Trotz öffentlichkeitswirksamer Aktionen gegen die rechte Szene verändert sich diese in Richtung Salonfähigkeit. Ihr populistisches Gedankengut wird in sozialen Medien verbreitet und hat im vergangenen Jahr an Einfluss gewonnen.
Es war ein ermutigendes Zeichen, als sich am 11. März 2017 über 4.000 Menschen, darunter auch die saarländische Landesregierung sowie zahlreiche Abgeordnete, auf den Weg vom Staatstheater zum Saarbrücker Schloss machten. Sie alle waren gekommen, um gemeinsam gegen den Bundesparteitag der NPD in Saarbrücken zu demonstrieren und ein Zeichen für Demokratie und Menschlichkeit zu setzen. Geplant und durchgeführt wurde die Demonstration vom Aktionsbündnis „Bunt statt Braun", einem zivilgesellschaftlichen Netzwerk, dem rund 30 Organisationen angehören.
Seit Monaten ist die Stimmung aufgeheizt
Obwohl die Stimmung in Teilen der Gesellschaft aufgeheizt ist und die Themen Flucht und Asyl in der öffentlichen Diskussion eine enorme Breite einnehmen, profitiert die NPD, die diese Themen seit Jahren zu besetzen versucht, überhaupt nicht hiervon. Vielmehr kämpft sie ums politische Überleben. Bis vor kurzem war die NPD noch in zwei deutschen Landtagen vertreten, hat aber bei den letzten Bundestagswahlen nur noch 0,4 Prozent (0,5 Prozent im Saarland) der Zweitstimmen erreicht und fällt damit sogar aus der staatlichen Wahlkampfunterstützung, was die sowieso schon angeschlagene Finanzsituation der Partei nochmals verschärfen wird. Führende NPD-Mitglieder beklagen, dass Wähler und Unterstützer zur AfD übergelaufen seien. Der Bundesvorsitzende, der Saarländer Frank Franz, hat sich beim Bundesparteitag mit gerade einmal 60 Prozent der Stimmen gegen den in der militanten Neonaziszene verhafteten Thorsten Heise durchgesetzt. Ähnlich zerstritten und ohne Schlagkraft zeigt sich auch die lokale Saar-NPD. Die von einigen szenebekannten Akteuren immer wieder durchgeführten Mahnwachen und Demonstrationen ziehen in aller Regel nicht mehr als 20 Personen an. Die im Jahr 2016 noch sehr aktive „SageSa" (Saarländer gegen Salafisten), eine NPD-Vorfeldorganisation, hat ihre Aktivitäten im Jahr 2017 vollkommen eingestellt. Dann ist ja alles gut. Oder doch nicht?
Originalfassungen aus dem Internet: „Es ist erklärtes Ziel durch diese Biowaffe, Asylanten, die Deutschen samt ihrer Kultur zu vernichten, das wurde beschlossen und nun umgesetzt, dieses Ansinnen verfolgt ein Volk seit Jahren, dieses Volk dient nur dem Geld ohne Gewissen und treibt auf der ganzen Welt sein Unwesen." „Merkel und Co. sind die größten Schlepper der Geschichte! Dafür gibt es nur eins: Todesstrafe!"
So wurden Beiträge auf dem Facebook-Kanal der saarländischen AfD kommentiert. Geflüchtete Menschen werden als „Biowaffen" bezeichnet, verschwörungstheoretisch müsse dann auch jemand diese „Biowaffe" steuern. Wer das sei, ist dabei austauschbar – wahlweise Bundeskanzlerin Angela Merkel, die „links-grün-versifften 68er" oder wie in obigem Fall die Juden, auch wenn sie namentlich nicht genannt werden. Und diese antisemitischen, menschenverachtenden und hasserfüllten Angriffe bleiben nicht unkommentiert. Allerdings leider nicht wie aus einer menschenrechtlichen Position erhofft. Derartige Posts werden geliked und positiv kommentiert. Man muss an dieser Stelle kritisch nachfragen, welches Menschenbild bei den angeblichen „Rettern des Abendlandes" vorherrscht. Die Grundsätze unseres Grundgesetzes mit Artikel 1, „Die Würde des Menschen ist unantastbar", scheinen es nicht zu sein.
