In Potsdam wurden kürzlich wieder die Michelin-Sterne für die besten Köche Deutschlands verliehen. Das „Golvet", das „Tulus Lotrek" und das „Cookies Cream" in Berlin sowie das „17fuffzig" in Burg im Spreewald in Brandenburg waren erstmals dabei.
Viele, viele Sterne waren mehrere Stunden miteinander eingesperrt. Die Veranstalter der Guide-Michelin-Gala hatten sich unlängst eine Art „Köche in Käfighaltung" in der Metropolis-Halle in Potsdam ausgedacht: Bis zur Auszeichnung der Spitzenköche mit den neuen Michelin-Sternen 2018 mussten sie sich bis zum Abend vor den Gala-Gästen verbergen. Immerhin durften sie schon einmal am Nachmittag zum Pressetermin heraus und sich den Journalisten zeigen.
Der Gastronomie-Führer im Zeichen von Reifenmännchen und Stern experimentiert noch mit dem optimalen Format irgendwo zwischen Oscar-Verleihung, den Bedürfnissen von Journalisten, knackigem Timing und langem Gala-Abend zur Ehrung der Besten der Republik. In jedem Fall hat sich das Warten gelohnt, wie von den Beteiligten durchaus euphorisiert und erheitert zu erfahren war. Für Berlin und Brandenburg wurden vier neue Sterne vergeben: Das „Golvet", das „Tulus Lotrek" und das „Cookies Cream" in Berlin sowie das „17fuffzig" in Burg im Spreewald in Brandenburg erhielten einen „Macaron".
Zudem hielten die Berliner Restaurants ihre Einzel- oder Doppel-Sterne. Damit gibt es in Berlin derzeit 21 Sterne. In Brandenburg sind es zwei – in Potsdam sowie in Burg im Spreewald. Dass Christian Lohse das „Fischers Fritz" im Regent-Hotel zum Jahresende verlässt und damit die beiden Sterne hinfällig sind, wurde erst kurz darauf bekannt. Mit den Sternen werden jeweils das Restaurant sowie der Küchenchef und sein Team geehrt. 2018 wurden 300 Restaurants ausgezeichnet – 250 mit einem, 39 mit zwei und elf mit drei Sternen.
Bei den einen war die Ambition unübersehbar oder sie waren bereits im Gespräch. Die anderen hatte niemand, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt, auf dem Schirm. „Ich habe zu Thorsten Schermall gesagt: Der Anruf kommt. Aber ich habe ja auch immer eine große Klappe", sagt Geschäftsführer und Küchenchef Björn Swanson vom „Golvet". Vor dem Anruf der Michelin-Chefredaktion kurz vor der Auszeichnung und dem Start des Buchverkaufs im November weiß niemand, wen die Inspektoren auf ihren Inkognito-Touren für sternenwürdig befanden. Innerhalb von sechs Monaten erkochten „Zugpferd" Björn Swanson, vormals „Gutshaus Stolpe", und Küchenchef Michael Schulz, zuvor im „Vau", mit ihrem Konzept in den Räumen des ehemaligen „40 Seconds"-Clubs den ersten Stern. Gerade eben erst kamen 16 – von 20 möglichen – Punkten vom „Gault&Millau", dem anderen wichtigen Feinschmecker-Führer, dazu.
Dass die Auszeichnung eines Restaurants mit einem Stern immer dem ganzen Team gilt, machte Swanson mit einer durchaus unüblichen Geste sichtbar – Mit-Küchenchef Michael Schulz stand mit ihm für das „Golvet"-Team im Scheinwerferlicht. „Jeder soll seine Bühne haben. Michael leitet das Team jeden Tag. Ich hätte mich allein dort nicht wohl gefühlt, das wäre unehrlich gewesen", sagt Björn Swanson. Die Küche verfolgt ihren klaren, produktbezogenen Stil mit durchaus nordischen Anklängen unangestrengt und mit immer wieder neuen Twists. Der Stern ändere nichts daran, so Swanson: „Wir schicken jetzt nicht drei Amuses statt einem. Wir wollen offen bleiben, immer wieder Neues entwickeln. Wir sind ein junges Team und haben viele Ideen."
Ein Stern zum Zehnjährigen
So finden sich auf der neuen Karte „Schnecken à la Thai" mit Gado-Gado und Thai-Basilikum oder „confierte Steckrübe mit Gemüseasche, Argan-Öl und gepopptem Amaranth". Restaurantleiter und Sommelier Benjamin Becker sorgt nicht nur mit Weinen, sondern auch mit nicht alkoholischen Getränke-Begleitungen aus Wasserkefir oder Kombucha für ausgefallene Akzente im Glas. Als „Ein-Sterne-Cocktails" bezeichnete eine Freundin unlängst die „Nord-Ostsee-Länderreise"-Drinks von Barchef Andreas Andricopoulos. Das „Golvet" hat sich bodenständig und hoch oben, im achten Stock über der Potsdamer Straße, zweifellos als Leitstern der neuen Gastro-Meile etabliert.
