Im Schatten der Berliner Regierungsbildung wird die bayerische Landtagswahl im Herbst vorbereitet. Eine Landtagswahl im Freistaat ist vor allem Folklore, am Ende gewinnt sowieso die CSU. Doch diesmal könnte es für die Christsozialen knüppeldick kommen.
Am letzten Tag der Sondierungen zur Großen Koalition in Berlin hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer richtig schlecht Laune. Es ist so ein typisch nebliger Wintertag mit Nieselregen bei zwei Grad Plus. Er muss von der bayerischen Landesvertretung in die SPD-Parteizentrale, zu den Schlusssondierungen. Dies ist für Scheuer eigentlich schon eine Zumutung, dazu noch das Wetter. Doch beide Umstände sind nicht schuld an Scheuers schlechter Laune. Es ist die neueste Umfrage, wonach die CSU in Bayern nicht über die 40 Prozent raus kommt, acht Monate vor der Landtagwahl Ende September. „Das kann man aufholen“, beteuert Scheuer auf Nachfrage, immer wieder bemüht, siegessicher auszusehen.
Was dem aufstrebenden CSU-Mann aber die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist etwas anderes. Zukünftig werden im bayerischen Landtag, dem Maximilianeum, nicht mehr vier, sondern sehr wahrscheinlich sechs Parteien sitzen. Die beiden neuen Parteien: Die FDP, die wieder, und die AfD, die zum ersten Mal einziehen könnte. Es wäre das erste Mal in der Geschichte Bayerns, dass eine Partei rechts der CSU im Landesparlament vertreten ist. Genau dies ist das Problem der CSU, denn sowohl die Stimmen für die FDP, als auch die der AfD werden vor allem auf Kosten der CSU in der Wahlurne landen. Sicherlich werden auch die Freien Wähler Federn lassen müssen, aber ihr Wiedereinzug gilt als sicher.
Damit würde das Eintreten, wovor CSU-Übervater Franz Josef Strauß immer gewarnt hatte: „Es darf sich keine Partei rechts der CSU etablieren“. Um Haaresbreite wäre es aber seine Politik gewesen, die Ende der 80er damals den Republikanern (REP) den Weg bereitet hätte. Strauß fädelte 1983 den ersten Milliardenkredit für die DDR ein. Ausgerechnet der hartgesottene Antikommunist sorgte dafür, dass der Arbeiter- und Bauernstaat noch weitere sechs Jahre überleben konnte. In der CSU war damals der Teufel los, und plötzlich tauchten die REPs auf. Bei den Kommunalwahlen im März 1990 stürmten sie reihenweise die Rathäuser, in Rosenheim holten die Republikaner über 25 Prozent. Doch die CSU hatte Glück, Deutschland im Wiedervereinigungstaumel, der Milliardenkredit vom mittlerweile verstorbenen Ministerpräsident Strauß wurde umgedeutet. Ohne diesen wäre nie die Mauer aufgegangen, warb die CSU im Landtagswahlkampf, was verfing. Die Republikaner scheiterten im September 1990 um 0,1 Prozentpunkt. Die CSU hatte im Maximilianeum ihre absolute Mehrheit gerettet.
Im kommenden Herbst steht keine Maueröffnung an, dafür wird das Flüchtlingsthema vermutlich weiter die Schlagzeilen mitbestimmen. Eine Ironie der Geschichte: Auch der Auftrieb für die AfD im Sommer 2015 begann mit Bildern aus Bayern, genauer vom Münchner Hauptbahnhof. Die AfD war eigentlich schon auf dem absteigenden Ast, da kamen die Flüchtlingsbilder vom Münchner Hauptbahnhof, Menschen mit Luftballons und „Refugees Welcome“-Schildern begrüßten die Hilfesuchenden. Die Nation war gespalten: Sehr viel Applaus für Merkels Grenzöffnung, doch das konservative Lager war verschreckt und die CSU seitdem in der Zwickmühle. Ministerpräsident Horst Seehofer machte in Berlin immer wieder Front gegen Merkels Flüchtlingspolitik, Stichwort Obergrenze. Doch offenbar verfängt das bei den konservativen CSU-Stammwählern wenig.
Dann der „worst case“ im selbsternannten deutschen Sicherheitsland Nummer eins, in dem Innenminister Joachim Herman gern den schwarzen Sheriff gibt. Ein rechtsradikaler Bundeswehrsoldat, der sich als Flüchtling ausgibt und einen Anschlag plant, um diesen dann den Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben, wird in einem bayerischen Flüchtlingsheim untergebracht. Er wird über Monate nicht entdeckt, obwohl doch Innenminister Hermann immer wieder tönt, wer in Bayern unterkomme, werde ganz genau überprüft. Die Wiener Polizei gibt dem bayerischen Innenministerium dann den Tipp, dass einer ihrer Asylbewerber ein deutscher Bundeswehrsoldat ist. Die Glaubwürdigkeit Hermanns war dahin. Daraus entstand die Idee, ihn zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu machen und damit aus der bayrischen Schusslinie zu nehmen.
