Rolf Römer aus Riegelsberg hat sich vor vielen Jahren einen Traum erfüllt und einen Bugatti in Eigenbau verwirklicht. Jahre später entdeckte seine Tochter Christa das Fahrzeug durch Zufall in Bonn und brachte es zurück in seine Heimat.
Als Christa Römer zum ersten Mal mit verklärtem Gesicht und feuchten Augen von ihrem neuen „Bugatti" erzählte, den sie gerade gekauft hatte, wusste ich noch nicht, welch’ wunderbare Geschichte sich dahinter verbirgt. Spontan verabredeten wir uns zu einer Tour durch die Biosphärenregion des Bliesgaus: blauer Himmel, grüne Wiesen und ein Auto zum Verlieben – der Bugatti des Fahrzeugherstellers R. Roemer in Riegelsberg. Sie lesen richtig, Fahrzeughersteller R. Roemer in Riegelsberg.
Der ehemalige Maschinenbauingenieur Rolf Römer, Christas Vater, verwirklichte sich nach seiner Pensionierung einen besonderen Wunsch, der bereits lange in seinem Kopf herumspukte – er wollte sein eigenes Auto bauen. Seinen Kindern hatte er zu festlichen Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstagen die Spielzeuge selbst gebaut – von der Puppenküche über Dampfmaschinen bis hin zum Oldtimer-Tretroller. Später baute er Flugzeuge und sein Segelboot „Koralle", für die Mutter Mathilde die Segel nähte.
Heimlich, ohne seine Frau Mathilde zu informieren, begannen Rolf Römers Recherchen, um seinen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Er studierte Kataloge, zeichnete, erstellte den Kosten- und einen Zeitplan. Nach einem Jahr Bauzeit sollte das Auto auf den Prüfstand zum TÜV. Als ein riesiges Paket eintraf, musste er seine Frau einweihen. Das Chassis eines Volkswagens diente als Unterbau für das geplante Automobil Marke Eigenbau. In der Garage in Riegelsberg begannen die Arbeiten gleich mit einer Hiobsbotschaft: Das Chassis war zu lang für den geplanten, schmucken Bugatti. Doch der Maschinenbau-Ingenieur legte selbst Hand an, schweißte das Chassis auseinander, nahm Kürzungen vor und fügte die neuen Teile mit einer optimalen Schweißnaht wieder zusammen.
Unzählige Express-Pakete trafen in Riegelsberg ein, erinnert sich Christa Römer. Teilweise wurde die gesamte Familie eingespannt, da immer irgendwo gerade eine Hand zum Festhalten fehlte. Der Bausatz, den Rolf Römer bestellt hatte, war nicht vollständig. Er fuhr zu Oldtimermessen, besorgte sich Scheinwerfer, Tacho, Seilzüge, Lenkrad und Kabel. Die ursprüngliche Kostenkalkulation konnte nicht gehalten werden, das selbst gesetzte Zeitlimit wackelte ebenso, denn die Innenausstattung kostete weiteres Geld und Zeit. Ein Riegelsberger Sattler fertigte die Sitze und das Dach, eine Windschutzscheibe musste angefertigt werden und der selbst gebaute Tank die Sicherheitsprüfungen des TÜV überstehen, bevor er eingebaut werden konnte.
Die Bläck Fööss kauften den Wagen
Das Einzige, was am Ende fehlte, waren die Türen. Rolf Römer nahm Maß, schnitt die Bleche aus, schweißte und montierte die Fahrertür. Auf der Beifahrerseite wurde keine Tür installiert, was den Einstieg ins Wageninnere erschwert. Dann war es endlich so weit. Rolf Römer fuhr zum TÜV nach Sulzbach-Hühnerfeld. Mit nicht relevanten Mängeln händigte der TÜV den Fahrzeugbrief aus. Der blaue Bugatti durfte fortan offiziell am Verkehrsgeschehen teilnehmen.
Es folgten unzählige Ausfahrten mit dem blauen Bugatti. Überall, wo der „Blaue" auftauchte, nickten die Menschen anerkennend mit den Köpfen, und am Straßenrand sah man fast überall winkende Hände. Die Fahrten von Mathilde und Rolf führten oftmals ins Elsass und nach Lothringen, Mathildes Heimat.
