Auch wenn Reisebüros noch nicht vollends abgemeldet sind, der Trend geht klar Richtung Smartphone-Nutzung bei der Buchung.
Die Generation Y, die die ab 1980 Geborenen umfasst, drängt immer mehr auf den Markt und ist sozusagen mit dem Handy am Ohr aufgewachsen. Maryk Andryszak, Chef der TUI Deutschland, stellt dazu kurz und knapp fest: „Ja, das ist so.“ Um dann diese Aussage zu ergänzen: „Das Smartphone steht im Mittelpunkt aller digitalen Aktivitäten, ob Mediennutzung, Onlinebanking oder Pflege sozialer Kontakte. Es wird auch in der Reisebranche immer wichtiger.“ Noch allerdings spielen die Reisebüros eine bedeutende Rolle bei allen großen Reiseveranstaltern, besonders in Deutschland. Gut 75 Prozent aller Urlauber buchen nach aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Reisebüro, nachdem sich immerhin rund 80 Prozent vorher im Internet informiert haben. Ganz im Gegensatz zu Skandinavien übrigens, wo das Buchungsverhalten genau umgekehrt ist. Aber die Entwicklung im digitalen Reisegeschäft geht auch in Deutschland sprunghaft weiter, und die Reiseunternehmen stellen sich darauf mehr und mehr ein. „Shoppen wie bei Amazon“ heißt ein Pilotprojekt der TUI, in dem der zuständige Projektleiter Matthias Gehring eine neue Dimension der Buchung sieht: „Man muss sich das so vorstellen, dass sich der Kunde zukünftig alle touristischen Leistungen in einen Warenkorb legen kann, um dann in einem Schritt zu buchen.“ Das System denkt dabei immer mit. Sollte der Kunde den Buchungsvorgang abbrechen und dem X zu nahe kommen, wird das vom Programm erkannt, um sofort zusätzliche Informationsmöglichkeiten anzubieten. Dazu gehört auch das Angebot, mit zurzeit etwa 1.000 Mitarbeitern in Reisebüros der TUI in Kontakt zu treten, um sich fachkundig beraten zu lassen. Auch Thomas Cook setzt auf die Möglichkeit, digitale Informationen mit persönlicher Beratung zu verbinden. „One Code“ heißt das Programm, das, sagt Stefanie Berg, Geschäftsführerin Zentral- und Mitteleuropa, den Buchungsvorgang einfacher und bequemer machen soll.
Reisen erst digital, dann real erleben
Der Kunde erstellt eine Liste, die alle seine spezifischen Urlaubswünsche zusammenfasst. Der Code kann über jeden Buchungskanal aufgerufen werden. Im Reisebüro oder im Internet weiß man dann sofort, welche Angebote zum Kunden passen. Eine weitere Serviceleistung von Thomas Cook läuft unter dem Titel „Mein Zimmer“. Viele Urlauber, die ihr Hotel schon von früheren Reisen kennen, wissen ziemlich genau, wo sich die besten Zimmer befinden. Nur sind die leider oft schon belegt, wenn der Kunde eincheckt. Um das nach Möglichkeit zu verhindern, bekommen die teilnehmenden Urlauber sechs Tage vor Reiseantritt eine E-Mail mit dem Zimmerlageplan des Hotels, sodass das Wunschzimmer sofort gebucht werden kann. Das kostet zwar 30 Euro extra, aber wer schon mal neben dem Aufzug oder über der Disco seinen Urlaub verbracht hat, wird das Angebot zu schätzen wissen.
Dieser Service steht für die nächste Sommersaison bereits zur Verfügung, während der Mitbewerber TUI mit dem Programm „Mobile to store“ ein neues Pilotprojekt testet. Nutzer bestimmter Apps und sozialer Netzwerke, die im Umkreis von 500 Metern eines TUI-Reisebüros erfasst werden, erhalten spezielle Angebote auf ihr Smartphone einschließlich der Navigation zum Reisebüro. Alle Reiseveranstalter arbeiten inzwischen an Programmen, die es dem Kunden ermöglichen, auf immer mehr digitale Vertriebskanäle zurückgreifen zu können. Einschließlich umfangreicher Infos auch mit bewegten Bildern.