Mal anonymisiert, mal unter Klarnamen posten Menschen Hass im Netz. So hat das Amtsgericht Ottweiler Ende November eine Beisitzerin des AfD-Landesvorstandes zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro verurteilt. Das Gericht sah den Tatbestand des Angriffs auf die Menschenwürde als erwiesen an. Die AfD-Politikerin hatte auf Facebook in Bezug auf Schlepperboote im Mittelmeer geschrieben: „Am besten alle samt Inhalt versenken. (…) Ich habe keinen Bock auf diese kriminellen Schlepperbanden und genauso wenig auf ihre Kundschaft, die sich hier aufführt wie die Primaten".
Hakenkreuz aus Verbundsteinen
Hass und Gewalt bleiben aber nicht nur auf den virtuellen Raum begrenzt. Die Anzahl der rechtsextremen Straftaten ist im letzten Jahr auf ein Allzeithoch gestiegen. Der saarländische Verfassungsschutz zählt für das Jahr 2016 253 Straftaten (2015: 226), davon waren 8 Gewalttaten (2015: 13). Die Mehrzahl der ermittelten Gewalttäter hat dabei keinen Vorlauf in der rechtsextremen Szene. Bundesweit wurden 2016 22.471 rechtsextreme Straftaten, davon 1600 Gewalttaten, gezählt. Wie der Saarländische Rundfunk mitteilte, kam es im November bei einer Hausdurchsuchung bei einem 64-jährigen Saarbrücker zum Fund von Kriegsmunition und Waffenteilen. Daneben entdeckten die Beamten eine Reichskriegsflagge sowie ein mit Verbundsteinen ausgelegtes Hakenkreuz. Bereits im Januar 2017 wurde der „Nazi-Druide" Burghardt Bangert in Haft genommen, der regelmäßiger Teilnehmer der „SageSa"-Demonstrationen war. Bei ihm wurden Waffen und selbstgebauter Sprengstoff gefunden.
Rechtsextreme versuchen zurzeit die Diskussionen rund um den geplanten Moscheebau einer salafistischen Gemeinde in Sulzbach für sich zu nutzen. Unter dem Label „Sulzbach wehrt sich" betreiben unter anderem auch Szeneangehörige eine Facebookseite und organisierten im Juli 2017 eine Demonstration, an der rund 150 Menschen teilnahmen. Unterstützt wurden sie dabei vom niederländischen Pegida-Aktivisten Edwin Wagenveld. Trotz aller berechtigten kritischen Sicht auf den Salafismus ist es vor Ort wichtig, nicht Rechtsextremen die Deutungshoheit zu überlassen. Die Herausforderung dabei ist es, nicht in deren Falle zu tappen und die Fragen der Bürger mit denselben spaltenden Aussagen zu beantworten, sondern differenziert demokratische Positionen zu diesen Fragen zu entwickeln. Wenn diese Positionen öffentlich nicht vorhanden oder hörbar sind, steigt die Gefahr der Polarisierung der Gesellschaft, was wiederum den Extremisten und Spaltern in die Hände spielt.
Eine klare Positionierung gegenüber der „alten Rechten" zugeordneten NPD, wie am 11. März in Saarbrücken geschehen, ist zwar wichtig, aber nicht ausreichend. Anschlussfähiger in der Gesellschaft in Gestus, Aussehen und Sprache zeigt sich da schon die rechtsextreme, völkische „neue Rechte", die im Fahrwasser von Pegida und AfD zunehmend an Einfluss gewonnen hat. Der extrem rechte AfD-Funktionär Björn Höcke spricht von „geistigem Manna", das er aus den Schriften dieser „neuen Rechten" ziehe. Dieser Blick in unsere Region, aber auch der Blick ins europäische Ausland und in die USA zeigen uns, dass unsere westlichen, liberalen Gesellschaften von rechtspopulistischen und rechtsextremen Strömungen herausgefordert sind. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten und die demokratischen und menschenrechtlichen Fundamente unserer Gesellschaft zu stärken. Hierzu sind wir alle aufgefordert.