Als dann 1988 Christas Mutter erkrankte, wurde das Einsteigen auf der Beifahrerseite für sie zur Qual. Mathilde Römer verweigerte irgendwann die gemeinsamen Spritztouren. Aber Vater Rolf wollte ohne sie nicht losfahren. Das machte ihm wenig Spaß, und so entschloss er sich schweren Herzens, den Bugatti zu verkaufen. Eines Tages klingelte es an der Haustür: Die Band Bläck Fööss aus Köln stand vor der Tür. Tommy Engel kaufte den Bugatti und nahm ihn sofort mit nach Köln. In der Folgezeit baute er zusammen mit einem Schrauber aus Köln-Sülz einige Teile um. So erhielt das Fahrzeug eine durchgehende Sitzbank, zwei einzelne Frontscheiben, ein Armaturenbrett aus gebürstetem Aluminium sowie ein Moto Lita-Holzlenkrad mit vier Speichen. Einen Gepäckträger ließ er auch anfertigen und baute von Sauer und Sohn einen neuen Auspuff ein.
Ein unfassbarer Zufall
An eine Urlaubsfahrt ins damalige Jugoslawien erinnert sich Tommy Engel besonders gut: „Es macht natürlich besonders viel Spaß, mit dem Bugatti bei schönem Wetter und offenem Verdeck zu fahren. Über Feldwege und kleinere Straßen gelangten wir bei strömendem Regen zum Brennertunnel. Als wir den Tunnel auf der anderen Seite verließen, hatten wir strahlenden Sonnenschein. Später fuhren wir mit der Fähre nach Krk und weiter bis Jugoslawien." Nachdem Tommy Engel den Bugatti einige Jahre fuhr, verkaufte er ihn 2000 weiter.
Im Juni 2015 hatte Dr. Christa Römer geschäftlich in Bonn zu tun. Sie erinnert sich: „Es war ein Dienstag, in einer Bäckerei mit angeschlossenem Straßencafé gönnte ich mir bei wunderschönem Sonnenschein eine Pause. Und da ich abends bei Freunden eingeladen war, wollte ich nach meiner Pause noch einen Blumenstrauß besorgen. Mein Auto hatte ich in der Nähe des Cafés geparkt. Als ich zurückkam, parkte ein blauer Bugatti direkt hinter meinem Auto. Es war ein bewegender Moment, denn ich war mir plötzlich ganz sicher, dass dies der Bugatti war, den mein inzwischen verstorbener Vater einmal selbst zusammengebaut hat. Ich ging zurück zum Café, schaute mir die Kaffeetrinker genau an und steuerte zielstrebig auf einen Mann zu, von dem ich glaubte, dass er der Besitzer des Autos sein könnte".
Als Christa Römer vor dem vermeintlichen Besitzer stand, begann folgender Dialog: „Schöner Wagen." Mann: „Ich weiß." Christa: „Mein Vater hat vor 35 Jahren einen Bugatti selbst gebaut, der so aussah wie dieser." Mann: „Wie hieß ihr Vater?" Christa: „Rolf Römer." Der Mann steht auf: „Komm mal mit, Mädchen." Er geht mit ihr zum Wagen, öffnet die Motorhaube und zeigt ihr das Typenschild: „Hier kannste lesen." Christa liest und zittert am ganzen Körper. Sie steht tatsächlich vor dem Bugatti, den ihr Vater vor 35 Jahren in seiner Riegelsberger Garage selbst zusammengebaut hat.
Besitzer zeigt sein großes Herz
Es folgte ein langer Plausch bei Kaffee und Kuchen in Bonn-Rheinbach. Horst Lange, der Besitzer des Bugatti, erzählte, dass er den Wagen in einem sehr desolaten Zustand gekauft hatte. Danach habe er ihn generalüberholt und instandgesetzt. „Immer, wenn ich mit meinem Schmuckstück durchs Rheinland fahre, freue ich mich, wenn mir Passanten zuwinken."
Christa Römer hatte damals das Gefühl, als würde sie wie von Geisterhand zum blauen Flitzer ihres Vaters geführt. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sagte: „Darf ich sie was fragen?" Horst Lange ahnte ihre Frage: „Ich weiß, was Sie mich fragen wollen. Verkaufen Sie den Wagen? Eigentlich nicht, aber wenn Sie ihn unbedingt haben wollen, werde ich Ihnen mein Schmuckstück anvertrauen. Seit ich den Bugatti besitze, habe ich mir immer wieder vorgestellt, einmal den Erbauer des Autos kennenzulernen. Jetzt sitzt seine Tochter mit Tränen in den Augen vor mir – kann ich da Nein sagen?!"
Im Lieblingscafé von Horst Lange kaufte Christa am gleichen Nachmittag per Handschlag den Bugatti. Horst Lange versprach, den Bugatti höchstpersönlich am Wohnort von Christa Römer zu übergeben. Im August war es dann so weit. Der Bugatti, den Christas Vater vor langer Zeit aus unendlich vielen Puzzleteilen zusammengeschraubt und zusammengeschweißt hat, steht nun in der Garage der neuen Besitzerin.