An Daunenjacken und -mänteln führt in der aktuellen Wintersaison kein Weg vorbei. Die „Puffer-Teile“ haben dabei das Funktionale lässig hinter sich gelassen und sind zu Glamour-Klamotten aufgestiegen.
Ziemlich spät hat sie im Jahr 2016 ihr Image als biedere Funktionsjacke abgelegt und sich seitdem nicht nur auf den Laufstegen, sondern auch im Streetstyle zur Glamour-Uniform gewandelt. In der Wintersaison ist die Daunenjacke, die häufig auch in Gestalt eines wattierten Mantels daherkommt, endgültig zum coolen und gleichzeitig wärmenden It-Piece aufgestiegen. Angesichts ihrer Entstehungsgeschichte mutet das ziemlich verwunderlich an, war sie doch sprichwörtlich aus der Not geboren worden.
Ihr Erfinder, Eddie Bauer, Inhaber eines Klamottenladens in der Innenstadt von Seattle, wäre 1936 bei einem Angelausflug an einem kalten Wintertag beinahe erfroren. Seine Wolljacke hatte sich infolge eines Eisregens mit Wasser voll gesogen, das sich in Windeseile in eine dicke, schwere Eisschicht verwandelte. Nur dank der Hilfe eines Freundes schaffte es Bauer zurück nach Hause. Dieses schreckliche Erlebnis sollte Bauer dazu inspirieren, ein Kleidungsstück zu ertüfteln, das nicht nur warm halten, sondern dazu auch noch möglichst leicht sein sollte.
Bauer entschied sich für Gänsefedern als wärmespeicherndes Material und brauchte dann nur noch die rautenförmige Steppnaht zu erfinden, welche die Daunenfedern gleichmäßig in der vom ihm hergestellten und 1940 zum Patent angemeldeten Jacke namens „Skyliner“ verteilte und gleichzeitig fixiert hielt. Bauer hatte seine „Skyliner“-Daunenjacke so entworfen, dass sie den Körper wärmend, wasserabweisend und atmungsaktiv umhüllte, aber dennoch im Schnitt weit genug war, um einen dicken Pullover darunter tragen zu können. Eddie Bauer gründete ein Unternehmen, das auch heute noch erfolgreich outdoor-inspirierte Kleidung herstellt.
Während es Eddie Bauer seinerzeit ums nackte Überleben in einer unwirtlichen Umwelt ging, wurden die Daunenjacken Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre erstmals aus rein modischen Gründen getragen. Und zwar in Mailand von den bald so getauften „Paninari“ – Jugendlichen aus der Mittelschicht, die sich regelmäßig mit ihren Vespas oder Zündapp-Motorrädern vor dem City-Imbiss „Il Panino“ trafen und sich als gemeinsames Erkennungszeichen für ihre neue, konsumorientierte Subkultur einen eigenständigen Edel-Marken-Fundus zulegten. Segelschuhe von Timberland, Karosocken von Burlington oder Jeans von Armani oder Levi’s waren ebenso ein Muss wie die rote Daunenjacke von Moncler. Diese war damals eigentlich nur beim Skifahren gebräuchlich, dem wiederum fast ausschließlich der Jetset nachging. Indem sich die Paninari selbst im Sommer in diese alpine Kleidung hüllten, hatten sie die Daunenjacken erstmals ganz konsequent und bewusst von ihrer eigentlichen Funktion entfremdet.
Hip-hopper-Style in den 90ern
In den 90er-Jahren trugen vor allem bekannte Hip-Hop-Stars und R’n’B-Protagonisten zum Verkaufserfolg sportlicher, betont Logo-behafteter Daunenjacken bei – von Marken wie Helly Hansen, Kappa oder Tommy Hilfiger.
Auch danach blieben Daunenjacken in den Wintermonaten als bewährter Wärmespender angesagt, obwohl es längst als Alternative auch Funktionsjacken aus wärmedämmender Mikrofaser gab, kaum dicker als eine Regenjacke und trotzdem selbst für arktische Bedingungen tauglich. Trotz des wenig schmeichelhaften „Michelin-Männchen“-Images wurde der Daunenjacke die Treue gehalten. Obwohl niemand abstreiten konnte, dass Daunenjacken gemeinsam mit Latzhosen die figürlich unvorteilhaftesten Kleidungsstücke waren. „Wer eigentlich dünn ist“, so die „Welt“ vor einigen Jahren in einer Stil-Kolumne, „sieht mit ein paar Luftkammern auf den Rippen nur ein bisschen dick aus. Wer aber schon ein bisschen dick ist – nun ja. Weniger hochgewachsene Menschen haben sogar noch ein bisschen schwerer daran zu tragen: Plötzlich so breit wie lang zu sein mag bei grobmotorisch vor sich hin wackelnden Kleinkindern entzückend aussehen. Bei Erwachsenen ganz sicher nicht.“
Dennoch wurden über all die Jahre munter vor allem dicke Daunenmodelle für die kalte Jahreszeit produziert, wobei meist auch Designermarken von Prada über Burburry bis hin zu Tommy Hilfiger, mitmischten. Daunenjacken sollten ihre Funktion des Warmhaltens auch optisch durch ihr unübersehbares Volumen und die aufgepumpten Membranen zum Ausdruck bringen. Trendig dürfte sich niemand in diesen Jacken gefühlt haben, sie hingen schließlich in Massen in so gut wie allen Preisklassen in Kaufhäusern oder Boutiquen. Doch dann tauchte 2015 plötzlich Rapper Drake im Video für seinen Track „Hotline Bling“ in einer roten Daunenjacke auf, Modell „Maya“ von Moncler, und verhalf damit dem Label zu einem ebenso grandiosen wie überraschenden Absatzerfolg, obwohl die Jacke immerhin stolze 715 Euro gekostet hatte.
