Die verführerische Schönheit Lola Montez, die eigentlich Eliza Rosanna Gilbert hieß und aus Irland kam, verdrehte vor 170 Jahren dem bayerischen König Ludwig I. derart den Kopf, dass ihn diese Liebelei den Thron kostete.
Was haben Christine Keeler und Monica Lewinsky gemeinsam? Zwei hübsche Frauen, die führende Politiker ins Gerede und – im Falle Lewinsky fast – ums Amt gebracht haben: Keeler den englischen Verteidigungsminister John Profumo 1963, Lewinsky den ansonsten erfolgreichen US-Präsidenten Bill Cinton 1998. In Frankreich hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine attraktive Schönheit den prominenten Politiker Felix Faure bei einem amourösen Beisammensein ebenfalls in Kalamitäten gestürzt. Doch Faure – immerhin Präsident der Republik – verlor wegen der Affäre nicht sein Amt, sondern sein Leben. Er soll in den Armen seiner Mätresse Marguerite Steinheil an einem Schlaganfall gestorben sein, während er mit ihr, nun ja, zugange war.
Natürlich ist auch deutschen Politikern und ebenso Politikerinnen nichts Menschliches fremd, auch Liebensaffären nicht. Doch hat eine solche in jüngerer Zeit niemanden um ein politisches Spitzenamt gebracht. Dafür hält das schöne Bayernland einen solchen Fall bereit. Wir befinden uns in den unruhigen Jahren vor der Märzrevolution 1848. Die Hauptpersonen der Erotikaffäre mit ernstem Hintergrund heißen Ludwig I. (1786–1868) und Lola Montez (1821–1861), er seines Zeichens bayerischer König aus dem Hause Wittelsbach, sie eine verführerische Schönheit mit schillernder Vergangenheit.
Die Residenzstadt München zählte damals um die 90.000 Einwohner, nach Augsburg konnte man schon mit der Eisenbahn fahren, nach Nürnberg noch nicht. Die Bürgerschaft lebte biedermeierlich bescheiden, wahrte zumindest nach außen die strengen Sitten und ergötzte sich an Klatschgeschichten vom Hof. Der erzkonservative Minister Karl von Abel führte ein glaubensstrenges Regiment, scharfäugig wachte die Polizei über die öffentliche Ordnung. Nächtliche Ruhestörung, Herumlungern, Beleidigungen von Amtspersonen und Verstöße gegen die guten Sitten wurden bestraft. Sogar das Tabakrauchen in der Öffentlichkeit und zu heftiges Schnalzen von Fuhrleuten mit der Peitsche.
In diese Ordnung brach in den ersten Oktobertagen 1846 eine Fremde ein, blauäugig, schwarzhaarig, bildschön. Sie stieg im besten Haus am Ort ab, dem „Bayerischen Hof", und machte bald als Künstlerin und Lebedame weltweit von sich reden. Und vom Königreich Bayern, das von einem liebestollen König regiert werde. Die Fremde gab vor, Lola Montez zu heißen, adeligen Geblüts und vor 22 Jahren in Sevilla geboren zu sein. König Ludwig I. war damals 60 Jahre alt und verfiel alsbald der Tänzerin mit Haut und Haaren. Er verschaffte ihr gegen den Widerstand des Intendanten Auftritte beim Hoftheater. Dort verschlug sie mit ihrem hocherotischen „Spinnentanz", der eher einem Striptease glich, vor allem dem männlichen Publikum den Atem.
König Ludwig I. hatte sich bis dahin als epochaler Bauherr und Vorkämpfer des Katholizismus hervorgetan. Attraktive Frauen liebte er so sehr, dass er in Schloss Nymphenburg eine Schönheiten-Galerie einrichtete. Von Lola war er gleich fasziniert. Sechs Wochen nach ihrem Auftauchen änderte er sein Testament. Der Tänzerin sollten 100.000 Gulden ausgezahlt werden, wenn sie bei seinem Tod weder verheiratet noch Witwe wäre. Außerdem sprach er ihr eine jährliche Rente von 2.400 Gulden zu. Der verliebte König schrieb seiner Favoritin romantische Briefe, überschüttete sie mit Geschenken und kaufte ihr ein prunkvolles Palais in München (Barerstraße 7). Dort trafen sich die beiden regelmäßig, von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt.
Wutentbrannte Menge drohte mit dem Sturm aufs Königsschloss
Vielleicht wäre der Monarch vorsichtiger gewesen, hätte er das Vorleben seiner Geliebten gekannt. Denn bevor sie in München auftauchte, hatte sich die in Wirklichkeit in Irland geborene Eliza Rosanna Gilbert unter dem Künstlernamen Lola Montez auf den Bühnen halb Europas umhergetrieben. Ihre Gastauftritte waren meist von Skandalen und Affären begleitet und trugen ihr etliche Ausweisungen ein. Sie sammelte Männer wie andere Briefmarken, darunter die Romanciers Alexandre Dumas der Ältere und der Jüngere und der Komponist Franz Liszt. Zwei ihrer Liebhaber begingen Selbstmord, einer starb bei einem Jagdunfall, ein anderer beim Duell.
