Im Wettbewerb um Studierende sieht sich die Saar-Uni trotz Sparmaßnahmen noch konkurrenzfähig. Für strategische Projekte braucht die Uni aber dringend zusätzliche Mittel, sagt der für Studium und Lehre zuständige Vizepräsident Roland Brünken.
Herr Professor Brünken, es gab viele Befürchtungen bis hin zu fast schon Horrorszenarios über die Auswirkungen des Sparkurses insbesondere auch auf das Lehrangebot. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht derzeit da?
Zunächst einmal: In der großen Breite haben wir das Fächerspektrum bis auf vereinzelte Einschränkungen erhalten können. Eine Ausnahme ist die Geografie, aber das war ja schon bekannt. Wir haben trotz leicht rückläufiger Studierendenzahlen in vielen Bereichen eine sehr hohe Nachfrage, aber in Einzelbereichen ist die Nachfrage etwas zurückgegangen, was uns etwas Sorgen macht. Für die Finanzierung der Universität sind die Studierendenzahlen und die damit verbundenen Einnahmen von erheblicher Bedeutung.
Deshalb haben wir ein großes Interesse daran, unsere Studierendenzahlen nicht zu sehr abschmelzen zu lassen. Das ist ja auch mit der Landesregierung vereinbart in der Ziel- und Leistungsvereinbarung. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, weil wir insgesamt in Deutschland rückläufige Nachfragezahlen haben durch die demografische Entwicklung. Außerdem sind die Doppel-Abiturjahrgänge inzwischen abgearbeitet. Deshalb rechnen wir auch mit leicht rückläufigen Zahlen, aber das hält sich derzeit noch in Grenzen.
Die demografische Entwicklung ist das eine, das andere ist das Streben nach immer höheren Bildungsabschlüssen und Studium, worüber es in anderen Bereichen wie dem Handwerk Klagen gibt. Wie verändert sich das?
Grundsätzlich beobachten wir seit Jahren eine steigende Akademisierungsquote. Es gibt mehr Abiturienten, und von den Abiturienten studieren auch mehr als früher. Das ist nicht nur ein Phänomen, das wir an Universitäten finden. Wir haben bundesweit einen recht starken Ausbau der Fachhochschulen. Insgesamt haben wir auch mehr Studiengänge als noch vor Jahren. Außerdem gibt es mehr private Anbieter, sodass die klassischen Anbieter zunehmend Konkurrenz haben. Und dann gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Fächern. Es gibt Fächer, die nach wie vor extrem gut nachgefragt sind und wir den Bedarf gar nicht decken können. Hier im Saarland sind das die medizinischen Fächer und die Psychologie, das gilt bundesweit, außerdem die Informatik, die Pharmazie und die Biologie, auch die Wirtschaftswissenschaften. Etwas rückläufig ist der Bereich Jura. Und dann gibt es Bereiche, wo wir gerne mehr Studenten hätten, wie Ingenieurs- und Naturwissenschaften, aber das ist kein Saarbrücker Phänomen.
Zu diesem Semester ist die Studierendenzahl zurückgegangen. Darin sehen einige erste Tendenzen als Auswirkung der langen und heftigen Spardebatten, die sich verschärfen könnten. Teilen Sie die Befürchtung?
Nein, eigentlich nicht. Wir haben einen bundesweiten Trend, der schlicht demografisch bedingt ist. Ich glaube nicht, dass wir da ein spezifisch Saarbrücker Problem haben. Wir haben in Bereichen Einschränkungen vornehmen müssen, aber wir haben nach wie vor attraktive Studiengänge. Außerdem spielen für die meisten Bachelor-Studierenden Faktoren wie Erreichbarkeit des Studienortes oder Verfügbarkeit von Studienplätzen eine große Rolle. Ich sehe nicht, dass wir jetzt hier als Reaktion auf die Sparmaßnahmen massive Einschnitte bei der Attraktivität hätten.
Das gelingt aber nur, weil hoher Einsatz der Mitarbeiter teilweise Auswirkungen der Sparmaßnahmen ausgleichen, sagen uns Studierende und Beschäftigte.
Es freut mich, dass wahrgenommen wird, dass viele Kolleginnen und Kollegen versuchen, mit ihren Möglichkeiten die Einschnitte, die ja bei allen Lehrstühlen vorhanden sind, zu kompensieren und das nicht auf Kosten der Studierenden zu machen. Nichtsdestotrotz ist diese Universität massiv unterfinanziert, sodass wir dauerhaft bei diesen Beschränkungen einiges nicht mehr aufrechthalten werden können. Trotz aller Sparmaßnahmen ist die Universität weiterhin defizitär. Jede Gehaltserhöhung ist erfreulich für die Mitarbeiter, für die Universität ist es ein Problem, weil sie finanziell nicht abgefedert ist. Das weiß auch die Landesregierung.
