Das Restaurant „Juving" in Herbitzheim besteht seit fast 100 Jahren. Bis heute ist es in Familienbesitz, und das wird auch so bleiben. Im kommenden Jahr übernimmt die vierte Generation das Zepter in Küche und Service.
Vielen Saarländern ist das „krumme Elsass" bekannt. Es ist der hügelige Teil im Nordwesten unserer Nachbarregion. Wer vom lothringischen Saargemünd auf der Straße über Rémelfing, Sarreinsming, Zetting und Wittring fährt, erreicht Herbitzheim, den ersten Ort im „krummen Elsass". Vier Kilometer hinter der Grenze zwischen dem Elsass und Lothringen.
Mein Weg führt mich heute ins Gasthaus „Juving", das auf eine fast 100-jährige Tradition zurückschauen kann. Ein Familienbetrieb, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Rosa und Joseph Juving gründeten das Haus 1919. Sie übernahmen in diesem kleinen Ort die Bierbrauerei und das damalige „Gasthaus Grünewald" und machten das „Restaurant Juving" daraus. Noch heute existiert unter dem Restaurant ein Kühlkeller, wo früher das Bier gelagert wurde.
1947 übergaben sie das Haus an ihren Sohn Charles, der es dann mit Ehefrau Jeanne bis 1981 führte. Die dritte Generation übernahm, die heutigen Betreiber heißen Jean und Caroline Juving. Caroline Juving erzählt: „Früher gab es hier im Ort einmal fünf Bistros. Wir sind übrig geblieben. Unsere Kundschaft kommt vor allem aus der Umgebung, etwa ein Viertel sind Deutsche."
Vor einigen Jahren sah es so aus, dass es mit dem Familienbetrieb nicht weitergehen würde. Das Ehepaar Juving hat zwei Söhne, Stéphane und Eric, und die beiden Jungs orientierten sich beruflich völlig anders. Stéphane machte eine Optikerlehre in Saargemünd. Eric strebte eine Ausbildung in einem Schmuckgeschäft in Sarre-Union an. Doch dann kam alles anders …
Ich sitze mit Eric Juving an einem Donnerstagmittag in dem gut besuchten Gasthaus. Er erzählt, warum er und sein Bruder das Familienrestaurant im kommenden Jahr nun doch übernehmen wollen: „Als ich mit dem Gymnasium fertig war, suchte ich einen Beruf, in dem ich mit den Händen arbeiten kann. Deshalb ging ich ins Schmuckgeschäft. Mein Chef dort war ein sehr kreativer Mann, das reizte mich. Leider bekam ich nach der Ausbildung nur eine Halbtagsstelle Also ging ich zurück in den Betrieb meiner Eltern, um etwas Geld zu verdienen. Ich kannte ja die Arbeit meiner Eltern seit meiner Kindheit".
Eric Juving ist bei den ganz Großen in die Lehre gegangen
In dieser Zeit entschloss er sich, doch eine Kochausbildung zu machen. Im Fernsehen sah er eine Reportage über eine ganz besondere Kochschule: das Institut Paul Bocuse in Ecully bei Lyon. Die Ausbildung dort dauert 30 Monate – und öffnet einem viele Türen. Die Schüler dieses Instituts von „Monsieur Paul", wie die Franzosen ihren berühmtesten Koch liebevoll nennen, machen ihre Praktika nur in Drei-Sterne-Restaurants. In seinem Fall waren das „Troisgros" in Roanne und die „Auberge de L’ Ill" der Familie Haeberlin im Elsass – zwei weltbekannte Namen mit einer ganz großen Kochtradition. Der junge Mann machte unbezahlbare Erfahrungen in diesen Häusern. Er arbeitete in einer Kochbrigade mit 25 Köchen auf höchstem Niveau. Die Arbeit war hart, der Lohn nicht üppig. „Viel Arbeit, wenig Geld", lacht er. Dafür aber sehr lehrreich.