Wenige Monate später griff Kult-Designer Demna Gvasalia für seine Revoluzzer-Marke Vetements den Look auf, allerdings schon für Jacken und Mäntel in einer mega-kastigen Oversize-Version. Was zunächst befremdlich anmutete, rief aber spätestens nach Demna Gvasalias knallroter Riesen-Daunenjacke für seine Balenciaga-Debütkollektion im März 2016 keinerlei Kritik in der Fashion-Szene mehr hervor. Ganz im Gegenteil, die lässig über die Model-Schulter auf dem Laufsteg herabgerutscht drapierte Jacke löste ein wahres Trend-Erdbeben aus. Die Welt der Mode-Journalisten geriet völlig aus dem Häuschen und präsentierte das Teil wenig später sogar auf den Titelseiten vieler Hochglanzmagazine. Plötzlich war aufgeplustert schick – mit dem schönen Nebeneffekt, dass sich Problemzonen wunderbar kaschieren ließen.
Aufgeplustert ist schick: Angesagtes XXL-Format
Die Discounter-Modeketten zogen in Windeseile mit ähnlichen Daunen-Teilen nach. Und in der Wintersaison 2016/2017 wurde die wattiert-gesteppte Daunenjacke, die im Englischen meist „Puffer Jacket“, aber auch schon mal „Down Jacket“ genannt wird, von vielen Designern, von Chanel über Emilio Pucci bis hin zu Burberry Prorsum oder Stella McCartney (die allerdings als bekennende Tierschützerin keine Federfüllung verwendet hatte), zum High-Fashion-Kleidungsstück geadelt. Knallfarben waren ebenso wichtig wie das extravagante Oversize-Format, das vor allem bei Balenciaga oder Raf Simons zu bewundern war. Daneben gab es aber auch weniger aufbauschende, eher figurbetonte Jacken und Mäntel, beispielsweise von Jason Wu oder Tory Burch. Und auch die klassischen Farben Schwarz, Oliv oder Navyblau waren auf den Catwalks vertreten.
In der Wintersaison 2017/2018 erreicht der Hype um die Daunen, in Gestalt von Jacken wie auch mehr oder weniger langen Mänteln, im Englischen „Puffer Coats“ genannt, einen neuen Höhepunkt.
Assoziationen an kuschelige Bettdecken
Fast alle Labels machen mit. Manche Designer warten mit Innovationen wie asymmetrischem Schnitt, versetztem Reißverschluss (Balenciaga oder Pringle of Scotland), schmückenden Details (Patches bei Coach, runden Samtauflagen bei Dries Van Noten) oder tapetenähnlichen Mustern (Mulberry) auf. Manche langen Daunenmäntel wecken Assoziationen an kuschelige Bettdecken, im Englischen daher „Duvet Coats“ getauft, zu finden im aktuellen Sortiment von House of Holland, Preen by Thornton Bregazzi, Sonia Rykiel oder MM6 Martin Margiela.
Größte Aufmerksamkeit sollte beim Kauf der Jacken oder Mäntel, die noch immer größtenteils aus der innersten Schicht des Federkleides von Enten oder Gänsen hergestellt werden, weil Kunstfasern vor allem bei Nässe noch nicht mithalten können, den Absteppungen gewidmet werden. Denn bei der Verarbeitung der Nähte trennt sich die Spreu vom Weizen. Wenn die Kammern durchgenäht sein sollten, sind Kältebrücken programmiert und die gewünschte Wärmeisolation ist damit unmöglich. Ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal ist der Cuin-Wert, der die Höhe der für die Isolationsleistung zentralen Bauschkraft anzeigt. Er sollte 500, besser mindestens 600 betragen, ein Wert, der nur bei hoher Daunenqualität erreichbar ist.