Eine massive Beeinträchtigung ist die Gebäudesituation samt dem bekannten Investitionsstau. Wie gehen Sie damit aktuell um?
Wir haben jetzt ein großes Gebäude, das uns Probleme bereitet …
Das ist angesichts der Situation eine diplomatische Formulierung.
(lacht) Es ist ja nicht das einzige Gebäude, das uns Probleme bereitet. Es gibt andere Gebäude auf dem Campus, die in einem ähnlichen Zustand sind, weil über Jahrzehnte versäumt worden ist, entsprechende Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen. Das Problem jetzt ist, dass in dem betroffenen Gebäude ja eine ganze Fakultät untergebracht ist. Wir haben uns entschieden, nicht die Fakultät auszulagern, sondern die Verwaltung, was zu großer Unruhe geführt hat, was ja auch verständlich ist. Aber es war eine Entscheidung für die Studierenden und die Wissenschaftler, die wir am Campus halten wollen, um die Bedingungen nicht noch schlechter zu machen. Dass so etwas irgendwann passiert, war allen klar. Dass es jetzt so ein Riesengebäude ist, maximiert natürlich den Schaden. Es zeigt die Versäumnisse der Vergangenheit über viele Landesregierungen und Präsidien hinweg. Aber es gibt ja auch tolle Neubauten.
Das zeigt die immer wieder beklagten zwei Welten an der Uni: einerseits der extreme Nachholbedarf, andererseits modernste Neubauten.
Ja, man kann das beklagen. Aber es zeigt auch eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte. Die Universität hat sich in den letzten 20 Jahren verändert und hat damit enorme Erfolge. Aber es stimmt: Man hat über die vielen Erfolge aus den Augen verloren, dass man auch in den Bestand investieren muss.
Die Landesregierung hat ab 2020 wieder mehr Mittel in Aussicht gestellt. Heißt das für die Uni, jetzt erst einmal noch zwei Jahre die Zähne zusammenbeißen?
Die Universität versucht natürlich, sich Handlungsspielräume in den zwei Jahren zu eröffnen. Das Problem ist: Man kann keine strategischen Projekte aufsetzen, für die jetzt schon Mittel investiert werden müssten. Deshalb gibt es Überlegungen, wie man für solch wichtige Entwicklungsprojekte Ressourcen gewinnen kann. Die Diskussion über eine Verwaltungsgebühr ist ja bekannt.
Was sind „strategisch wichtige Projekte“?
In meinem Bereich Studium und Lehre einerseits eine Intensivierung des Aufbaus internationaler Studiengänge, der die Universität weiter attraktiv macht für international Studierende, gerade in den Bereichen, wo wir den Bedarf aus dem deutschsprachigen Bereich nicht decken können. Das andere ist die Digitalisierung von Studium und Lehre. Da gibt es erhebliche Defizite, weil jahrelang zu wenig passiert ist. Das Dritte ist der Bereich der akademischen Weiterbildung. Wir wollen unsere Angebote für den Weiterbildungsbereich öffnen. Das hat den Vorteil, dass wir das Know-how schneller in die Praxis bekommen, andererseits sind solchen Angebote auch Einnahmequellen.
Wenn man unter alles einen Strich ziehen würde: Wie viel Geld bräuchte die Uni?
Wenn man sich ansieht, was das Land zusätzlich für alle Hochschulen in Aussicht stellt und was dann realistischerweise für die Universität bleibt, werden diese Summe nicht ausreichen.
Es geht um die 15 Millionen Euro, die für die Zeit ab 2020 im Raum stehen, wovon für die Uni vermutlich etwas mehr als neun Millionen blieben?
Genau, aber es gibt ja noch keine verlässlichen Angaben. Wenn wir Glück haben, reichen die Mittel, um die Unterfinanzierung der Universität, die jetzt schon besteht, einigermaßen zu decken. Die knapp zehn Millionen, die jetzt im Raum stehen, werden im Wesentlichen für die jetzt schon bestehenden und zu erwarteten Verpflichtungen benötigt werden. Für zukunftsweisende Entwicklungen wird da kein Platz sein. Was wir auf keinen Fall wollen, ist eine neue Spardebatte oder eine neue Strukturdebatte.