Auf das betuliche München wirkte die selbstbewusst auftretende, französisch sprechende Schönheit nach einem Chronisten-Wort „wie die fleischgewordene Ketzerei wider Sitte und Gesittung". Und dann rauchte dieses Frauenzimmer auch noch auf offener Straße Zigarillos! Unerhört! Selbst vor Handgreiflichkeiten schreckte die Mätresse des Königs nicht zurück. Sie pflegte Ohrfeigen und Schläge mit der Reitgerte auszuteilen, wenn ihr jemand widersprach. Die Münchener schäumten und schimpften lauthals auf das „Luder" und die „Hure". Den König kümmerte das nicht. Eine Intervention des Münchener Erzbischofs prallte an ihm ab: „Bleib er bei seiner Stola, ich bleib bei meiner Lola!"
Die Romanze wurde endgültig zur Staatskrise, als Innenminister Abel sich weigerte, Lola die bayerische Staatsbürgerschaft zu verleihen, da dies „illegitim" sei. Im Februar 1847 wurde er in Ungnaden entlassen. Sein Nachfolger, der angesehene Rechtsgelehrte Georg Ludwig von Maurer, bürgerte Lola ein und erhob sie, wie vom König gewünscht, als Marie Gräfin von Landsfeld in den Adelsstand: „Wegen der vielen, den Armen Bayerns erzeigten Wohltaten"! Die neu ernannte Gräfin mischte sich zunehmend in die Politik ein. Sie drängte das neue Kabinett zu einem antikirchlichen Kurs.
In der guten Gesellschaft blieb Lola jedoch auch als Gräfin isoliert, zumal ihr arrogantes Auftreten („Je suis la maîtresse du Roi" – „La Reine c’est moi!") weiter für Ärger sorgte. Sogar der Innenminister weigerte sich, mit ihr gesellschaftlich zu verkehren. Er wurde daher durch einen engen Freund Lolas ersetzt, Fürst Ludwig von Oettingen-Wallerstein. Die Proteste von Bürgern und Studenten gegen die neue Gräfin häuften sich. Als diese Anfang Februar 1848 demonstrativ die Universität besuchte, kam es zu Schlägereien zwischen Studenten.
Lola flüchtete in der Kutsche. Auf dem Odeonsplatz wurde sie von einer aufgebrachten Menge Schaulustiger erkannt, beschimpft und bedroht. Sie rettete sich in die Theatinerkirche. Es bedurfte einer Eskorte von zehn Polizisten, um sie aus der Kirche zu befreien und sicher in die Residenz zu bringen. Die Unruhen eskalierten. Ludwig I. bezog die Demonstrationen auf seine Person. Voller Zorn ordnete er die Schließung der Universität bis zum Wintersemester 1848/49 an und befahl allen Studenten, München binnen dreier Tage zu verlassen.
Das Fass lief endgültig über. Es hagelte Proteste von Vermietern, Geschäftsleuten und Kneipenwirten. Eine wutentbrannte Menge drohte mit dem Sturm auf das Königsschloss. Das brachte die Wende. Der König wich dem Druck der Öffentlichkeit und der Familie. Er hob die Schließung der Universität auf und sah sich gezwungen, seiner Geliebten den Adelstitel zu entziehen und sie des Landes zu verweisen.
Kurz vor 40. Geburtstag verarmt und vergessen in New York gestorben
Lola Montez lebte danach zunächst in der Schweiz und wanderte 1851 in die USA aus. Dort ging sie zwei weitere Ehen ein, gastierte auf Theaterbühnen, schrieb Schönheitsratgeber und engagierte sich für gefallene Mädchen. Die skandalumwitterte Ex-Geliebte des Bayernkönigs starb 1861 kurz vor ihrem 40. Geburtstag in New York. Verarmt und vergessen. Ihr Grabstein in Brooklyn nennt sie schlicht „Mrs. Eliza Gilbert".
Ludwig I. überlebte die „bayerische Pompadour" um sieben Jahre. Er hatte am 20. März 1848, als es auch in München wie zuvor in Paris revolutionär rumorte, die Krone niedergelegt, weil er nicht bereit war, den liberalen Forderungen der Revolutionäre zu weichen. „Regieren konnte ich nicht mehr", schrieb er später, und einen „Unterschreiber" habe er nicht abgeben wollen. Die Affäre mit der Tänzerin hatte Ansehen und Nimbus des Königs nachhaltig beschädigt. Wegen seines Ideenreichtums und seiner Tatkraft sei Ludwig I. trotz allem ein überragender Herrscher gewesen, schreibt Friedrich Prinz in seiner „Geschichte Bayerns" 1997. Seinen mit 500.000 Gulden wohldotierten Ruhestand widmete der abgedanke Wittelsbacher der Kunst. Er habe die schönen Spanierinnen immer geliebt, gestand er später bei einem Diner der französischen Kaiserin Eugénie: „Das hat mich den Thron gekostet."