das größte Gartenrestaurierungsprojekt Europas begonnen. Die Besucher wandern durch Themengärten, zu einem gemütlichen Picknickplatz, durchs farbenfrohe Nutzpflanzengebiet, vorbei an kleinen Seen und versteckten Bänken vor schattenspendenden Rhododendron-Bäumen und zur burmesischen Hängebrücke, die ganz Mutige schaukelnd überqueren, um dann im Dschungel beziehungsweise weiter entfernt im verlorenen Tal mit einheimischem Waldland zu enden. Auf dem Rückweg liegt die „Schlafende Schöne“ im Gras, eine faszinierende Lehmfigur mit einem zarten Antlitz und fragilen Händen, bedeckt mit einer Pflanzenschicht aus blühendem Efeu. Wer sie nicht auf Fotos festhält, ist selbst schuld.
Unweit der Heligan-Gärten liegen die riesigen, wabenartigen Gewächshäuser von Eden Project. Sie sind die größten der Welt und nach einer Idee des englischen Archäologen und Gartenliebhabers Tim Smit entstanden. Die Besucher können tief in die Natur eintauchen – von einem üppigen Regenwald bis hin zu einer mediterranen Pflanzenwelt. Im Jahr 2002 wurden hier Szenen des James-Bond-Films „Stirb an einem anderen Tag“ gedreht. Die Gebäude wurden vom Würzburger Unternehmen Mero entworfen und umgesetzt.
Auch Truro ist einen Abstecher wert, denn hier steht die jüngste Kathedrale Englands. Zwar sieht sie älter aus, aber das Gotteshaus ist dem Gothic Revival des 19. Jahrhunderts zuzurechnen. Der Neubau war durch die Erhebung Truros zum Diözesansitz erforderlich geworden. Bemerkenswert und zugleich inspirierend sind die Buntglasfenster im Inneren sowie der herrliche Klang der Orgel.
Die Gegend ist für lange Sandstrände bekannt
Weiter in den Südwesten Cornwalls zur legendären Gezeiteninsel St. Michael’s Mount geht es am besten mit dem Leihwagen. Bei Flut fährt ein Boot, bei Ebbe gelangt man über einen Fußsteig hinüber zur Klosterfestung. Sie wurde von Benediktinern im 12. Jahrhundert als Ableger des Mont St. Michel in der Normandie gegründet. Nach der Reformation gelangte das Kloster in den Besitz der Adelsfamilie St. Aubyn. Sie baute die Abtei zu einem Wohnschloss um. Wegen ihrer atemberaubenden Lage wurden hier gleich zwei von Pilchers Werken verfilmt: „Die Muschelsucher“ und „Heimkehr“. Und die pittoreske Hafenstadt Penzance war Drehort für „Schneesturm im Frühling“ und „Sommer am Meer“. Erfolgreich sind ihre Bücher vor allem durch die aussagekräftigen Beschreibungen der Landschaft. Viele Pilcher-Pilger zieht es genau deswegen immer wieder nach Cornwall.
Außerdem ist die Gegend bekannt für ihre langen Sandstrände. Fistral Beach in Newquay mit seiner geografisch idealen Lage ist der perfekte Ort, um die sich im Atlantik aufbauenden Wellen zu reiten. Ob Anfänger oder Fortgeschrittener: Für jeden ist die richtige Welle dabei. Weiter westlich wird es noch viel stürmischer. Land’s End ist der westlichste Punkt Englands. Hier bilden schroffe Klippen den Abschluss des Festlands. Wo hätte Pilchers „Stürmische Begegnung“ besser gedreht werden können als hier?