Das gab’s noch nie in Deutschland: 108 Senioreneinrichtungen feiern zeitgleich ihren Fachkräfte-Nachwuchs. Gute Altenpfleger sind heutzutage heiß begehrt, und da muss man sich als Arbeitgeber einiges einfallen lassen. So wie die Victor’s Unternehmensgruppe, die mit ihrem Tag der Auszubildenden auch gleichzeitig an ihr 40-jähriges Bestehen erinnert.
Herr Müller ist weg. Vor Kurzem erst ist der pensionierte Wissenschaftler nach Homburg gezogen, hat sich sein Apartment in der Pro Seniore Residenz Hohenburg eingerichtet. Und nun ist er spurlos verschwunden. Spurlos? Nicht ganz: Der für seine Liebe zu Rätseln bekannte Rentner hat den Pflegekräften ein paar Aufgaben hinterlassen. Diese müssen sie lösen, um den Code zu finden, der ihnen die Ausgangstür öffnet. Jetzt sind Teamgeist, Fachwissen und Geschicklichkeit gefragt.
Halt, stopp. Herr Müller wohnt nicht wirklich hier. „Er ist eine Figur in einem sogenannten Escape-Room-Spiel", erklärt Katrin Schurl, Masterstudentin der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Zusammen mit Sarah Ziegler und Anina Baade hat sie sich das Spiel ausgedacht und speziell auf Auszubildende der Victor’s Unternehmensgruppe zugeschnitten. Sehr zur Freude von Dr. Petra Allmann-Werle, Leiterin der Personalentwicklung. „Die Studierenden haben alle ausbildenden Residenzen bundesweit persönlich besucht, das Konzept den Verantwortlichen vorgestellt und Spielanleitung, Spielmaterialien sowie Informationsmaterial zu den beruflichen Chancen und Möglichkeiten sowie Giveaways für unsere Auszubildenden übergeben", sagt Allmann-Werle. Auch die Pro Seniore Residenz Hohenburg in Homburg/Saar gehört zu diesen Ausbildungsbetrieben. „14 Azubis, darunter eine Studentin im dualen Studiengang, haben wir hier im Haus", sagt Pflegedienstleiterin Katharina Ratajczak.
Die Azubis sollen Wertschätzung erfahren
Im Escape Room: Nach Anleitung von Steven Schultheis (Altenpfleger und Wohnbereichsleiter) pappt sich gerade eine siebenköpfige Azubigruppe mit Kreppband aneinander. Gemeinsam geht’s über markierte Felder. Teambuilding extrem. Im Raum nebenan wird die zweite Azubigruppe mit einer hauseigenen Extra-Aufgabe beschäftigt. Die jungen Leute sollen in die Haut eines pflegebedürftigen Senioren schlüpfen. Mit einem Age Simulator. Das ist eine Art Anzug, der den Körper unbeweglicher macht. Handschuhe simulieren steife, taube Finger, eine Brille schlechtes Sehen. Nach einer kurzen Slalomtour um die Tische wartet eine Tafel Schokolade – die soll ausgepackt und verspeist werden. Mit Messer und Gabel. Ihrer Kräfte, ihrer Sinne und ihres Feingefühls beraubt, müssen sich die Azubis ganz schön anstrengen.
Eldin Selimovic gelingt es mit viel Mühe, ein kleines Stück Schokolade zu essen. Er stammt aus Bosnien und besucht die Europäische Fachschule für Altenpflege in Quierschied (EFSA). Die Einrichtung, seit vorigem Jahr in Betrieb, qualifiziert ausländische Schüler zur Pflegefachkraft in Deutschland. Sie werden hier dringend gebraucht, denn der einheimische Nachwuchs kann den Bedarf nicht decken. Warum Selmovic bereits so gut Deutsch spricht? „Schon als kleines Kind lebte ich in Deutschland", verrät er. „Als Flüchtling während des Bosnienkrieges." Die Sprachkenntnisse machen sich jetzt für ihn bezahlt. „Nur mit dem saarländischen Dialekt, das ist nicht immer so einfach", schmunzelt er. Seine Schwester und seine Cousine machen hier eine Pflegeausbildung, und so entschied er spontan, sich auch zu bewerben. „Meine Erfahrungen sind sehr gut. Ich passe zu diesem Beruf", findet er. „Die Arbeit macht mir Spaß, und ich habe nette Kollegen."
Von den Spielleitern erfahren die Azubis, dass sie heute nicht die einzigen im Unternehmen sind, die solch einen besonderen Tag erleben. Herr Müllers Escape Room ist über ganz Deutschland verteilt. Insgesamt 108 ausbildende Einrichtungen unter dem Dach der Victor’s Unternehmensgruppe machen mit, darunter Häuser der Marken Pro Seniore, SenVital, Victor’s Residenz, Residenz Ambiente und Best Care. Von der Residenz Losheim am See über das Wohnstift Freiburg bis zum Gesundheits- und Pflegezentrum Anklam wird zeitgleich gespielt und informiert. Angehende Altenpflegekräfte und -fachkräfte, kaufmännische Auszubildende, alle sind eingebunden.
