Schon in der Schule spielte Jonas Sippel gerne Theater und wurde dort von einer Regisseurin entdeckt. Der 23-Jährige ist mittlerweile im Ensemble des Theaters Ramba-Zamba in Berlin und stand auch schon für Film und Fernsehen vor der Kamera.
Herr Sippel, Sie sind mit Down-Syndrom zur Welt gekommen. Aufgewachsen sind Sie auf dem Land im brandenburgischen Rangsdorf. An was erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken?
Ich bin in München geboren, allerdings sind wir bald nach Rangsdorf umzogen. Ich kann mich an große Wälder erinnern, an die Tiere des Waldes, an Treibjagden.
Haben die Einwohner des Dorfes Ihr Anderssein hundertprozentig akzeptiert?
Dort mögen mich alle, die mich kennen!
Nervt es Sie eigentlich, dass Journalisten Sie auf Ihre Behinderung ansprechen?
Manchmal ja, manchmal nein. Eigentlich nicht.
Sie arbeiten seit 2009 als professioneller Schauspieler fürs Theater, Kino und jetzt auch fürs Fernsehen. Im September spielten Sie in der ZDF-Krimiserie „Kommissarin Lucas" die Hauptrolle des Theo Pröll, einen jungen Mann, der unter Mordverdacht gerät. Mir persönlich hat sehr gut gefallen, dass Sie so erfrischend direkt gespielt haben. Wie hat Ihnen die Rolle gefallen?
Die Rolle hat mir überraschend gut gefallen.
Theo Pröll sagt in einer Szene zu dem Mordopfer: „Dein Busen ist total hart – warum?" Woraufhin ihm die Frau im gereizten Ton antwortet: „Bist Du so dumm, weil Du so dumm bist oder liegt es daran, dass Du ein Mongo bist?" Würde es Sie kränken, wenn irgendjemand im realen Leben so respektlos mit Ihnen spricht?
Das ist mir noch nie passiert, und ich bin auch nicht mit diesem Wort aufgewachsen. Allerdings macht es mir auch keine Angst.
Wie haben Sie die Arbeit am Filmset mit den anderen Profis wie Ulrike Kriener und Tom Brauer erlebt?
Ich habe mich sehr geehrt gefühlt und es war eine tolle Zusammenarbeit.
Gab es während der Drehtage Momente, wo Sie sich von Ihren Kollegen bevormundet oder sogar nicht ernstgenommen gefühlt haben?
Die haben mich alle ernstgenommen!
„Löwenherz" war Ihr erster Fernsehfilm, in dem Sie mitgespielt haben. Gab es Szenen, die für Sie als Schauspieler etwas völlig Neues und vielleicht angstbesetzt waren?
Ich hatte keine Angst; ich habe eher das Problem, dass ich keine Angst kenne!
Bedeutet für Sie die erste Hauptrolle in einem Fernsehfilm so etwas wie ein Karrieresprung?
Das hoffe ich auf jeden Fall!
Eine Hauptrolle in einer öffentlich-rechtlichen Fernsehserie ist so etwas wie ein Sechser im Lotto. War es für Sie einfach, da heranzukommen?
Jeder von uns hat Träume und würde das gern machen, aber man muss auch Ehrgeiz haben; Jacob Höhne, der Intendant des Ramba-Zamba-Theaters, hat mich vermittelt.
Sie sind seit 2012 festes Ensemblemitglied des Inklusionstheaters Ramba-Zamba in Berlin-Prenzlauer Berg. Worin unterscheidet sich das Bühnenschauspiel von der Arbeit vor der Kamera?
Für meine Arbeit macht das keinen Unterschied, außer, dass ich auf der Bühne immer den ganzen Text können muss, und vor der Kamera nur den Text für die Szenen, die gedreht werden.
Wollen Sie gern öfter in Fernseh- oder Kinofilmen mitspielen, wenn Ihnen entsprechende Angebote gemacht werden würden?
Ja, auf jeden Fall sehr gern.
Sie werden von Rollenfang, einer Onlineplattform für Inklusion in Film und Fernsehen gefördert und unterstützt. Deren Ziel ist, dass Schauspieler mit Handicap viel mehr und öfter in Film und Fernsehen zu sehen sind. Hilft Ihnen das unter anderem, als professioneller Schauspieler wahrgenommen zu werden?
Es ist eine Schande, dass Menschen mit Trisomie 21 im Film und Fernsehen so selten zu sehen sind!
Können Sie von der Schauspielerei leben, Ihren Lebensunterhalt bestreiten oder werden Sie finanziell unterstützt?
Das wäre mein Wunsch, dass ich von der Schauspielerei leben könnte, aber im Moment geht das noch nicht. (Jonas Sippel erhält keine feste Schauspielgagen, sondern ist im Rahmen eines Werkstattvertrages bei den VIA-Werkstätten in Berlin angestellt, Anm. d. Red.)