Dauerheultöne und hungrige Kirchenmäuse: In der Advents- und Weihnachtszeit sind Orgelbauer ganz besonders gefragt. Wie Dominik Friedrich, der sogar an Heiligabend Rufbereitschaft hat.
Glühwein trinken, über Weihnachtsmärkte schlendern, gemütlich Geschenke kaufen gehen – das macht für viele Menschen die Vorweihnachtszeit aus. Für Dominik Friedrich aus Oberasbach bei Nürnberg jedoch ist die Advents- und Weihnachtszeit eine Zeit des konzentrierten Arbeitens. Der 31-jährige Orgelbaumeister, der mit seinem Unternehmen etwa 400 Orgeln im Raum Nordbayern betreut, restauriert zusammen mit seinen zwei Mitarbeitern und seinem Azubi einige altehrwürdige Kirchenorgeln, die vor den Feiertagen wieder hergestellt sein sollen – damit die sanierten Orgeln in der Advents- und Weihnachtszeit neu und gut gestimmt erklingen können. Dazu kommt: Die Oberasbacher Orgelbauer, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Jubiläum als Familienbetrieb feierten, verleihen regelmäßig Truhenorgeln, die bei festlichen Konzerten in der Vorweihnachtszeit eingesetzt werden – in diesem Jahr unter anderem in Feucht, Forchheim, Treuchtlingen, Heideck und Neumarkt. Sogar an Heiligabend steht Betriebsinhaber Dominik Friedrich noch bereit. „Vor drei Jahren wurde ich an Heiligabend nach Gerhardshofen im Aischgrund gerufen, dort war die Orgel plötzlich nicht mehr bespielbar – vermutlich hatte eine Maus die Schnur der Winddrossel durchgebissen", erinnert sich der Orgelbauer. Doch nicht immer liegt es an einer hungrigen Kirchenmaus, wenn die Orgel genau an den Feiertagen streikt. Denn die Orgel ist zwar, so sagte jedenfalls Mozart, „der König aller Instrumente", doch sie reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen der Temperatur. Wenn die Umgebungstemperatur in kurzer Zeit aufgeheizt wird, tritt trockene Luft in die Orgel ein und es können Spannungen auftreten. Im günstigsten Fall verstimmt dies die Orgel nur etwas, im schlimmsten Fall verursacht dies einen Dauerheulton, der die komplette Orgel nicht mehr bespielbar macht. Gerade an Weihnachten ist die Gefahr eines solchen Dauerheultons besonders groß, denn oft werden Kirchen, die sonst eher kühl sind, kurz vor dem Festgottesdienst beheizt – sodass sich die Temperatur fast sprunghaft um etwa 15 Grad erhöht. Tritt ein Dauerheulton auf, dann ist rasche Hilfe gefragt. Aus diesem Grund hat Dominik Friedrich auch an den Feiertagen stets Rufbereitschaft, und er eilt im Fall des Falles in Windeseile herbei – denn was wäre ein Weihnachtsgottesdienst ohne Orgelmusik? Im vergangenen Jahr beispielsweise hat er direkt an den Feiertagen ein pneumatisches Taschenventil an einer Nürnberger Orgel wieder funktionsfähig gemacht. In der Stadt Nürnberg sind er und seine Kollegen für alle wichtigen Orgeln verantwortlich – darunter die Orgeln in der Lorenz- und in der Sebalduskirche, in der Reformationsgedächtniskirche und in der Meistersingerhalle. „An Tagen, an denen dort Konzerte sind, ist bei uns immer jemand auf Abruf", versichert Dominik Friedrich.
Das Problem ist oft die Heizung in der Kirche
Orgelrenovierung und Orgelbau, das ist für den Orgelbaumeister aber weit mehr als nur der Einsatz in der Vorweihnachtszeit. In seiner Werkstatt in Oberasbach hat er Dutzende von blank polierten metallenen Orgelpfeifen sorgsam nebeneinander aufgereiht und mit kleinen Wattebäuschchen stummgesteckt. „Die Pfeifen werden vor Ort mitsamt den Wattebällchen wieder eingebaut, erst wenn die Orgel gestimmt wird, kommt die Watte heraus", erläutert Dominik Friedrich. Die kleinen Orgelpfeifen in seiner Werkstatt stammen aus einer Orgel aus Rottendorf bei Würzburg, aus der er und seine Kollegen sämtliche Pfeifen ausgebaut und gereinigt haben. Bei etlichen Pfeifen war es auch notwendig, den Lötkolben zur Hand zu nehmen und diese zu stabilisieren. „Beim Überarbeiten der Orgelpfeifen muss man jedes Teil mehrmals in die Hand nehmen, und man braucht etwa 15 bis 20 Minuten für eine einzelne Pfeife", erläutert Dominik Friedrich. Die Rottendorfer Orgel verfügt über etwa 550 Pfeifen. „Damit ist sie ein eher kleines Instrument", erklärt der Orgelbauer. Wenn eine Kirchenorgel generalüberholt wird, was etwa alle 20 Jahre notwendig ist, fallen aber noch viele weitere Arbeiten an – auch die Manualtasten, die Pedalklaviatur, die Tonventile und die Windbälge werden dann ausgebaut und restauriert oder erneuert. Oftmals sind die Tasten oder Bälge aus Leder gefertigt oder mit Leder gedämmt. Dieses muss abgelöst, erneuert und mit schnell trocknendem Knochen- oder mit langsam trocknendem Fischleim neu angebracht werden. Dafür hat Dominik Friedrich verschiedene Spezialleder auf Lager – etwa Ziegen- oder Rindsleder für kleinere oder größere Bälge oder Spaltleder für pneumatische Instrumente. „Eine Spezialität unserer Werkstatt ist die Sanierung pneumatischer Instrumente aus der Zeit von 1900 bis 1930", berichtet Dominik Friedrich.
Der Vater war ebenfalls Orgelbauer
Der 31-jährige Franke ist einer der Besten seines Faches in Deutschland, im Jahr 2008 wurde er sogar als bester Orgelbaugeselle Deutschlands gekürt. Im Jahr 2013 fertigte er sein Meisterstück, eine Truhenorgel mit drei Registern. Damals war Dominik Friedrich bereits seit mehreren Jahren Betriebsleiter, denn nachdem sein Vater Benedikt Friedrich, der ebenfalls Orgelbauer war, im Jahr 2009 unerwartet verstorben war, hatte Dominik Friedrich, der seinen Vater schon als Kind begleitete, die fachliche Leitung des Betriebs übernommen – mit 22 Jahren. „Mein Vater hatte bei der Firma Steinmeyer in Oettingen gelernt, das Unternehmen war einst einer der bedeutendsten Orgel- und Hamonienhersteller in Deutschland." Orgelaffin war nicht nur sein früh verstorbener Vater. Sein Großvater ist bereits seit Jahrzehnten Organist in einer Erlanger Kirche – und als solcher noch immer aktiv. Dominik Friedrich hat nie gelernt, die Orgel selbst zu spielen. Dafür spielt er gut Klavier und hat ein geschultes Gehör, sodass das exakte Orgelstimmen kein Problem für ihn ist. Falls eine von ihm betreute Orgel an den Feiertagen dennoch einmal etwas schräg klingen sollte, liegt das nicht an ihm, sondern an der raschen Temperaturveränderung. Pro Grad Celsius verschiebt sich die Stimmung einer Orgel um etwa 0,8 Hertz.