Spielerisch wird über das Unternehmen informiert
„Victor’s – the next generation!", haben die Teilnehmer an ihre Shirts geheftet. „Unter diesem Motto haben wir anlässlich des 40-jährigen Bestehens unserer Unternehmensgruppe bundesweit einen Tag der Auszubildenden ausgerufen, der für unsere Auszubildenden nicht nur informativ, sondern auch mit Freude und Spaß einhergehen soll", sagt Allmann-Werle. Ihr ist es wichtig, den Azubis bei dieser Gelegenheit die Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten innerhalb der Unternehmensgruppe aufzuzeigen. „Ganz besonders steht an diesem Tag aber die Wertschätzung gegenüber unserer ‚next generation‘ im Vordergrund." Der Azubitag ist ein Gemeinschaftsprojekt der Studenten, der Victor’s Global Academy (eines unternehmenseigenen Fortbildungsinstituts), des zentralen Marketings und der Führungskräfte der jeweiligen Häuser.
Anna Christmann dreht am Regler. Die Ausbilderin und stellvertretende Pflegedienstleiterin schmunzelt, während die Hände von Monika Sauer-Carstens zittern. Sie trägt silbrige Handschuhe, die mit elektrischen Impulsen eine Parkinsonsche Schüttellähmung simulieren. Sauer-Carstens verzieht angestrengt das Gesicht. Es gelingt ihr kaum, aus dem Glas zu trinken. Anna Christmann muss den Strom wieder runterdrehen. Das Spiel mit dem Age Simulator hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck bei den Azubis. Sie verstehen nun noch besser, warum viele alte Menschen Hilfe benötigen.
Im Escape Room werden derweil die Pillen von Herrn Müller sortiert. Durcheinander liegen sie auf dem Tisch. Die Azubis müssen sich einen bestimmten Tages- und Wochenplan merken, die einzelnen Tagesdosen korrekt befüllen. Nach einem weiteren Spiel samt Erinnerungsfoto der Azubitruppe ist es geschafft: Der Code passt, Aufgabe erfüllt.
Zwei Altenpflegerinnen erhalten ihr Examen
Es gibt Urkunden. Monika Sauer-Carstens jubelt, reißt die Arme in die Luft. Ihre Chefin, Residenzleiterin Sabine Mathieu, hat ihr gerade noch eine weitere Urkunde mitgebracht: das Examen! Prüfung bestanden, Monika Sauer-Carstens ist jetzt examinierte Pflegefachkraft. Dabei fällt sie etwas aus dem Rahmen, mit ihren 54 Jahren. Wie kam sie dazu, auf Altenpflege umzusatteln? „Ich hatte vorher einen Bürojob", erzählt sie. „Daneben ging ich zum Malteser Hilfsdient. Da lernte ich einen Mann kennen, der mir begeistert von seinem Pflegeberuf erzählte. Er arbeitete in der Pro Seniore Residenz Am Steinhübel, ebenfalls hier in Homburg." Sie wurde neugierig, bekam einen Praktikumsplatz in der Hohenburg, schließlich einen Vertrag als Pflegeassistentin. Dann entschied sie sich für die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin. „Ich mag die Menschen", erklärt sie. „Sowohl unsere Bewohner als auch mein Team." Nun hat sie’s geschafft, hat nach drei Ausbildungsjahren das Examen in der Tasche – und ein Stellenangebot von Residenzleiterin Mathieu. Auch Alexa Zinßmeister gehört zu den frisch examinierten Pflegefachkräften, die jetzt gefeiert werden. „Alexa kam von einem anderen Pflegeanbieter zu uns und zögerte, weil sie ein kleines Kind zu Hause hat", sagt Katharina Ratajczak. „Doch wir konnten sie überzeugen, ihre Ausbildung zu Ende zu bringen – mit vollem Erfolg."
Sabine Mathieu ist sichtlich stolz auf ihre Nachwuchs-Fachkräfte. „Besonders freut mich, dass in den vergangenen Jahren auch immer mehr Männer den Pflegeberuf für sich entdecken." Sie leitet eine ansehnliche Einrichtung: zentral in der Stadtmitte gelegen, mit grünem Dachgarten und einem Ambiente, das eher an ein modernes Hotel erinnert als an eine Senioreneinrichtung. „Neben 165 stationären Pflegeplätzen bieten wir auch Betreutes Wohnen in 100 Apartments mit eigenem ambulantem Pflegedienst", erklärt Sabine Mathieu. „Hinzu kommt unsere Tagespflege für 16 Gäste." Kein Wunder, dass hier viele fähige Pflegefachkräfte benötigt werden.
Im Residenz-Restaurant warten nun ein gemeinsames Mittagessen – und eine letzte Aufgabe: „Wie stellen Sie sich die Senioreneinrichtung der Zukunft vor?", fragt Sabine Mathieu in die Runde. Da kommt einiges an Ideen zusammen. W-LAN, individuelle Menüs, Wellness … Doch nun beginnt der gemütliche Teil. Beim gemeinsamen Essen lockert sich die Anspannung. Neben dem Tischschmuck fallen zwei Blumensträuße auf. Sie sind für die beiden frisch examinierten Altenpflegerinnen. Als kleine Aufmerksamkeit zum bestandenen Examen. Bald werden die anderen folgen. Sie alle werden hier gebraucht. Und, wie man sieht, hoch geschätzt.