Im zweiten Teil unserer Serie „Die sieben Naturwunder" stellen wir eine der größten Touristenattraktionen Vietnams vor. Das Labyrinth aus rund 2.000 Inseln oder bizarren Felsmassiven mit sehenswerten Grotten oder Höhlen hat die Halong-Bucht weltweit berühmt gemacht.
Geheimagent James Bond alias Pierce Brosnan entert gemeinsam mit seiner wunderschönen chinesischen Agentin Wai-Lin das Schiff des nach der informatorischen Weltherrschaft greifenden Medienmoguls Elliot Carver. Als Schauplatz des Showdowns des Hollywood-Blockbusters „Der Morgen stirbt nie" wird immer wieder die Halong-Bucht in Vietnam genannt. Tatsächlich wurde die berühmte Film-Sequenz allerdings in Thailand gedreht, weil die kommunistischen Machthaber in Hanoi eine Dreherlaubnis in der Vinh Ha Long („Bucht des untertauchenden Drachens") verweigert hatten. Wer dennoch die seit 1994 zum Unesco-Weltnaturerbe zählende Sehenswürdigkeit bewundern möchte, sollte daher besser den Oscar-prämierten Streifen „Indochine" aus dem Jahr 1992 mit Catherine Deneuve in der Hauptrolle ansehen.
Die genau 1.969 Kalkfelsen, die auf einer Fläche von 1.500 Quadratkilometern aus dem smaragdgrünen Meer herausragen, locken jährlich mehr als 2,5 Millionen Besucher an. Um die Entstehung der unbewohnten Inseln und Felsen ranken sich verschiedene Mythen, in denen allesamt Drachen eine wesentliche Rolle spielen – auch wenn es sich nüchtern betrachtet nur um die höchsten Erhebungen eines in der letzten Eiszeit versunkenen Kalksteinplateaus handelt. Mal soll ein himmlischer Drache die bizarren Felsformationen, Grotten und Höhlen durch Schwingen seines riesigen Schwanzes gegen Feinde des vietnamesischen Volkes geschaffen haben, ein andermal soll eine von den Göttern entsandte Drachenfamilie Perlen gespuckt haben, die sich sogleich in kleine Inseln verwandelten, an denen die Boote der Feinde zerschellt waren.
Insgesamt 1.969 Kalkfelsen
Die Schönheit der Bucht und ihre magisch-beeindruckende, durch große und kleine Felsnadeln geprägte Szenerie vermochte schon vor Jahrhunderten die hier lebenden Menschen zu begeistern. „Auf einer der Inseln im frühen Morgenlicht zu wandeln oder des Nachts auf den Wassern dieser Bucht zu segeln – was für ein Wunder ist doch diese Landschaft!", dichtete ein vietnamesischer König im 13. Jahrhundert. Eine ähnliche Begeisterung brachte ein ansässiger Fürst im 15. Jahrhundert zum Ausdruck: „Hunderte von Wasserströmen umfließen die Berge – verstreute Inseln, ein Schachbrett des Meeres, das sich mit dem Himmel verbindet."
Idealer Ausgangspunkt für die Erkundung des Labyrinths aus Kalksteinformationen ist Halong City, von wo aus die Schiffe in der Hochsaison wie an einer Perlenschnur aneinandergereiht zu den Hauptsehenswürdigkeiten aufbrechen. Je nach Blickwinkel und Lichteinfall ändern sich die Formen der Inseln oder Felskolosse. 989 haben einen eigenen Namen bekommen, die meisten sind mit dichtem Urwald bewachsen und erstrahlen daher in leuchtendem Grün.
