In den vergangenen sieben Jahren schafften die Bundesliga-Turner der TG Saar fünfmal den Einzug in das große Finale um die Deutsche Meisterschaft. Einem Titelgewinn (2012) stehen vier Vizemeisterschaften gegenüber. Trotzdem überwiegt der Stolz auf das Geleistete.
Die TG Saar ist so etwas wie Bayer Leverkusen im Fußball. Der Fußball-Bundesligist aus Leverkusen schaffte es in einer Saison, gleich in drei Wettbewerben den zweiten Platz zu belegen. Daraufhin sicherte sich der Verein sogar die Rechte auf die eher abfällige Bezeichnung „Vizekusen". Die Bundesliga-Turner aus dem Saarland wurden im November zum dritten Mal in Folge Deutscher Vizemeister. Während in der Fußball-Bundesliga derzeit der FC Bayern München einsam seine Kreise an der Tabellenspitze zieht, sieht sich die TG Saar mit dem Turn-Pendant KTV Straubenhardt konfrontiert, die sich zum dritten Mal in Folge im großen Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen die Saarländer durchsetzten. „Wir haben mit vollem Angriff geturnt, aber es hat leider nicht gereicht", sagt der TG-Vorsitzende Thorsten Michels zur 19:34 (8:16)-Niederlage in der Ludwigsburger MHP-Arena. Fehler der Saar-Turner wurden dabei vom Favoriten gnadenlos bestraft. So stand Philipp Matzke seinen Abgang von den Ringen nicht. Doch Michels relativiert: „Selbst, wenn er diese Übung steht, macht der Armenier immer noch fünf Punkte gegen ihn, weil es einfach ein Weltklasse-Athlet ist. Das war also nicht so dramatisch und sogar eher unkritisch." Auch die angeschlagenen Routiniers Waldemar Eichorn (Hand) und Oleg Verniaiev (Schulter und Fuß) patzten. Zudem wurde Eichhorn am Mittwoch vor dem Finale Vater und betreute bis kurz vor Beginn des eigenen Wettkampfs noch seine Jungs als Trainer der Nachwuchs-Bundesligamannschaft der TG. Von seinem Kapselriss im Finger mitsamt geschwollener Hand ließ er sich bei all dem Stress auch nicht beeindrucken. „Er ist einfach eine Kämpfernatur, und da verzeiht man ihm gerne, dass er bei einer Übung im Finale mal strauchelte. Das muss man erst einmal so bringen können", lobt Thorsten Michels. Ärgerlich: Straubenhardts Topstar Marcel Nguyen übertrat beim Sprung klar die Landezone, wurde aber trotzdem als Sieger des Duells mit Tobias Matzke gewertet.
Den Stolz auf eine „supertolle Saison" schmälert die Finalniederlage kaum: „Ich denke da an den Auswärtssieg beim KTV Obere Lahn, dem Team von Fabian Hambüchen. Ohne diesen Sieg hätten wir uns gar nicht erst für das Finale qualifiziert", sagt Michels. „Deshalb muss ich der gesamten Mannschaft ein Kompliment machen, dass sie alles so durchgezogen haben. Die entscheidenden Duelle waren alle auswärts und trotzdem konnten wir diese schweren Hürden nehmen und verdient ins große Finale einziehen." Eines sei aber auch klar: „Wenn man drei Mal in Folge ins große Finale kommt, will man irgendwann auch mal wieder den Titel gewinnen", sagt Michels wohlwissend, dass die TG gegen den großen Favoriten aus Straubenhardt immer nur Außenseiter-Chancen haben wird. Nicht nur wegen der vier aktuellen deutschen Nationalturner und den bärenstarken Ausländern ist der Dauerrivale sehr gut aufgestellt. „Auch der erweiterte Kader ist einfach breiter aufgestellt als unserer, weil dort einfach mit ganz anderen Mitteln agiert wird als wir es können", erklärt Michel und nennt neben den finanziellen Möglichkeiten auch die Kooperationen mit den Bundesstützpunkten in Chemnitz und Berlin, aus denen der KTV Talente akquirierte. Die Stärke des ewigen Kontrahenten soll jedoch nicht als Entschuldigung dienen – eher als Ansporn, „um irgendwann aus eigener Kraft, nur mit Saarländern und einem kleinen Kader die Straubenhardter vom Thron zu stürzen", sagt Michels.
