Werner Dörrenbächer gehörte zur Weltelite seiner Disziplin. Der Leistungssportler hielt einst den deutschen Marathonrekord und rangiert auf der deutschen Bestenliste der Männer unter den Top 20. Sogar mit einem blutenden Zeh lief er eine Bestzeit.
Werner Dörrenbächer genießt das süße Leben. Er trinkt gerne bulgarischen Rotwein während er seinen Blick über die schöne Landschaft seiner neuen Heimat schweifen lässt. Seit 2015 lebt der frühere Hochleistungssportler nahe der bulgarischen Großstadt Burgas, 900 Meter Luftlinie von der Schwarzmeerküste entfernt. Dazu hat er ein Domizil im Skigebiet Bansko, wo es bis zu 3.000 Meter hohe Berge gibt, die er auch schon bestiegen hat. Der gebürtige Saarländer hielt einst den deutschen Marathonrekord und rangiert mit seiner Fabelzeit von 2:12:22 Stunden auf der ewigen deutsche Bestenliste der Männer unter den Top 20. Vor Kurzem erhielt der 63-Jährige die Einladung zum „Tiberias Marathon". Als Ehrengast. Genau 40 Jahre nach seinem Sieg dort in 2:19:21 Stunden. Nach zwei Hüft-Operationen in den vergangenen drei Jahren wird er am 5. Januar 2018 allerdings „nur" die zehn Kilometer-Strecke des Rennens „Um den See Genezareth" absolvieren. „Aber nicht im Wettkampf-Tempo", versichert er.
Dass er überhaupt noch so fit ist, verdankt der Polizist im Ruhestand seiner Disziplin und einem eisernem Willen. Nur so kann er Genuss und Gesundheit kombinieren. Jeden Tag steht eine Stunde Ausdauersport auf dem Programm, dazu macht Dörrenbächer regelmäßig sogenannte energetische Diäten. Das jahrelange, tägliche Training für den Leistungssport mit bis zu 280 Wochenkilometern ging nicht spurlos an ihm vorüber. „Ich laufe nicht mehr jeden Tag, um die Gelenke etwas zu entlasten", sagt er und nennt neben dem Laufen auch das Skiroller- und Mountainbike-Fahren: „Ich brauche das einfach. Ich kann auch mal ein paar Tage nichts machen. Aber meine Frau sagt, ich sei dann unausstehlich." Das Laufen war und ist ihm eine „innere Motivation, die einen beflügelt". Dabei kam er über Umwege zu seinem Lieblingssport: Sein Onkel schenkte dem kleinen Werner einmal ein Paar Langlauf-Skier. Kaum zum ersten Mal draufgestanden, wurde sein Ausdauer-Talent erstmals sichtbar. In seiner Altersklasse wurde er in der Folge zehn Mal Langlauf-Saarlandmeister. „Irgendwann meinte mein Onkel, ich solle im Sommer durchtrainieren, um dann auch mal gegen die Bayern oder Alpenländer antreten zu können", erinnert sich Dörrenbächer. Es folgte die Anmeldung bei den Leichtathleten des SV Saar 05 Saarbrücken – verbunden mit der Bitte, mittrainieren zu dürfen. Was sich daraus entwickelte, ist aller Hochachtung Wert: der beste Langstreckenläufer, den das Saarland je hervorbrachte. Über ein Jahrzehnt gehörte Dörrenbächer, der als Steppke zusammen mit dem späteren Nationalspieler Gerd Zewe in Stennweiler Fußball spielte, zur Weltelite seiner Disziplin. Die Fabelzeit von 2:12:22 Stunden beim Marathon von Essonne bei Paris am 16. März 1980 bleibt sein ewiges Vermächtnis. Auch sein Lauf Ende 1980 im japanischen Fukuoka ist legendär: Eine Bestzeit im Blick, „platzte" Dörrenbächer während des Rennens der rechte Zeh. Heftig aus dem Schuh blutend – er lief immer ohne Socken – und unter höllischen Schmerzen erreichte er mit 2:14:50 Stunden noch eine grandiose Zeit.
Als Ehrengast zum Marathon nach Israel
Sein Talent wurde schon als 16-Jähriger in der Schule erkannt. Damals durfte er als Ersatzmann mit dem „Jugend trainiert für Olympia"-Team des Krebsberggymnasiums Neunkirchen zum Finale nach Berlin fahren. In seiner Teenie-Zeit war er ein „Draufgänger", wie er sagt. Dem Alkohol, Zigaretten und nächtelangem Feiern nicht abgeneigt. „Da unser Lauf erst am Ende der Woche war, war ich fast die ganze Woche besoffen", erinnert er sich schmunzelnd. „Die wollten mich schon mit dem Zug nach Hause schicken." Letzten Endes wurde er Viertbester. In stinknormalen Turnschuhen. Während seine Konkurrenten auf der modernen Tartan-Laufbahn in Spikes antraten.