Viele der karstig-bizarren Felsen weisen Hohlräume auf oder sind durchzogen von Grotten und Höhlen, in denen die einheimischen Fischer bei Stürmen sichere Zuflucht finden können. Sung Sot („Höhle der Überraschungen") ist eine Grotte mit den Ausmaßen einer Kathedrale. Sie wurde 1901 entdeckt. Vom Boot aus führen 50 Stufen hinauf zum Eingang, vom dem aus sich drei zunehmend größer werdende Höhlen mit zahllosen Stalaktiten und Stalagmiten erkunden lassen. Sehr bekannt auch Dau Go („Höhle der Holzpfähle"), wo der Legende nach der vietnamesische General Tran Hung Dao die mit Metallspitzen bewehrten Holzpfähle gelagert hatte, die er im Jahr 1288 zum Zerstören der Mongolenflotte in der Bucht aufstellen ließ. Die Höhle besteht aus drei Kammern, dank zahlreicher tierförmiger Felsformationen wurde ihr schon früh der Beiname „Höhle der Wunder" verliehen. Auch Trinh Nu („Höhle der Jungfrau") und Thien Cung („Himmelspalast-Grotte") zählen zu den besonderen Attraktionen.
Cat Bat ist mit 225 Quadratkilometern die mit Abstand größte Insel der Bucht. Hier ist die Heimat der vom Aussterben bedrohten Affenart der Languren. Und auch Zibetkatzen oder orientalische Rieseneichhörnchen leben in dem Nationalpark, der von der UN zum Biosphärenreservat deklariert wurde. Während auf allen anderen Inseln die Ansiedlung verboten ist, dürfen auf Cat Bat Menschen wohnen. Hier leben daher 12.000 Insulaner – vom Fischfang, von der Austernzucht und immer stärker vom Tourismus.
Hauptsaison ist zwischen Mai und Oktober
Hauptsaison für die Halong-Bucht ist zwischen Mai und Oktober, es ist zwar die heißeste Zeit des Jahres, aber die Sicht ist in diesen Monaten am besten. Dann tummeln sich Jahr für Jahr zahlreiche Schiffe in der gut 165 Kilometer von Hanoi entfernten Bucht. Die traditionellen hölzernen Dschunken mit ihren großen roten Segeln und nostalgischen Kabinen wurden inzwischen fast komplett durch modernere Boote ersetzt.
Zum Pflichtprogramm gehört der Besuch eines der Dörfer, in denen die hier schon seit Jahrhunderten ansässigen Fischer in schwimmenden Hütten mit Bambusdächern oder auf ihren Hausbooten leben. Im seichten Gewässer der Bucht leben mehr als 1.000 Fischsorten, 232 Korallenarten, 169 Algen-Varianten und 450 Mollusken (Weichtiere). Riesengarnelen und Krebse gibt es hier im Überfluss. Die Einheimischen werfen zwar mit Hilfe ihrer Bambusboote nach wie vor ihre Netze aus, haben sich aber meist auch schon neben oder unter ihren schwimmenden Domizilen kleine Zuchtbecken zugelegt. Und auch Perlenfarmen kann man immer häufiger antreffen.
Früher verdienten sich die Fischer ein schönes Zubrot durch den Verkauf von Korallen. Doch da durch das Korallentauchen nicht nur die Korallenbänke, sondern auch die Laichplätze der Fische zerstört wurden, wurde es von der Regierung rigoros verboten. Das Ökosystem der Bucht, die Artenvielfalt von Flora und Fauna mit Sumpf- und Mangrovenwäldern, 200 Zugvögel- und 100 Reptilienarten wird auch durch wichtige quer durch die Inselwelt verlaufende Schifffahrtslinien bedroht. Noch viel größere Schäden hatte früher der Bergbau verursacht. Denn rund um die Bucht gibt es riesige Kohlevorräte, die seit Ende des 19. Jahrhunderts im Tagebau abgetragen werden – bis sieben Millionen Tonnen jährlich. Mehr als ein Jahrhundert lang wurden Kohleschlämme und Abwasser ungeklärt in die Bucht geleitet. Inzwischen werden zur Erhaltung des Weltnaturerbes immer mehr Abwasseranlagen in Betrieb genommen.