In den vergangenen sieben Jahren stand die TG Saar fünfmal im großen Finale und holte einmal (2012) den Titel. „Das muss uns erst einmal jemand nachmachen. Das ist in dieser Form einmalig im deutschen Turnen", findet Michels. „Wir sind auch der einzige Verein, der mit drei Mannschaften in der Deutschen Turnliga vertreten ist." In der abgelaufenen Saison starteten die Saarländer erstmals mit der von Waldemar Eichorn trainierten Nachwuchs-Bundesligamannschaft der Zwölf- bis 16-Jährigen, die sich auf Anhieb ebenfalls für das große Finale qualifizierte und am Ende Fünfter wurde. In der 3. Liga Nord verpasste die Zweite Mannschaft der TG als Dritter nur knapp die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Die Nachwuchsarbeit funktioniert also. „Uns ist es wichtig, dass wir uns aus den eigenen Reihen bedienen können. Wir sehen nicht die Notwendigkeit, uns von Bundesstützpunkten zu bedienen", stellt Thorsten Michels klar.
Verniaiev muss operiert werden
Schon am 3. März startet die neue Saison mit einem Heimwettkampf gegen Stuttgart. Am zweiten Spieltag geht es dann direkt zu Obere Lahn. „Das heißt, dass wir zum Auftakt gleich zwei bärenstarke Gegner vor der Brust haben, die wir gewinnen müssen", erklärt Michels. Und das ohne den Olympiasieger von Rio 2016, Oleg Verniaiev. Der 24-jährige Topscorer der Saison 2017 wird sich im Januar einer Operation unterziehen müssen. Ihn plagen schon seit längerem Schmerzen an der Schulter und am Fußgelenk, weshalb er der TG Saar zum Saisonendspurt nur noch eingeschränkt zur Verfügung stand. Kurz vor dem Finale um die Deutsche Meisterschaft hatte die TG Saar deshalb den russischen Nationalturner Nikita Nagornyy verpflichtet, der die entstandene Lücke auf der Ausländerposition füllte. Dies soll nach Wunsch der Saarländer auch zum Saisonbeginn im Frühjahr 2018 der Fall sein. Mit dem Turner herrscht bereits Einigkeit, es fehlt lediglich die Freigabe des russischen Turnverbands. „Anfang Januar laufen die letzten Gespräche, ob es funktioniert oder nicht", sagt Michels.
Neben Straubenhardt und Obere Lahn, das wieder auf den deutschen Mehrkampfmeister Lukas Dauser (nach Kreuzbandriss) und Nick Klessing (Fußverletzung) setzen kann, hat der TG-Vorsitzende auch Stuttgart und den Aufsteiger TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau mit dem deutschen Held der Olympischen Spiele von Rio, Andreas Toba, auf der Rechnung. „Es wird also mal wieder eine enge und schwere Saison", weiß Thorsten Michels. „Unsere Zielsetzung ist ganz klar wieder Ludwigsburg. Ob nun im kleinen oder großen Finale. Wenn es ganz blöd läuft, kann man bei der Konkurrenz aber auch auf den fünften Platz abrutschen und beide Finals verpassen." Mithelfen, diesen „worst case" zu verhindern, soll Ivan Bykov, der verletzungsbedingt in der abgelaufenen Saison nur am Pauschenpferd eingesetzt wurde. „Er wird wieder an Barren, Reck und Sprung zur Verfügung stehen und uns verstärken. Von daher bin ich guter Dinge, dass wir für die die Saison 2018 gut aufgestellt sind", meint Michels. Damit dies auch über das kommende Jahr hinaus so bleibt, verkündete der Verein die Vertragsverlängerungen mit Oleg Verniaiev um zwei Jahre und mit Talent Felix Remuta um fünf Jahre.