Naturkatastrophen, Terrorismus, Airline-Pleiten: Im vergangenen Jahr hatte das Krisenmanagement der Reiseveranstalter viel zu tun. Immer wieder mussten Urlauber aus instabilen Regionen in Sicherheit gebracht oder kurzfristig auf andere Fluggesellschaften umgebucht werden.
Vermutlich das i-Tüpfelchen auf einem ohnehin nicht einfachen Jahr für die Reisebranche war Mitte Dezember die Insolvenz der ehemaligen Air-Berlin-Tochter Niki. Die einst von Rennfahrer Niki Lauda gegründete Airline sollte eigentlich von der Lufthansa übernommen werden. Die aber hatte ihr Angebot für „Fly Niki" wegen Bedenken der EU-Wettbewerbshüter am 13. Dezember 2017 zurückgezogen. Mit sofortigen Folgen: „Fly Niki" reichte am Tag darauf den Insolvenzantrag ein und beendete den Flugbetrieb.
Insgesamt seien allein von der Niki-Pleite bis zum Oktober 2018 rund 400.000 Urlauber betroffen, sagte Insolvenzverwalter Lucas Flöther. Kein Wunder also, dass die Veranstalter händeringend Ersatz für die nun plötzlich wegfallenden Flüge suchten – und es teilweise immer noch tun. Keiner müsse sich jedoch Sorgen machen, nicht in den Urlaub fahren zu können, heißt es bei der Tui, die bereits vor Weihnachten Dutzende Sonderflüge mit der hauseigenen Tuifly aufgelegt hatte. Auch andere Veranstalter wie Der Touristik, FTI oder Schauinsland geben sich optimistisch, dass für alle auf Niki gebuchten Kunden eine Lösung gefunden werden kann. Dass die ursprünglich gebuchte Reise dann etwas anders abläuft als geplant, muss in Kauf genommen werden. Angesichts nicht immer ausreichender Kapazitäten, beispielsweise bei Flügen nach Madeira, müssen teilweise Flugtage verändert werden, mitunter auch gleich das Reiseziel. Oder es muss ein Zwischenstopp oder eine Übernachtung in Kauf genommen werden. So geschehen bei Der-Kunden aus Wien und Salzburg: Die reisten zwar wie geplant nach Gran Canaria, allerdings mit einer Zwischenübernachtung in Hannover.
Die Niki-Pleite war eine von zahlreichen Krisensituationen, mit denen sich das Team von Tui-Chefkrisenmanager Ulrich Heuer im letzten Jahr herumschlagen musste. Insgesamt listet seine Statistik knapp 360 „Ereignisse unterschiedlichen Schweregrads" auf, von „Ereignissen im Tagesgeschäft" wie Badeunfällen über Waldbrände bis hin zu Erdbeben. Logisch, dass solche Ereignisse, markiert von grün über gelb bis orange oder rot für die höchste Warnstufe, auch unterschiedlich behandelt werden müssen.
Seit 2015 gehört zum Konzern ein hauseigenes Krisenzentrum, das mit der neuesten Technik ausgestattet ist inklusive Videowall mit Flachbildschirmen. Auf 280 Quadratmetern arbeiten strategischer Krisenstab und operatives Lagezentrum eng zusammen. Bei Naturkatastrophen, Streiks oder politischen Unruhen in Urlaubsregionen werden so alle verfügbaren Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und bewertet. Auch die Buchungsdaten der Tui-Gäste fließen dann mit ein. So wissen die Mitarbeiter des Krisenstabs quasi auf Knopfdruck, wie viele Urlauber sich gerade in der betroffenen Region befinden. Wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgebe, so gelte die Warnstufe Orange und Gäste würden aus dem entsprechenden Land schnellstmöglich nach Hause geflogen, sagt Krisenmanager Ulrich Heuer. Und wer zu so einem Zeitpunkt noch auf sicherem Boden zuhause sei, werde auch gar nicht mehr dort hin gelassen.
Warnsystem zur Krisenprävention
340 Mitarbeiter des Touristikkonzerns haben sich zudem freiwillig ausbilden lassen, um im Notfall im „Emergency Care Team" Kunden vor Ort zu betreuen oder sie bei und nach der Rückkehr unterstützen zu können.
Zwei rot markierte Krisen galt es in diesem Jahr zu bewältigen, als die Wirbelstürme Irma und Maria über die Karibik und Florida fegten und dort eine Spur der Verwüstung hinterließen. Eine echte Herausforderung sei das gewesen, bestätigt auch Melanie Gerhardt, die Leiterin des Krisen- und Sicherheitsmanagements bei der Der Touristik. Tagelang seien rund 100 Mitarbeiter im Einsatz gewesen, um sich mit dem Auswärtigem Amt und den Partneragenturen vor Ort auszutauschen, wie man Urlauber aus den betroffenen Gebieten in Sicherheit bringen könne. In Florida mussten einige Urlauber gleich zwei Mal aus gefährdeten Regionen geholt werden, denn Hurrikan „Irma" hatte mehrmals die Zugrichtung gewechselt.
Ende November drohte der Vulkan Agung auf der indonesischen Ferieninsel Bali auszubrechen, erste Eruptionen waren bereits in einem kilometerbreiten Umkreis zu
hören und spüren. Die lokalen Behörden riefen Alarmstufe Rot aus, sperrten den internationalen Flughafen in der Inselhauptstadt Denpasar, rund 450 Flüge wurden gestrichen. Knapp 60.000 Urlauber saßen fest, unter ihnen rund 5.500 aus Deutschland. Auch hier mussten die Krisenstäbe der Reiseveranstalter blitzschnell handeln. In Zusammenarbeit mit den Partneragenturen vor Ort organisierten sie zusätzliche Hotelplätze, buchten Reisende auf neue Flüge um.
Um möglichst schnell auf außergewöhnliche Ereignisse reagieren zu können, sei es wichtig, in Krisenprävention zu investieren, heißt es unter anderem von der Tui. Die verfügt über ein Krisenfrühwarnsystem namens „Global Monitoring", entwickelt vom Deutschen Reiseverband und einem Tübinger IT-Unternehmen. Bei dem Tool handelt es sich um eine Art Warnmeldeticker für Meldungen und aktuelle Daten zur betreffenden Region. Betreffen besondere Krisenfälle die gesamte Branche, koordiniert der Deutsche Reiseverband DRV die interne Kommunikation der verschiedenen Krisenstäbe und -beauftragten ebenso wie die zentrale Kommunikation mit dem Auswärtigen Amt und anderen Bundesbehörden. So hat der DRV die Möglichkeit, direkt im Lagezentrum des Auswärtigen Amts im Krisenstab mitzuarbeiten, was einem schnellen Informationsaustausch zwischen Bundesregierung und Reiseveranstaltern zugutekommt.
Und wie sieht es bei den kleineren Veranstaltern aus? Nicht alle können sich einen eigenen Krisenbeauftragten leisten. Auch hier macht der DRV Angebote und veranstaltet regelmäßig Seminare im Krisenmanagement. Die Teilnehmer lernen dabei Techniken zur Krisenbewältigung und erfahren, was für die Kommunikation im Ernstfall wichtig ist. Denn dass die Welt von Krisen in Atem gehalten werde, daran werde sich nichts ändern, sagen die Touristikexperten übereinstimmend. Umso wichtiger werde es auch zukünftig sein, schnell darauf reagieren zu können.