Den Lebenswandel umzustellen, sich vom Draufgänger zum disziplinierten Hochleistungssportler zu verändern, fiel ihm nicht leicht. „Das war eine Gratwanderung und es bestand die Möglichkeit, abzudriften", meint er sogar rückblickend. „Irgendwann hat es dann Klick gemacht und ich habe das alles sein lassen." Mit 18 fing er seine Ausbildung bei der Polizei Saarbrücken an, später war er Sportleiter und Ausbilder – beispielsweise für den saarländischen Topschwimmer und Olympia-Teilnehmer Andreas Waschburger. Eine Sportfördergruppe, zu der Waschburger gehört, gab es damals nicht. Im Gegenteil: Sein Arbeitgeber hinderte Dörrenbächer noch an der Erfüllung eines großen Traumes. Im Alter von 19 Jahren, für Sportler recht spät, fing er mit dem Leistungssport an.
Zwei Jahre lang eilte er im Wochenrhythmus von einer Bestzeit zur anderen. „Es gab keinen Rückschritt, es ging nur steil nach oben", erinnert sich Dörrenbächer. Er lief sich in die Nationalmannschaft und reiste mit dieser zu Wettkämpfen auf der ganzen Welt. „Ich hätte mir anders nie leisten können, in diese ganzen Länder zu kommen", erzählt der heute 63-Jährige. Das Reisen entwickelte sich zur zweiten Leidenschaft, seiner Triebfeder für Topleistungen im Sport.
Auf die Reise nach Israel im Januar freut er sich deshalb auch riesig. „Auch zu sehen, was dort in den letzten 40 Jahren so alles passiert ist, wie sich die Infrastruktur und die Menschen verändert haben", sagt er. Eine Reise blieb ihm jedoch ohne eigenes Zutun verwehrt: die zu den Olympischen Spielen 1980 in Moskau. Er qualifizierte sich, aber weil die UdSSR in Afghanistan einmarschierte, boykottierte der Großteil der westlichen Nationen die Spiele, darunter auch Deutschland. So wurde ihm die Möglichkeit genommen, sich den Traum eines jeden Sportlers zu erfüllen. „Das war damals ein Desaster. Ich brauchte schon eine Weile, das zu verarbeiten", beschreibt Dörrenbächerseine Gefühlswelt. „Als ich aus dem Motivations-Loch wieder herauskam, habe ich mir die Spiele 1984 in Los Angeles vorgenommen." Er absolvierte ein selbst finanziertes, neun Wochen dauerndes Trainingslager auf Gran Canaria. „Ich kam mit dem guten Gefühl zurück, dass mir die Olympia-Qualifikation wieder gelingen könnte." Nach seiner Rückkehr erreichte ihn noch am Flughafen in Ensheim die zweite olympische Hiobsbotschaft. Ein Kollege, der ihn dort abholte, überbrachte die schlechte Nachricht: Dörrenbächer musste für die Polizei an einem Lehrgang teilnehmen, der über drei Monate ging. „Mir war klar, dass dies das Aus bedeutete. Zwei Mal pro Tag trainieren während eines Lehrgangs war nicht möglich", wusste der Sportler. Wieder hatte es ohne eigenes Verschulden nicht geklappt, dieses Mal raubte ihm der Arbeitgeber die Chance auf Olympia. Durch die mittlerweile bestehenden Fördermöglichkeiten des Spitzensports heutzutage nahezu undenkbar.
Ein beruflicher Lehrgang verhinderte Olympia
Das Reisen war es, das ihn irgendwann auf die Idee brachte, auszuwandern. Nach zwei, drei Urlauben in Bulgarien verliebte er sich zusammen mit seiner Frau in das Land, „seine atemberaubende Natur und die stabilen Sommer." Auch die Kommunikation vor Ort funktioniert. Er spricht englisch, seine Frau lernt erfolgreich bulgarisch. „Mit dieser Kombination kommen wir ganz gut klar." Werner Dörrenbächer ist glücklich in Bulgarien. „Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Ich möchte gar nicht mehr zurück. Ich bin hier absolut mit mir im Reinen", sagt der Auswanderer sogar. Ins Saarland ziehen ihn nur noch der 87-jährige Vater und die anstehende Hochzeit seiner Tochter.