Ob Thorsten Schermall von der „40 Seconds"-Group oder Heinz „Cookie" Gindullis von der „Cookies"-Gruppe: Clubbetreiber und Partymacher sind in den heiligen Hallen des Fine Dining angekommen. So kam der Stern fürs „Cookies Cream" als verspätete Überraschung zum zehnten Geburtstag Anfang November bei dem Team um Küchenchef Stephan Hentschel an. „Der erste Stern ist nach zehn Jahren eine wirklich schöne Auszeichnung, weil wir ihn für das erhalten, was wir wirklich sind – dafür, dass wir immer authentisch geblieben sind", sagt „Cookie" Gindullis. Die Nachfrage nach Tischen in dem ersten mit einem Stern ausgezeichneten vegetarischen Restaurant sei natürlich gestiegen. Authentizität in steter Veränderung ist und bleibt Programm. „Wir sind neugierig und entwickeln uns immer weiter. Wir haben einige Klassiker auf unserer Karte, wie zum Beispiel den Parmesanknödel, die wir immer weiter verfeinert haben", sagt Küchenchef Stephan Hentschel, der von Anfang an dabei war. „Der Stern ist eine Auszeichnung und Ehre nicht nur für mich, sondern für das ganze Team. Und auch unser Ansporn für die nächsten zehn Jahre." Der „Gault&Millau" vergab ebenfalls erneut 16 Punkte.
Man hatte bereits über das „Tulus Lotrek" gemunkelt. Schließlich knallten auch dort die Korken für den ersten Stern für Maximilian Strohe und das Team. Gründe für einen champagnerbedingten Rausch gab’s in letzter Zeit mehr als genug: Erst im Oktober wurde Ilona Scholl, Frontfrau, Expertin fürs Kaltgetränk und den herzhaft-herzlichen Service, „Gastgeberin des Jahres 2017" bei den „Berliner Meisterköchen". Partner Maximilian Strohe war 2016 bei den „Meisterköchen" „Aufsteiger des Jahres". Das vor zwei Jahren eröffnete „Tulus Lotrek" ist das erste eigene Restaurant der beiden. Das Statement zum „vorgezogenen Weihnachtsstern" lautete denn auch: „Wir fühlen uns, als hätten wir einen Frontalzusammenstoß mit einem Meteoriten hinter uns".
Nach den zahlreichen Gratulationen der Kollegen lassen nun die Gäste das Telefon im Dauerbetrieb klingeln. „Hier ist die Hölle los. Die Leute rufen an und fragen nach der Reservierungsabteilung", sagt Ilona Scholl. „Ich sage dann: Wir sind ein Team von sieben Personen". Die Gäste wollen auf die 34 Plätze an den geschrubbten Holztischen verteilt und von Max Strohe und seinem dreiköpfigen Küchenteam mit intensiv-aromatischen und konsequent beilagenfreien Gerichten bekocht werden. „Wir machen Kombis aus Dingen, die wir selber mögen. Das sind Austern ebenso wie Pilze aus dem heimischen Wald", sagt Strohe. Sicher werde bald mit mehr Personal gearbeitet, um dem Ansturm gerecht zu werden. „Aber wir machen uns die Bude nicht zu voll, um jeden Cent mitzunehmen." Vielleicht müssen die Gäste manchmal einfach ein bisschen länger auf einen Tisch warten. Dafür bleiben aber Qualität, Intensität und der gastnahe Service bei den „Lotrekkies", die dem „Gault&Millau" ebenfalls 15 Punkte wert waren, gewährleistet.
„Viele haben uns auf dem Schirm"
Ein überraschender Sternenträger kommt aus dem Spreewald: René Klages aus dem „17fuffzig" im „Bleiche Resort & Spa". Die Jury-Mitglieder der „Meisterköche" hatten einmal mehr den richtigen Riecher. Sie kürten den 29-Jährigen, der zuvor die „Kerzenstube" in Backnang leitete und im „Le Noir" in Saarbrücken als Küchenchef tätig war, zum „Meisterkoch der Region 2017". Im Spreewald fand Klages den kreativen Freiraum, in dem er und sein fünfköpfiges Küchenteam sich mit einer Kombination aus französischer Klassik mit japanischen Produkten und Aromen einen Michelin-Stern, 17 Punkte im „Gault&Millau" und die Erwähnung als „Entdeckung des Jahres" in Letzterem erkochten. Frische und Leichtigkeit kennzeichnen Klages’ Gerichte. „Ich koche auf der Grundlage eines perfekten Produktes, das ich klar und einfach in Szene setze. Ich möchte das Produkt durch meine Ideen und die Zubereitung adeln."
So vereinen sich meist maximal drei Aromen auf einem Teller, die dafür detailliert ausgearbeitet sind. „Es geht nicht um mich als Koch. Das Essen soll am Ende gut schmecken und den Gästen Genuss bereiten." Das funktioniert seit Klages’ Start Anfang 2017 im Spreewald bestens. „Es kommen viele jüngere und weltoffene Gäste, ein Drittel davon Berliner", beobachtete er. „Viele haben uns auf dem Schirm." Klages stammt aus Villingen-Schwenningen und arbeitete bislang im vielfach besternten und bepunkteten Süden der Republik. Er stellte verblüfft fest: „In Brandenburg ist es immer noch etwas ganz Besonderes, einen Stern zu haben." René Klages ist nun nicht nur selbst ein Stern am Brandenburger Kulinarik-Himmel, sondern ein besonders strahlkräftiger dazu.