Im Strömungskanal des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Adlershof wird am leisen Flugzeug der Zukunft geforscht. Ein Besuch vor Ort.
Im Grunde ist es banal. Triebwerke, Flugzeugrumpf, Tragflächen, Leit- und Fahrwerke – dies sind die wichtigsten Lärmquellen im Luftverkehr. Bei Düsenflugzeugen, die durch einen Strahl entgegengesetzt zu ihrer Flugrichtung vorangetrieben werden, entsteht der Schall bei der Verwirbelung mit der umgebenden Luft. Und der wird als Lärm wahrgenommen.
Im Strömungskanal des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Adlershof steht das Triebwerk im Mittelpunkt. Um die Schallentwicklung in Grenzen zu halten, forschen Wissenschaftler des DLR an der Quelle des Lärms. Zuständig hierfür ist die Abteilung Triebwerksakustik am Institut für Antriebstechnik des DLR. Professor Friedrich Bake leitet dort die Arbeitsgruppe Brennkammerakustik, die konkret am Schall durch Verbrennung von Kerosin im Triebwerk forscht. Das Ziel ist klar: Der Lärm muss weniger werden.
„Am Anfang des Flugzeugbaus stand bei der Entwicklung von Triebwerken, wie man den Schub erzeugt. Der dabei entstehende Krach spielte nur eine untergeordnete Rolle“, beschreibt Friedrich Bake die Anfänge. In den 1930er Jahren wurden die ersten Strahltriebwerke entwickelt, kurz darauf begann man auch mit der Messung von Fluglärm, das Fachgebiet der Aeroakustik entstand. Während des Zweiten Weltkrieges standen Militärmaschinen im Vordergrund. Die ersten Aggregate, die in den 1960er Jahren frühe Ziviljets wie die Boeing 707 oder die Ilyushin IL-62 antrieben, waren zigarrenförmig. „Moderne Triebwerke erinnern von ihren Umrissen eher an eine Tonne“, so Friedrich Bake. Sie bewegen durch die Turbofan-, Mantelstrom- oder Bypasstechnik eine größere Luftmenge, die das Triebwerk umströmt und dadurch den Lärm reduziert, indem sie den heißen Abgasstrom aus der Brennkammer ummantelt. „Denn die heißen Abgase sind viel schneller als die umgebende Luft“, erklärt Bake. „An der Grenze des Strahls entstehen Druckschwankungen, die als Lärm wahrgenommen werden.“
Auch die bei der Weiterentwicklung von Triebwerken immer größer werdenden Turbinenblätter am Lufteinlass der Triebwerke, die sogenannten Fans, sorgen für eine erhöhte Luftmenge in den Triebwerken, die geräuschmindernd wirkt. Allen technischen Entwicklungen zum Trotz, Start und Landung eines Flugzeuges sind nach wie vor besonders lärmintensiv und stellen hohe Anforderungen an das Nervenkostüm der Mitarbeiter und Anwohner eines Flughafens. Hier setzt die Aeroakustik mit der Messung von sogenanntem Strahllärm sowie die Forschung zur Lärmreduktion an.
Ein Beispiel für konkrete Ergebnisse: Die Chevron Nozzles der Boeing 787 „Dreamliner“ fallen optisch durch ihre gezackten Triebwerksaufhängungen auf. Tatsächlich sorgen sie für eine merkliche Reduktion des Laufgeräusches in allen Flugphasen der Maschine. Denn die heißen Luftschichten der Verbrennungsgase aus der Schubdüse und der kältere Mantelstrom im Triebwerk sowie in der Umgebungsluft werden stärker durchmischt.
Je mehr Luft, desto geringer der Lärm
Wenn sich der große Ventilator – eben der sogenannte Fan – langsamer dreht, würde sich der Lärm gewissermaßen automatisch verringern. Die Ingenieure haben außerdem herausgefunden, dass sich das Pfeifen und Rauschen des Ventilators noch weiter mindern lässt, wenn sie die Anzahl und die Form der einzelnen Schaufeln verändern. Genau ein solcher Fan, der all diese Überlegungen umsetzt, wird zurzeit getestet und vielleicht schon bald einsatzbereit sein. Bake schränkt allerdings ein: „Das darf natürlich nicht auf Kosten der Effizienz gehen, da sind uns Lärmforschern schon Grenzen gesetzt.“ Denn weniger Kerosinverbrauch beschränkt natürlich auch den Schadstoffausstoß. Das hat Priorität.
Doch nicht nur der Abgasstrahl, der das Flugzeug vorantreibt, verursacht Lärm. „Ein Triebwerk ist ein Resonanzkörper, der selbst Schwingungen erzeugt“, erläutert Bake. „Dadurch entstehen Töne im Gehäuse selbst. Sie sind häufig im niedrigen Frequenzbereich und stören eher als hohe Bandbreiten. Fauchgeräusche sind ein Beispiel dafür.“ Im Kern geht es also darum, die Töne des Triebwerks zu modifizieren und weniger hörbar zu machen.