Eric Juving ging zurück nach Herbitzheim. Hier arbeitet er unter seinem Vater, bis er 2018 als Küchenchef die Leitung der Küche übernehmen wird. Auch sein Bruder Stéphane entschloss sich, in den elterlichen Betrieb zu kommen – nach zahlreichen Stationen in der ganzen Welt, selbst in Australien. Er arbeitet im Service und wird die Leitung im nächsten Jahr von seiner Mutter übernehmen. Die vierte Generation übernimmt also 2018, und es wird somit ein Familienbetrieb bleiben. Auch die sympathischen Angestellten in Küche und Service, die alle schon lange hier arbeiten, gehören mittlerweile zur Familie.
An diesem Donnerstagmittag ist das Haus – wie so oft – voll. Auch das Nebenzimmer linker Hand der Eingangstür. Im hinteren Teil des Hauses gibt es zwei weitere große Räume für alle möglichen Festlichkeiten. Die Küche der Juvings kommt bei den Gästen sehr gut an. Überall nur zufriedene Gesichter. Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? Vater Jean Juving kocht mit seiner Mannschaft mit frischen Produkten. Seine Lehre machte er in einem elsässischen Restaurant in Sarrebourg, im „Chez Edy". Viele Produkte seiner Küche kommen aus der Region. Hier ist alles handgemacht.Der Küchenchef erzählt: „Wir machen unsere Fonds selbst. Mit den Knochen vom Wild oder Kalb, das wir selbst ausbeinen. Mit Gemüse und Wein ziehen wir unsere Reduktionen. Mit viel Zwiebeln, die wir in der Pfanne für die Farbe anschwenken. Und dann wird reduziert, reduziert, reduziert. Anschließend wird alles durch das Sieb passiert und weiter eingekocht. Fast wie eine Demi-glace."
Schlachtplatte und hausgemachter Boudin
Mittags wechselt das Menü täglich. Für 14 Euro präsentieren sie hier beispielsweise Fromage de Tête, also Schweinskopfsülze mit Salat oder Gemüsesuppe, darauf folgt zur Auswahl Kalbskopf mit Sauce gribiche oder hausgemachte Ravioli. Zum Abschluss gibt es dann hausgebackenen Kuchen oder Crème caramel. Aber auch Fisch und Fleisch stehen wöchentlich auf der Karte des Tagesmenüs. Alleine deshalb strömen die Stammgäste hierher. Auch etwas aufwendigere Menüs für 29 oder 32 Euro werden angeboten. Da gibt es dann zum Beispiel Jakobsmuscheln. Auch Königinpastetchen oder einen Teller hausgemachter Produkte. Selbst die Brezeln backen sie im „Juving" selbst. Im Hauptgang wird dann Ente, Rindersteak oder Wildschwein offeriert, zum Dessert gibt es Profiteroles, karamellisierte Ananas oder Schokoladentörtchen.
Wer sich die Karte kommen lässt, merkt sofort: Wir sind hier im Elsass. Schlachtplatte oder Vogesensalat etwa als Vorspeise. Natürlich Schnecken, Lewer- und Mehlknepfle. Ebenso die „Grumbeerkiechle", also Kartoffelpuffer. Diese gibt es natur, mit Käse aus Munster oder mit geräuchertem Lachs. Die Klassiker hier im Haus sind Rindersteak mit Knoblauch, Cordon bleu und Geflügelbrust mit einer cremigen Sahnesoße. Eine Besonderheit gibt es jedes Jahr im November. Das hat schon lange Tradition. „Les Cochonnailles" – also Schlachtplatten von jungen Schweinen. Die Eltern der heutigen Betreiber hatten einen kleinen Bauernhof. Und im November wurden dann zwei, drei Schweine geschlachtet. Daraus machen sie neben Schlachtplatten auch etwa einen hausgemachten Boudin. Heute hält Jean Juving seine Schweine bei einem befreundeten Bauern, um diese Tradition fortzuführen. Er macht auch eine Suppe aus dem Boudin. Gerne auch eine große Sauerkrautplatte mit Speck, Boudin, geräuchertem Schinken, gefüllten Kartoffeln und Fleischknepfle.
Für mich ist das Gasthaus Juving eine tolle Entdeckung. Alles, was ich hier gegessen habe, war von tadelloser Qualität. Delikat! Ein großes Lob, der Weg lohnt sich. So muss es sein.