Während CSU-Boss und Ministerpräsident Horst Seehofer auf Bundesebene weiter den Chef-Polterer gibt, geht es daheim in der bayerischen CSU drunter und drüber. Längst ist Kronprinz Markus Söder aus dem Gröbsten raus und will nun unbedingt Ministerpräsident werden. Der Finanzminister schreckt da auch nicht vor etwas unfairen Methoden zurück, wird immer wieder aus CSU-Kreisen berichtet. So soll es Söder gewesen sein, der der „Bild“-Zeitung den Tipp gegeben hat, dass Seehofer in Berlin eine Freundin hat, die längst stolze Mutter eines Seehofer-Kindes ist. Seehofer macht nicht den Wulff (Ex-Bundespräsident), sondern kehrt reumütig nach Ingolstadt zu seiner Frau und der Modeleisenbahn im Keller zurück.
Die Kuh ist erst mal vom Eis, aber katholische, konservative Wähler, vor allem im ländlichen Raum, finden solche Eskapaden nicht unbedingt witzig. Laut Wahlanalysen wechseln diese dann aber nicht die Partei, sondern gehen gar nicht wählen. Und Nichtwähler sind das schlichte Grauen, nicht nur für die CSU, die SPD kann davon ein Lied singen.
Der Spitzenkandidat der CSU im Bundestagswahlkampf, Innenminister Joachim Hermann, tourt unermüdlich durch den Freistaat, um Stimmen zu sammeln. Da hat Seehofer für den Wahlkampf noch eine tolle Idee: Er holt den guten alten Freiherr von Guttenberg, den ehemaligen Superstar, aus der Versenkung. Karl-Theodor soll offiziell Hermann im Wahlkampf unterstützen. Die CSU-Wähler sind nun restlos verwirrt, wer denn nun der starke Mann für Berlin sein soll. Am Wahlabend kommt prompt die Quittung, die CSU legt einen fulminanten Absturz bei der Bundestagswahl in Bayern hin, von 49,3 auf 38,8 Prozent, ein desaströses Rekordtief. Obendrein schafft Herman nicht den Sprung in den Bundestag, er hat kein Direktmandat, und die Liste „zieht nicht“.
Überall schwebt der Geist von FJS
Die Stunde für Noch-Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat geschlagen, ein sehr treuer Seehofer-Anhänger. Er hat gegen alle Widerstände und vor allem Vernunft die Pkw-Maut für EU-Ausländer durchgeprügelt, das will belohnt werden. Anstelle von Hermann wird nun Dobrindt der neue Landesgruppenchef im Bundestag. Da kommen Gerüchte auf, nicht nur zu Guttenberg, sondern auch Dobrindt hätte das Zeug zur Seehofer-Nachfolge.
Was seine Vor-Vorgängerin Ilse Aigner, derzeit Superministerin im bayerischen Kabinett, auf den Plan ruft. Sie lässt sich von Freunden zumindest als Parteivorsitzende empfehlen. Politstadel at is best. Wobei dämlicherweise vor allem die Stammwähler vergessen werden. Die blicken offenbar überhaupt nicht mehr durch, verstehen aber, es geht nur um Posten und goutieren das mit verheerenden Umfragewerten. Nie wieder absolute Mehrheit.
Diesen Personal-Zirkus hält die CSU schlappe zehn Wochen durch, dann die Entscheidung Seehofers zur Doppelspitze. Er bleibt Parteichef, und Markus Söder soll Ministerpräsident werden. Der Haken daran: Erst wenn eine neue Bundesregierung steht (wann immer das ist), will Seehofer den Staffelstab übergeben, solange muss der Markus halt warten.
Eigentlich kein schlechter Plan
Dabei ist der Plan gar nicht schlecht. Seehofer handelt einen Koalitionsvertrag in Berlin aus, der aus bayerischer Sicht natürlich viele Schwächen haben wird, und hält politisch dafür den Kopf hin. Söder kann dann unbeschadet in den Landtagswahlkampf ziehen. Doch wer das Gespann Seehofer/Söder aus den vergangenen Jahren kennt, weiß: Wenn die beiden etwas aushandeln, dann nur, um es zügig zu unterlaufen. Darum darf man sich in diesem Sommer auf einen echten Stadl-Wahlkampf freuen, in dem die CSU-Doppelspitze mehr mit sich selbst als mit den eigentlichen Wahlkampfthemen beschäftig sein wird.