Neben der Mechanik der Triebwerke spielt auch deren Position am Flugzeug eine Rolle. Sie sind zum Teil am Rumpf, auf den Tragflächen oder, bei den heute eingesetzten Verkehrsmaschinen, unter den Tragflächen montiert. Oder die Triebwerke sind in den Rumpf integriert, dann kann Schall während Start, Landung oder Flug aus anderen Quellen entstehen. „An alten Verkehrsflugzeugen wird die Lärmentwicklung der Triebwerke in verschiedenen Zuständen geprüft, um Daten für die Weiterentwicklung zu haben“, erläutert Bake das Vorgehen.
Von der Entwicklung einer neuen Triebwerksgeneration bis zur Serienreife dauert es etwa 30 Jahre. Die zahlreichen Sicherheitsüberprüfungen bis zur endgültigen Zulassung der Turbinen sind der Grund für die lange Entwicklungszeit. „Von der Laufleistung her hat ein Flugzeugtriebwerk eine weitaus höhere Lebensdauer als ein Auto“, erklärt Bake.
Auch nach dem Einbau stehen die Flugzeugmotoren ständig unter Beobachtung. Am Boden und auch während des Fluges melden sie Daten über ihren Betriebszustand per Funk an die Hersteller. Jede Unregelmäßigkeit, auch zwischen den Wartungsintervallen, wird durch Ingenieure erkannt, bevor es zu Schwierigkeiten im laufenden Betrieb kommt. Rolls-Royce beispielsweise, einer der großen Hersteller, sammelt in einem „Control Room“ die Daten aller weltweit im Einsatz befindlichen Triebwerke.
Akustiker prüfen den Lärm in der Kabine
Aber zurück zur Triebwerksakustik. Neben der Lärmentwicklung rund um das Flugzeug spielen die akustischen Eindrücke innerhalb der Kabine eine große Rolle. Der sogenannte Cabin Comfort wird immer wichtiger für die Fluggesellschaften im Kampf um die Gunst der Passagiere. Entwicklerteams bewerten die verschiedenen Klangfarben, die in einer Kabine während der unterschiedlichen Flugphasen – Start, Reiseflug, Landung – entstehen und prüfen, inwieweit sich diese in der Lautstärke verringern, aber auch in ihrem Klang verändern lassen. So dass sie angenehmer für das Ohr des Passagiers klingen. Die Psychoakustik ist stark von der individuellen Wahrnehmung bestimmt.
300 Mikrofone messen den Lärm
Die derzeitigen Geräusche, die in manchen Triebwerken entstehen, wären in einigen Flugphasen nicht nötig. Wir forschen daran, diese zukünftig zu vermeiden“, sagt Bake. Der Einsatz von Schalldämpfern im Einlasskanal ist eine Möglichkeit, das Triebwerk leiser zu machen. Diese akustisch dämpfenden Wandelemente, Liner genannt, reduzieren die Schallfrequenzen im Triebwerkseinlass vor den Fans oder direkt vor dem Brenner. „Die feinen Strukturen brechen den Schall und reduzieren ihn dadurch“, erklärt Friedrich Bake.Diese feinen Strukturen untersucht die Abteilung für Triebwerksakustik an verschiedenen Prüfständen.
Dafür stehen jeweils ein Kalt- und ein Heiß-Akustik-Teststand zur Verfügung. Hier können die Strömungsgeschwindigkeit und die Abhängigkeit von unterschiedlichen Temperaturen bei der Schalldämpfung untersucht werden. Das geschieht unter Bedingungen, die auch in der realen Atmosphäre herrschen. In ein Aluminiumrohr mit feststehendem Durchmesser wird Luft eingeblasen und damit das Strömungstempo im Triebwerk bis zur Schallgeschwindigkeit simuliert. Am Rohr montierte Mikrofone zeichnen den Schall auf, der daraufhin ausgewertet wird.
Weil Fluglärm im Allgemeinen nicht isoliert im Labor stattfindet, führen die Wissenschaftler des DLR auch regelmäßig Lärmmessungen an Flughäfen durch. Auftraggeber sind Fluggesellschaften oder Flughafenbetreiber. Kurz vor dem Beginn der Landebahn oder hinter dem Ende der Startbahn messen die Mitarbeiter mit Hilfe von 200 bis 300 aufgestellten Mikrofonen den Lärmpegel der einzelnen Maschinen.
Die individuelle Lärmentwicklung ist entscheidend für die Zulassung der Verkehrsflugzeuge in Europa, die von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA vorgenommen wird.