Ein besonderer Gag mit realem Hintergrund sind „Virtual Reality Reisen“. Der Kunde setzt eine Art Maske mit einer Spezialbrille auf, mit der er im 3-D-Format zum Beispiel durch Städte spazieren kann, indem entsprechende Bilder eingespielt werden. Ein „echter“ Rundgang durch sein Wunschhotel: kein Problem. Und auch ein Gang über einen Golfplatz ist möglich, sofern ein solches Programm gespeichert ist. Bewegungen mit dem Kopf geben die Richtung vor. Die 3-D-Bilder vermitteln ein faszinierendes Raumerlebnis, das ganz nah an der Realität ist. Auf einem Extramonitor kann ein Mitarbeiter eines Reisebüros genau verfolgen, an welchen Stationen der virtuelle Spaziergänger länger verweilt, um dann später gezielt Angebote machen zu können. Auf einem anderen virtuellen Trip sind die Amerikaner übrigens schon lange. Allerdings nicht digital, sondern ganz real. Bei Disney in Orlando gibt es schon seit etwa 20 Jahren diverse „Nachbauten“ von Urlaubsregionen. Am bekanntesten ist „Animal Kingdom“, eine afrikanische Landschaft auf 200 Hektarn, mit Elefanten, Giraffen und Antilopen. Dazu eine luxuriöse „Wilderness Lodge“ mit Kurzsafaris und allem, was sich der Kunde unter Afrika vorstellt. Warum also eine zeitaufwendige und teure Reise nach Kenia oder Tansania? Wer, wie die meisten US-Bürger, nur eine gute Woche Urlaub hat, muss seine Ferien im Zeitraffer planen.
Da geht es den Bundesbürgern doch viel besser. Immerhin garantiert das Bundesurlaubsgesetz 24 Werktage Urlaub, oft sind es je nach Arbeitsvertrag sogar mehr. Deshalb gehen auch alle digitalen Informations- und Buchungsmöglichkeiten in die Richtung, letztlich einen realen Urlaub zu verkaufen. Und da geht es der Reisebranche zurzeit prächtig. Die gute Konjunktur sorgt dafür, dass die Reiselust ungebrochen ist, und selbst gewisse Ausfälle in Regionen wie der Türkei oder in Ägypten und Tunesien wurden bereits in diesem Jahr problemlos kompensiert.
Zu den großen Gewinnern gehören Deutschland und Griechenland. Für beide werden auch 2018 weitere Zuwächse erwartet. Spanien ist nach wie vor besonders beliebt, und Fernreisen boomen weiter. Auch Ägypten und Tunesien erholen sich, während für die Türkei die Zurückhaltung immer noch relativ groß ist. Gute Aussichten also für den nächsten Sommer, zumal die Preise konstant bleiben. Es sei denn, Attentate oder politische Umwälzungen bringen einen Rückschlag. Auch Pleiten wie bei Air Berlin können die Planung durcheinander bringen. Für solche Fälle werben die deutschen Reiseveranstalter mit einem besonderen Argument. Jede Pauschalreise ist durch den gesetzlich vorgeschriebenen Reisesicherungsschein gegen Insolvenzen versichert. Außerdem haben besonders die etablierten Veranstalter Krisenzentren aufgebaut, die in der Lage sind, zusätzlich Hotelaufenthalte oder Rücktransporte zu organisieren. Wer dagegen ganz individuell seine Reise im Internet bucht und keinen Veranstalter einschaltet, bleibt im Zweifelsfall auf den Kosten sitzen. Dafür gibt es unzählige Beispiele. Deshalb stellt Stefanie Berg von Thomas Cook auch fest: „Eine Pleite wie bei Air Berlin trägt dazu bei, dass sich der Kunde genau anschaut, bei wem er bucht.“ Deshalb werden die sicherheitsbewussten deutschen Urlauber der Veranstalterreise vermutlich noch lange treu bleiben.