Trendige Weinnamen gehen heute weit über historische Bezeichnungen hinaus.
Weine haben ja oft merkwürdige Namen, die den Trinkgenuss aber nur selten mindern. Den Kröver Nacktarsch können wir uns an dieser Stelle verkneifen. Sogar die für üble Trauben-Plörre kursierende Titulierung „Chateau Migraine“ gibt’s wirklich. Die „Domaine Scharlatan“ geht auf ihrem Etikett noch ins Detail: Grand vin misérable, Dernier Cru, Appellation souterraine pas controllée. So viel Wahrheit ehrt! Aber so etwas setzt man doch allenfalls der Verwandtschaft vor.
Viele moderne Winzer sind nicht nur bei Most-Zusätzen sehr kreativ, sondern auch beim Betexten ihrer Flaschen-Etiketten. Alte Lagennamen sind out. Beim australischen Shiraz „Ladies who shoot their lunch“ kann man nur hoffen, dass die abgebildeten Flintenweiber nicht über ihr Ziel hinaus schießen. In Kalifornien hat ein Weingut den blanken Horror im Visier: Neben Gruselbildern stehen da Namen wie „Zombie“ oder „Vampir“. Viel schrecklicher kann da der Wein ja auch nicht sein.
Ob der Genuss des neuseeländischen Sauvignons „Cat’s Pee“ (Katzenpisse) hält, was der Name verspricht, haben wir vorsichtshalber nicht überprüft. Optisch interessant finden wir den roten Spanier „Lesegut“, dessen Etikett mit immer kleiner werdenden Zahlengruppen an den Sehtest erinnert. Wer nach drei geleerten Pullen die kleinste Reihe noch lesen kann, darf beruhigt eine vierte öffnen.
Deutsche Winzer demonstrieren heute auf ihren Etiketten, dass sie der englischen Sprache mächtig sind. Nichtakademische Trinker brauchen daher neben dem Korkenzieher auch einen Diktionär. Der Deidesheimer Reichrath von Buhl nennt einen herben Riesling „Bone dry“, obwohl das pfälzische „forzdrogge“ viel authentischer klingt. Josef Leitz aus Rüdesheim mit seinem „Dragon Stone“ oder der Rheingauer Ullrich Allendorf mit seinem umweltbewussten „Save water, drink Riesling“ geben sich gleichermaßen anglophil. Hoffentlich hat der Württemberger Markus Bruker für seine Gewächse „Black Star“ und „Black Hole“ nicht überwiegend Schwarzarbeiter eingesetzt.
Seelenverwandt fühlen wir uns sofort mit dem Nußdorfer Emil Bauer, der einen Weißwein „My head says Gym, my heart says Sauvignon blanc“ betitelt. Gerade Bauer bietet auf den Etiketten auch echte Lebensberatung: „Familie kann man sich nicht aussuchen. Den Rotwein schon!“, trifft ebenso ins Schwarze wie sein Weißer „Scheiß auf Küsschen. Guten Freunden gibt man Grauburgunder“.
Die Asselheimer Nachwuchswinzerin Lea Metzger lässt mit ihrer Cuvée „Schwein gehabt“ unverhohlen familiär die kreative Sau raus. Und tatsächlich Schwein gehabt hat der Österreicher Helmut Knall mit seinem Familiennamen: Sein Rotwein kann gar nicht anders heißen als „Knallrot“. Fränkische Weinmacher wollen mit ihrer Neu-Rebsorte „Domina“ wahrscheinlich vor allem die Männer lustvoll quälen. Ebenfalls leicht erotisierend im Abgang wirkt die Pfälzer Kreuzung aus Dornfelder und Portugieser: Die umsatzheischend „Pornfelder“ genannte Cuvée sollte man vorsichtshalber nur trinken, wenn man die Kleinen vor einschlägigen Youtube-Kanäle sicher versorgt weiß.
Ebenso als „Erwachsenen-Entertainment“ mögen die schlüpfrigen Tropfen „Sexmaschine“, „Leider geil“ oder „Dickes Ding“ gelten. Und der schon erwähnte Martin Bruker lässt mit seinem „4 Play“ und nacktem Männer-Oberkörper auf dem Etikett erahnen, zu was verschärfter Weingenuss mitunter führen kann. Wer die Pfälzer Cuvée „240 Stunden Leidenschaft“ entkorkt, sollte vorher wohl zehn Tage Urlaub genommen haben. Eher bieder textet man da an der Ahr: Jean Stoddens „Fierovend“ oder Meyer-Näkels „Us der Lameng“ sind doch recht harmlos, da sind der mosellanische „Steillagenheld“ oder die rheinhessische „Gänsehaut Pur“ geradezu abenteuerlich.
Hier kommt dann auch nochmal der Nußdorfer Erwin Bauer zum Zug: Er setzt darauf, dass die Kunden jeden Sonntag ein Fläschchen seiner Création „Tatort“ öffnen: Auf dem Etikett heißt es ganz groß: „Der Rote war alle. Da bin ich einfach durchgedreht“. Spätestens da keimt der Verdacht auf, bei Emil Bauer könnte das schon beim Texten passiert sein.